Was sind Lohnnebenkosten?
Lohnnebenkosten – auch Lohnnebenleistungen genannt – sind die Abgaben, die Unternehmen zusätzlich zum eigentlichen Lohn oder Gehalt monatlich entrichten müssen. Sie sind in erster Linie die Beiträge der Unternehmen zum Sozialstaat. Dazu gehören:
- Dienstgeberanteil zur Sozialversicherung: Kranken-, Unfall-, Pensions- und Arbeitslosenversicherung
- Kommunalsteuer: Gemeindeabgabe, u. a. für Müll, Verkehr oder Kindergärten
- Familienlastenausgleichsfonds: u. a. für Kinderbetreuungsgeld, Leistungen aus dem Mutter-Kind-Pass und Schülerunfallversicherung
- Zuschlag zum Dienstgeberbeitrag
- Beitrag zur Mitarbeitervorsorgekasse
- Insolvenz-Entgelt-Fonds: Im Falle einer Insolvenz zahlt er die Ansprüche der Beschäftigten.
Historisch betrachtet handelt es sich bei den Lohnnebenkosten tatsächlich um eine Art der Lohnerhöhung, die die Arbeitgeber:innen in Form von sozialen Leistungen ausbezahlt haben. Hierzu zählt etwa die Familienbeihilfe. Doch mit dem wachsenden Wohlstand hat sich die Bedeutung geändert. „Es ist eine gemeinsame Verantwortung der Arbeitgeber:innen und der Arbeitnehmer:innen den Sozialstaat zu sichern. Deswegen sind es Sozialstaatsbeiträge“, erklärt Sybille Pirklbauer im Podcast „In bester Gesellschaft“. Sie ist Leiterin der Abteilung für Sozialpolitik in der Arbeiterkammer. Genau diese gemeinsame Verantwortung wird derzeit immer wieder in Frage gestellt. Doch was ist dran an der Debatte? Arbeit&Wirtschaft räumt mit den vier gängigsten Mythen rund um die Lohnnebenkosten auf.
Mythos 1: Geringere Lohnnebenkosten bedeuten mehr Geld für die Beschäftigten
Wer die Lohnnebenkosten kürzt, sorgt damit nicht für mehr Geld im Geldbörserl der Beschäftigten. Letztlich sparen die Unternehmen Ausgaben, die eigentlich für den Sozialstaat gedacht sind. Studien haben gezeigt, dass diese Kostenersparnis nicht an die Arbeitnehmer:innen (in Form von Lohnerhöhungen) weitergegeben wird. Tatsächlich wird langfristig sogar der gegenteilige Effekt eintreten.
Denn rund 55 Prozent der Ausgaben des Sozialstaates stammen aus den Sozialversicherungsbeiträgen erwerbstätiger Menschen. Noch einmal 39 Prozent kommen aus Lohn-, Einkommen-, Mehrwert- und Verbrauchssteuern. Die restlichen Prozente stammen von Selbstständigen (3,2 Prozent) und Pensionist:innen (2,3 Prozent). In den restlichen 0,5 Prozent stecken unter anderem Vermögenseinnahmen. Das bedeutet: Lohnnebenkosten kürzen führt zu weniger Einnahmen.
Entweder kürzt die Regierung dann die Leistungen (etwa bei der Krankenversorgung oder der Pensionen) oder erschließt neue Einnahmequellen in Form von Steuererhöhungen. Den meisten Platz nehmen im Budget übrigens die Punkte Alter (42,4 Prozent des Budgets) und Gesundheit (24,9 Prozent) ein. Hier gibt der Sozialstaat mit Abstand das meiste Geld aus. In Zukunft werden diese Ausgaben sogar noch weiter steigen, schon jetzt kämpft Österreich mit der Pflegekrise.
Mythos 2: Die Leistungen der Lohnnebenkosten sind nur Almosen
Bei den Leistungen handelt es sich nicht um Almosen. Es sind Versicherungsleistungen, die sich die Beschäftigten tagtäglich erarbeiten. Für individuelle Beiträge gibt es individuelle Ansprüche. Das gilt für die Pension genauso wie für die Arbeitslosigkeit.
