Lohn allein reicht nicht

Foto (C) ÖGB-Verlag/Michael Mazohl
Mindestlöhne sind ein gutes Mittel, um die Einkommensschere zwischen Frauen und Männern schneller zu schließen. Ein Allheilmittel sind sie aber nicht, sondern es braucht weitaus mehr.

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Ein ganzes Bündel an Maßnahmen wird benötigt, um Menschen vor Armut und Ausgrenzung zu schützen.
Am Asphalt vor dem Supermarkt sitzt eine Frau. Ihre Hose ist schmutzig, das Oberteil an vielen Stellen zerrissen. Im Arm hält sie ein Baby. Immer wieder streckt sie ihre Hand aus. Manche reichen ihr ein wenig Kleingeld, manche schenken der jungen Mutter einen Liter Milch. Andere wiederum blicken beschämt zu Boden und gehen wortlos an ihr vorbei. Solche und ähnliche Situationen zeichnen das typische, charakteristische Bild von Armut: kein Geld, keine Wohnung, keine Arbeit. Doch Armut hat viele Gesichter und ist nicht wie hier immer auf den ersten Blick sichtbar. In vielen Fällen spielen sich Existenzsorgen hinter verschlossenen Türen im Verborgenen ab.

Leben am Minimum

1,5 Millionen Menschen waren im Jahr 2015 in Österreich laut Armutsbericht der Statistik Austria armuts- und ausgrenzungsgefährdet. Von Armutsgefährdung spricht man dann, wenn das gesamte Haushaltseinkommen unter der sogenannten Armutsgefährdungsschwelle liegt. Diese liegt in Österreich aktuell bei 1.163 Euro monatlich für einen Ein-Personen-Haushalt. Viele der betroffenen Personen hatten sogar ein so geringes Einkommen, dass sie ihre Wohnung nicht angemessen warm halten oder für unerwartete Ausgaben nicht aufkommen konnten. Von Urlaub, einem Auto oder einer neuen Waschmaschine gar nicht erst zu sprechen. Unsichere Arbeitsplätze und niedrige Einkommen sind häufige Gründe für ein Leben am Existenzminimum. Die hohen Wohn- und Lebenshaltungskosten erschweren die Situation zusätzlich, genauso wie schwere Schicksalsschläge wie etwa Krankheit, Scheidung oder Tod. Am stärksten betroffen waren laut Statistik AlleinerzieherInnen, kinderreiche Familien, Langzeitarbeitslose, gering Qualifizierte und MigrantInnen.

Welche Faktoren beeinflussen die Armutsgefährdung? Personen mit Lehrabschluss etwa waren nur halb so oft von Armut oder Ausgrenzung betroffen wie jene mit Pflichtschulabschluss. In letztere Gruppe fallen zum Beispiel viele MigrantInnen, die einen schlechten Zugang zu Bildung haben und daher auch oft nur als Hilfskräfte tätig sind. Andererseits gehen sie oft Tätigkeiten nach, die ihrer eigentlichen Ausbildung nicht entsprechen. Denn Bildungsabschlüsse aus den Heimatländern werden, wenn überhaupt, meist nur unter großem bürokratischem und finanziellem Aufwand anerkannt. Dazu kommen Diskriminierungen am Arbeitsmarkt.

Mittel gegen Armut

Ein Ein-Personen-Haushalt in Österreich benötigte also im Jahr 2015 einen monatlichen Netto-Lohn von 1.163 Euro, um die Armutsgrenze zu überschreiten. Eine Alleinerzieherin mit zwei Kindern musste demnach etwas mehr verdienen, nämlich etwa 1.622 Euro brutto, um über die Armutsgrenze zu kommen. Der Druck auf diese Menschen ist groß, beim Einkauf müssen sie penibel auf den Preis achten, damit sie bis zum Monatsende über die Runden kommen. Laut Statistik Austria verdienen österreichweit auf Vollzeitbasis gerechnet 350.000 Menschen weniger als 1.500 Euro brutto monatlich, was in etwa 1.200 Euro netto entspricht. Der ÖGB und die Gewerkschaften fordern einen Mindestlohn von 1.500 Euro brutto als einen ersten Schritt, der nächste ist 1.700 Euro brutto für alle. Denn: Arbeit und Mindestlöhne sind eine gute Versicherung gegen Armut. Mindestlöhne verhindern aber nicht nur Lohndumping und Hungerlöhne. Sie sind zudem ein gutes Mittel, um die Einkommensschere zwischen Frauen und Männern schneller zu schließen.

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