inerseits versteht man unter Leistung die individuelle Leistung, also das, was wir an Zeit und Mühen in eine Erwerbsarbeit stecken, in unbezahlte Arbeit, aber auch in Maßnahmen zur Aus- und Weiterbildung. Andererseits wird Leistung aber auch kollektiv gemessen, also alles, was das Land und all die unzähligen Unternehmen erwirtschaften.
Leistung im Zuge einer Erwerbsarbeit
Wenn es um Leistung geht, wird als Erstes oftmals die Arbeitsleistung im Rahmen einer Erwerbstätigkeit damit in Verbindung gebracht. Denn Leistung wird häufig als Erwerbsarbeit verstanden – das, womit wir unsere Brötchen verdienen. In Österreich gibt es laut Statistik Austria insgesamt 3.954.237 Erwerbstätige. Davon sind 2.549.441 Personen in Vollzeit beschäftigt, 721.795 davon Teilzeit (wobei bei zusätzlichen 600.614 Personen unbekannt ist, ob sie Vollzeit oder Teilzeit arbeiten). Unter der Geringfügigkeitsgrenze arbeiten 214.962 Personen.
[infogram id=“aandw-online-pensionen-altersarmut-1h1749j010gl6zj?live“]Dem gegenüber stehen jene Personen, die arbeitslos sind. Die Statistik des AMS gibt für Dezember 2019 in Österreich 349.796 Arbeitslose an (exklusive SchulungsteilnehmerInnen). In absoluten Zahlen waren es 2018 noch um 100.000 mehr arbeitslos gemeldete Personen als vor der Finanz- und Wirtschaftskrise 2008/2009.
[infogram id=“aandw-online-zukunft-gestalten-arbeitslosigkeit-1hd12y935vzw6km?live“]In Bezug auf die geleisteten Arbeitsstunden liegt Österreich im EU-Vergleich an dritter Stelle: Durchschnittlich werden pro Woche 41,2 Stunden gearbeitet. Nur in Großbritannien und Zypern ist die Zahl noch höher, der EU-Schnitt liegt bei 40,2 Stunden.
Auf den ersten Blick mag diese Zahl vielleicht nicht schockieren. Bei einer gesetzlichen Vollzeit von 40 Stunden (mit Ausnahmen in Kollektivverträgen, die eine geringere Vollzeit-Stundenanzahl vorsehen) liegen die 41,2 Stunden nicht allzu weit darüber. Wenn man aber bedenkt, dass viele Personen nur Teilzeit arbeiten und der Schnitt daher viel niedriger sein sollte, ergeben sich erste Fragezeichen. Wie kommt es dann, dass die durchschnittliche Wochenarbeitszeit dennoch so hoch ist? Die Antwort: Mehr- und Überstunden. Und die werden hierzulande zuhauf geleistet: ganze 255 Millionen Mehr- und Überstunden jährlich.
[infogram id=“aandw-online-arbeitszeit-uberstunden-1hdw2jd1np0j2l0?live“]Sieht man sich die Geschlechterverteilung bei der Erwerbstätigkeit an, wird sehr schnell klar, dass es einen gravierenden Unterschied zwischen den beiden Geschlechtern gibt: Laut David Mum, Leiter der Grundlagenabteilung der Gewerkschaft GPA-djp, werden 80 Prozent aller Teilzeitarbeitsplätze in Österreich von Frauen besetzt. Oder anders ausgedrückt: Fast jede zweite Frau arbeitete 2018 Teilzeit (48,3 Prozent Teilzeitquote von Frauen). Umgekehrt ist es so, dass 65 Prozent der Vollzeitarbeitsplätze auf Männer fallen.
[infogram id=“aandw-online-arbeitszeit-teilzeitquote-1hdw2jdlew1p2l0?live“]In Bezug auf die Teilzeitarbeit liegt Österreich im Mittelfeld der geleisteten Wochenstunden. Der EU-Durchschnitt liegt bei Teilzeitkräften bei 20,3 Wochenstunden, in Österreich sind es durchschnittlich 20,7 Wochenstunden.
