Steuer-/Abgabenquote bleibt gleich
Durch die Wertschöpfungsabgabe wird der Steuer-/Abgabenbeitrag, den die Wirtschaft leistet, insgesamt nicht angehoben. Es käme aber zu Umverteilungen zwischen den Branchen, denn arbeitsintensive Betriebe würden weniger bezahlen. Wer große Gewinne erzielt und dafür nur wenig Personal braucht, müsste mehr beitragen. Solche Maßnahmen werden von UnternehmensvertreterInnen normalerweise bejubelt, Stichwort Lohnnebenkostensenkung.
Von neoliberaler Seite ist immer zu hören, dass eine Umverteilung zwischen den Branchen nicht genüge. Es sollte nämlich insgesamt die Steuer-/Abgabenquote gesenkt werden, weil der Staat ohnehin schon viel zu viel abkassieren würde und Österreich im EU-Vergleich eine der höchsten Quoten haben würde. Länderübergreifende Vergleiche der Abgabenquote sind allerdings nur bedingt zulässig, denn die Abgabenquote allein hat keine Aussagekraft darüber, wer wie viel an Abgaben bezahlt. Die Quote enthält nicht nur Steuern, sondern zum Beispiel auch Beiträge zur Sozialversicherung – allerdings nur Pflichtbeiträge an öffentliche Institutionen. Wenn ein Staat nun kein öffentliches Pensionssystem hat, sondern die Menschen gezwungen sind, privat für das Alter vorzusorgen, dann hat dieses Land auf dem Papier eine niedrigere Abgabenquote. Mehr Geld zum Leben bleibt den Menschen dadurch aber natürlich nicht.
Aus einem weiteren Grund ist es sinnlos, die Abgabenquote der einzelnen Staaten einfach in einer Säulengrafik zu vergleichen. Es gibt etwa Staaten, die erst Steuern und Abgaben einheben, um mit den Steuereinnahmen Sozialleistungen zu finanzieren, die dann den Menschen zur Verfügung gestellt werden, entweder allen oder denjenigen mit besonderem Bedarf. Andere Staaten hingegen unterstützen einzelne Menschen, indem sie ihnen gezielt Steuerermäßigungen gewähren, zum Beispiel in Form von Steuerfreibeträgen für Familien. (Vom zweiten Modell profitieren nicht unbedingt diejenigen, die es nötig hätten, sondern diejenigen, die genug verdienen, um Steuern zahlen zu können.) Im ersten Fall ist die Abgabenquote höher, im zweiten Fall niedriger – über die effektive Belastung der Menschen sagt das jedoch gar nichts aus.
Die Wertschöpfungsabgabe ist eine fortschritts- und innovationsfeindliche Maschinensteuer, lautet ein verbreitetes Totschlagargument. Es ist aber keineswegs so, dass technologieintensive Branchen zu den Verlierern der Systemumstellung zählen würden, denn diese haben in Forschung und Entwicklung, aber auch in der Produktion hohe Personalkosten. Dadurch würde etwa die Telekommunikationsbranche auf die Gewinnerseite fallen. Profitieren würden ansonsten vor allem personalintensive Niedriglohnbranchen wie Einzelhandel, Autowerkstätten, Bewachung und Reinigung. Das wäre arbeitsmarktpolitisch durchaus sinnvoll, da die Arbeitslosigkeit vor allem im Bereich der Niedrigqualifizierten zuletzt stark angestiegen ist.
Modell für das 21. Jahrhundert
Als das Sozialsystem in Österreich im 19. Jahrhundert entstand, gab es fast nur arbeitsintensive Branchen. Deshalb war es damals nur logisch, die Löhne als Bemessungsgrundlage heranzuziehen. Nicht erklärbar ist hingegen, wenn nach 200 Jahren des wirtschaftlichen Wandels immer noch daran festgehalten wird. Die Wertschöpfungsabgabe wäre genau das Richtige, um dieses „Retro-Model“ ans 21. Jahrhundert anzupassen.
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Georg Kovarik
ÖGB-Referat für Volkswirtschaft
Dieser Artikel erschien in der Ausgabe Arbeit&Wirtschaft 2/17.
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