Angeblich haben wir alle über unseren Verhältnissen gelebt. Das sagt zumindest Gabriel Felbermayr, Chef des Österreichischen Instituts für Wirtschaftsforschung. Er spielt damit auf die gestiegenen Lohnkosten in der Industrie an – die sich mittlerweile moderat eingependelt haben, nachdem sie bis zum Beginn der Teuerungskrise kontinuierlich gesunken sind. Und wieso sollen das die Arbeitnehmer:innen ausbaden?
Was Felbermayr derweil ausspart, sind die 42 Millionen Überstunden, die 2024 unbezahlt blieben, wie aktuelle Zahlen der Statistik Austria zeigen. Auch darüber sollten wir reden. Da zahlen die Arbeitnehmer:innen und der Staatshaushalt drauf.
Krisenlast auf Arbeitnehmer:innen
An Lohnraub grenzt auch die Forderung des steirischen Präsidenten der Industriellenvereinigung, Kurt Maier, jetzt drei Jahren Nulllohnrunden zu machen. Die Produktionsgewerkschaft hat berechnet, was das die Beschäftigten kosten würde: Bei drei Nulllohnrunden würden die Arbeitnehmer:innen auf ein gesamtes Urlaubsgeld UND Weihnachtsgeld verzichten! Ob auch die heimische Wirtschaft auf die Kaufkraft verzichten will? Arbeitnehmer:innen nur noch als Kostenfaktor zu sehen, verkennt, dass sie es sind, die am Ende die produzierten Waren (wie zum Beispiel ein Auto) kaufen und die Dienstleistungen (wie Urlaubsreisen) beziehen.
Lohnkürzungen werden die Industrie nicht aus der Misere holen. Im Gegenteil: Jetzt den zögerlich wieder anlaufenden Konsum abzuwürgen, hätte fatale Folgen. Und tatsächlich geht es hier nicht um einen vermeintlichen Wettbewerbsvorteil durch Lohnkürzungen. Die Forderung hat einen anderen Hintergrund: Man will die Arbeitnehmer:innen in Zeiten steigenden wirtschaftlichen Drucks auf ihren Platz verweisen. Mehr noch: Man will in den Betrieben Panik verbreiten, den Arbeitnehmer:innen einreden, sie wären schuld an der Krise, die eigentlich durch Managementfehler, verabsäumte Zukunftsplanung und -investitionen und die Energiekrise ausgelöst wurde, sowie überhaupt an allen Verwerfungen in der Exportwirtschaft. Die Wirtschaft sieht nach wie vor ein Fenster für den endgültigen Bruch mit der viel zitierten Benya-Formel, die als Untergrenze stets die Inflationsanpassung vorsieht.
Was stattdessen helfen würde
Diesem Ziel opfern sie die Gesundung ihres eigenen Sektors. Was der Industrie helfen würde: eine nachhaltige Industriestrategie, eine ordentliche Zukunftsstrategie, ein Ausbau der Infrastruktur, Qualifizierungsoffensiven und der Mut, endlich Maßnahmen zu treffen, die auch in die Preise, wie beispielsweise im Energiesektor, eingreifen.
Österreich steckt das dritte Jahr in der Rezession. Die Wifo-Prognose? Trüb. 🌥️
Was jetzt nötig wäre, ist trotz allem Zuversicht, sagt Arbeiterkammer-Ökonom Michael Ertl. 💪
👉 Im Interview erklärt er, welche Wege aus der Krise führen: www.arbeit-wirtschaft.at/wie-geht-es-…
— Arbeit&Wirtschaft Magazin (@aundwmagazin.bsky.social) 2. April 2025 um 18:34
Zurückhaltung bei den Manager:innen-Boni, der Preisgestaltung und den Gewinnausschüttungen suchen wir in den Aussagen des Wirtschaftsforschers übrigens vergebens. Das gilt auch für die Rückzahlung der massiven Corona-Überförderung von Unternehmen. Und wenn gar nichts mehr hilft, bleibt nur noch der Spar- und Klimatipp der niederösterreichischen Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner (ÖVP): 2022 empfahl sie, dass sich Österreicher:innen doch einfach nur drei statt zehn Ballkleider kaufen sollten.
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