Die Leistung der unbezahlten Arbeit
Leistung geht jedoch weit über die bezahlte Erwerbstätigkeit hinaus. Was ist mit all den Stunden, die in den Haushalt gesteckt werden, die in die Kinderbetreuung fließen oder die aufgewendet werden, um Angehörige zu pflegen? Diese Stunden zu erheben ist nicht ganz so einfach wie jene der erwerbstätigen Arbeit. Vor allem, da die letzte, schwarz-blaue Regierung keinen Bedarf sah, eine Zeitverwendungserhebung durchzuführen. Und das, obwohl die europäische Statistikbehörde Eurostat den EU-Mitgliedstaaten eine Datenerhebung im Abstand von rund zehn Jahren empfiehlt. Die letzten Zahlen stammen daher aus einer über 10 Jahre alten Zeitverwendungserhebung aus dem Jahr 2008/09. Der zufolge leisten Frauen in Österreich durchschnittlich 32 Stunden pro Woche unbezahlte Arbeit – doppelt so viele wie die männliche Bevölkerung.
[infogram id=“aandw-online-arbeitszeit-frauen-1h7j4dxlq0pv2nr?live“]Und das ist immens, denn in Summe ergibt das 186 Millionen Stunden jährlich an unbezahlter Arbeit – eine enorme Leistungserbringung, der sich die meisten gar nicht bewusst sind. Franziska Disslbacher und Matthias Schnetzer von der AK Wien setzen in ihrem A&W-Blogbeitrag die geleisteten Stunden der Erwerbstätigkeit in Relation zu jenen der unbezahlten Arbeit und gliedern dies nach Geschlecht. Die Erkenntnis daraus ist – gerade in Zeiten der propagierten Geschlechtergerechtigkeit – ernüchternd: „Vergleicht man die Aufteilung zwischen bezahlter und unbezahlter Arbeitszeit nach Geschlecht, so verbringen Männer gut 63 Prozent ihrer wöchentlichen Arbeitszeit in bezahlter (110 Mio. Stunden) und 37 Prozent in unbezahlter (64 Mio. Stunden) Arbeit. Bei Frauen ist das exakt umgekehrt: Lediglich 37 Prozent ihrer Arbeit wird bezahlt (71 Mio. Stunden), während der überwiegende Rest von 63 Prozent (123 Mio. Stunden) unbezahlt ist“, so die beiden Autoren. Und das hat laut Disslbacher und Schnetzer weitreichende Auswirkungen: „Diese geschlechtsspezifische Schieflage manifestiert sich nicht nur in Unterschieden bei den Erwerbseinkommen, sondern wirkt sich aufgrund der Erwerbszentriertheit des Versicherungssystems auch auf die Pension aus.“ Und das, obwohl – wenn man sowohl bezahlte als auch unbezahlte Arbeit berücksichtigt – Frauen mehr arbeiten als Männer und dementsprechend auch weniger Freizeit haben.
Männer
Anteil bezahlter Arbeit
63 %
Anteil unbezahlter Arbeit
37 %
Frauen
Anteil bezahlter Arbeit
37 %
Anteil unbezahlter Arbeit
63 %
Die Leistung im Bildungssektor
Auch die Aus- und Weiterbildung ist eine Leistungskomponente. Denn Bildung ist – laut Statistik Austria – „eines der wesentlichen Merkmale für die Beurteilung des Humankapitals, welches einer Gesellschaft zur Verfügung steht“. 2017/18 waren 1.132.367 SchülerInnen in über 6000 Schulen landesweit eingeschrieben. Hinzu kommen 382.945 Studierende, die an öffentlichen Universitäten sowie Fachhochschulen als ordentliche Studierende inskribiert waren.