Mythos 3: In der Schweiz sind die Lohnnebenkosten viel niedriger und das Gesundheitssystem ist besser
Der Vergleich der Lohnabgaben zwischen den Ländern ist Augenauswischerei. Österreich liegt mit den Lohnabgaben zwar tatsächlich im europäischen Spitzenfeld, allerdings auch beim Sozialstaat. In Ländern, in denen die Lohnabgaben niedriger sind, müssen diese Leistungen privat erbracht werden. Das bedeutet, dass die Arbeitnehmer:innen von ihrem Nettolohn noch private Renten- und Krankenversicherungen oder Kindergärten zahlen müssen. Auch Arbeitslosengeld für den Notfall müssen sie vorab selbst ansparen. Doch private Versicherungen haben für die Versicherten einen entscheidenden Nachteil. Sie müssen Gewinne erwirtschaften, die bei den Beiträgen eingepreist sind.
„In Ländern, in denen das Sozialsystem nicht so stark wie in Österreich ist, müssen derartige Leistungen oft privat bezahlt werden. Wenn eine teurere ärztliche Behandlung ansteht, kann dies zu finanziellen Engpässen und sogar dazu führen, dass diese Kosten über Jahre hinweg abbezahlt werden müssen“, so Miriam Fuhrmann, Fachreferentin im volkswirtschaftlichen Referat des Österreichischen Gewerkschaftsbunds.
Ähnlich sieht es Sepp Zuckerstätter von der wirtschaftswissenschaftlichen Abteilung der Arbeiterkammer Wien. „Der Grund, warum andere Länder wie die Schweiz niedrigere Lohnnebenkosten haben, liegt oftmals daran, dass die Krankenversicherung privat aus dem Lohn oder Gehalt der Beschäftigten bezahlt werden muss – was gerade für Familien mit Kindern oft viel teurer ist, aber aufgrund der anderen Verrechnung nicht als Teil der Lohnnebenkosten aufscheint, auch wenn es die Beschäftigten genauso belastet.“
Mythos 4: Die Lohnnebenkosten steigen immer weiter
In den vergangenen Jahren hat die Regierung immer wieder die Lohnnebenkosten massiv gekürzt. Dazu gehören unter anderem die Beiträge zum Familienlastenausgleichsfonds, zum Insolvenz-Entgelt-Fonds und zur Unfallversicherung. Seit dem Jahr 2016 gab es einige Kürzungen, mit denen sich Unternehmen sehr viel Geld sparen. Sie summieren sich auf 1,7 Milliarden Euro pro Jahr. Geld, das dem Sozialstaat und damit den Österreicher:innen jetzt fehlt.
Gerade wieder top aktuell: Begehrlichkeiten Richtung #Lohnnebenkosten. Dass eine Kürzung den Wegfall vieler #Sozialleistungen bringen würde, wird gerne verschwiegen. Alle Fakten im Podcast #InbesterGesellschaft. 1/2
— AK Österreich (@Arbeiterkammer) March 1, 2024
Aktuell gibt es Pläne von Kanzler Karl Nehammer (ÖVP) die Lohnnebenkosten stufenweise um drei Prozent zu kürzen. Bis zum Jahr 2030 entsteht so ein Budgetloch von 20 Milliarden Euro. Eine Gegenfinanzierung gibt es noch nicht. Allerdings fordern parallel wirtschaftsnahe Ökonom:innen eine Anhebung des Renteneintrittsalters.
Häufige Fragen zur Kürzung der Lohnnebenkosten
- Dienstgeberanteil zur Sozialversicherung: Kranken-, Unfall-, Pensions- und Arbeitslosenversicherung.
- Kommunalsteuer: Gemeindeabgabe u.a. für Müll, Verkehr oder Kindergärten.
- Familienlastenausgleichsfonds: u.a. für Kinderbetreuungsgeld, Leistungen aus dem Mutter-Kind-Pass und Schülerunfallversicherung
- Zuschlag zum Dienstgeberbeitrag
- Beitrag zur Mitarbeitervorsorgekasse
- Insolvenz-Entgelt-Fonds: Im Falle einer Insolvenz zahlt er die Ansprüche der Beschäftigten
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Lohnnebenkosten als Sparbüchse der Pandora