Nicht zu vergessen die Lehrlinge: Laut der Lehrlingsstatistik vom 31.12.2019 der WKO gibt es in Österreich 109.111 Lehrlinge. Die häufigsten Lehrberufe 2019 waren bei den Mädchen im Einzelhandel, Bürokauffrau sowie Friseurin/Stylistin. Bei den Burschen waren es Lehrberufe in der Metalltechnik, Elektrotechnik und Kraftfahrzeugtechnik.
[infogram id=“aandw-online-fachkraftemangel-lehrlinge-und-lehrbetriebe-1hmr6ggz3k1o6nl?live“]Und dann gibt es natürlich auch noch die Erwachsenenbildung, also jene Personen, die sowohl erwerbstätig sind als auch nebenbei an Aus- und Weiterbildungsmaßnahmen teilnehmen. Laut Statistik Austria waren das 2018 15,1 Prozent der Bevölkerung im Alter von 25 bis 64 Jahren. Insgesamt haben 45 Prozent der Beschäftigten bereits an Weiterbildungskursen teilgenommen (der EU-Schnitt liegt bei 41 Prozent) und dabei durchschnittlich 23 Stunden investiert (der EU-Schnitt liegt bei 25 Stunden). Darüber hinaus gibt es jedoch auch Personen, die ihre Weiterbildung nicht neben der Arbeit organisieren, sondern sich dafür karenzieren lassen. Eine sogenannte Bildungskarenz kann im Ausmaß von 2 bis 12 Monaten in Anspruch genommen werden. Daten des AMS zeigen, dass 2018 landesweit insgesamt 14.748 Personen dieses Weiterbildungsgeld bezogen haben. Tendenz steigend, denn in der ersten Jahreshälfte 2019 (Jänner bis Juli) waren es bereits 10.688 Personen
Auch Arbeitslose nehmen an Weiterbildungen teil. Das AMS gibt in seiner Statistik vom Dezember 2019 an, dass unter den Arbeitslosen insgesamt 58.077 SchulungsteilnehmerInnen waren.
Wirtschaftsleistung
Den individuellen Leistungen im Rahmen von Erwerbsarbeit, unbezahlter Arbeit sowie Aus- und Weiterbildungsmaßnahmen steht die Wirtschaftsleistung des Landes gegenüber – also das, was gesamt erwirtschaftet wird. Einer der wichtigsten Indikatoren dafür stellt das Bruttoinlandsprodukt (BIP) dar. Darunter versteht man den Gesamtwert aller Waren und Dienstleistungen, die in einem Jahr innerhalb der Landesgrenzen produziert bzw. erbracht wurden.
[infogram id=“aandw-online-leistung-bip-1h7j4drw7qj92nr?live“]Mit Ausnahme von 2009 stieg das BIP seit 2008 kontinuierlich an. Waren es 2017 370,3 Milliarden Euro, so betrug es 2018 bereits 385,71 Milliarden Euro. Das entspricht einem Plus von 4,2 Prozent. Für den internationalen Vergleich eignet sich jedoch das BIP pro Kopf besser, da dabei die Wirtschaftsleistung in Relation zur Bevölkerungszahl gesetzt wird. Sieht man sich hier die Zahlen an, lag Österreich 2017 im EU-Vergleich mit einem BIP/Kopf von 38.200 Euro (kaufkraftstandardbereinigt; entspricht nominell 42.000 Euro) an 4. Stelle (nach Luxemburg, Irland und den Niederlanden).
Das Bruttoinlandsprodukt stellt nur ein eingeschränkt brauchbares Maß als Wohlstandsindikator dar.
Markus Marterbauer, AK Wien
Eigentlich ein toller Wert, doch was sagt dies über den Wohlstand unseres Landes aus? Nicht allzu viel, wie Markus Marterbauer von der AK Wien in seinem A&W-Blogbeitrag erklärt: „Das Bruttoinlandsprodukt stellt nur ein eingeschränkt brauchbares Maß als Wohlstandsindikator dar. Es berücksichtigt nicht, wie viel Arbeitszeit für die Produktion von Gütern und Dienstleistungen aufgewendet werden muss; es erfasst Qualitätsänderungen zu wenig; es bewertet die immer wichtiger werdenden sozialen Dienstleistungen nur nach den bei ihrer Herstellung entstehenden Kosten und nicht nach ihrem Nutzen für die Gesellschaft; es negiert wichtige Bestandsgrößen wie Vermögen, Ressourcen und Wissen; es berücksichtigt den mit der Produktion verbundenen Material- und Ressourcenverbrauch nicht; es spiegelt die Verteilung von Einkommen und Vermögen nicht wider und ist zu stark auf die Messung von Produktion zu den auf den Märkten erzielten Preisen und zu wenig auf die tatsächlichen Konsummöglichkeiten ausgerichtet.“
Marterbauer schlägt daher vor, auch andere Indikatoren zur Wohlstandsmessung heranzuziehen, was anhand des Wohlstandsberichtes 2018 erfolgte (mittlerweile ist der Wohlstandsbericht 2022 erschienen), bei dem insgesamt 25 Indikatoren in fünf breiten Bereichen analysiert wurden: fair verteilter materieller Wohlstand, Vollbeschäftigung und gute Arbeit, Lebensqualität, intakte Umwelt und ökonomische Stabilität. Sein Fazit: „Österreich gehört zu den wirtschaftlich und sozial erfolgreichsten Ländern der EU und der Welt.“ Zudem listet er basierend auf dem AK-Wohlstandsbericht 2018 fünf wirtschaftspolitische Maßnahmen auf, die dafür sorgen, dass dieser erfolgreiche Weg weitergegangen werden kann:
- Weiterer Ausbau sozialer Dienstleistungen (vor allem in den Bereichen Kinderbetreuung, Ganztagsschule, Bildungsangebote, Sozialarbeit und Pflege), der für die faire Verteilung und gute Arbeit besonders wichtig ist.
- Ausweitung öffentlicher Investitionen (vor allem in den Bereichen sozialer Wohnbau, Energienetze, Forschung und öffentlicher Verkehr), die für hohe Lebensqualität, ökonomische Stabilität, Vollbeschäftigung und intakte Umwelt wichtig sind.
- Innovative Verkürzung der geleisteten Arbeitszeit, die sich in hoher Lebensqualität und guter Arbeit bezahlbar macht.
- Weiterentwicklung des hohen Standards des österreichischen Institutionensystems vom Sozialstaat bis zu den Kollektivvertragsverhandlungen, die ökonomische Stabilität und fair verteilten Wohlstand sicherstellen.
- Globale Verankerung hoher Sozial- und Umweltstandards, die helfen, die globalen Klimaziele und den Wohlstand weltweit wie auch in Österreich zu erreichen.
Leistung ist nicht mit Wohlstand gleichzusetzen
Es zeigt sich daher sehr deutlich, dass Leistung nicht das einzige und vor allem nicht das ultimative Kriterium dafür ist, wie erfolgreich oder wohlhabend jemand ist bzw. wie gut es Österreich geht – sowohl auf individueller Ebene, auf der neben der Erwerbstätigkeit auch der Fokus auf die unbezahlte Arbeit gerichtet werden sollte, als auch auf gesamtwirtschaftlicher Ebene, auf der das erwirtschaftete Bruttoinlandsprodukt noch lange nichts darüber aussagt, wie wohlhabend die österreichische Bevölkerung ist. Eine differenziertere Betrachtung zeigt auf, dass andere wichtige Faktoren ebenfalls eine essentielle Rolle spielen und Berücksichtigung finden sollten, um geschlechtsspezifische Unterschiede und deren weitreichende Auswirkungen zu minimieren und der Vermögensungleichheit entgegenzuwirken – damit eine gute Wirtschaftsleistung und persönliche Leistungen (egal ob im Zuge einer Erwerbstätigkeit oder unbezahlter Arbeit) langfristig für Wohlstand der gesamten Bevölkerung sorgen.