Wenn die Inflation zum Studienabbruch zwingt
Manche Studierenden legen sogar ihr Studium auf Eis oder brechen es ab, da sie kaum mehr Chancen sehen, mit den wenigen Ressourcen durchzukommen. Es muss gehandelt werden, verlangt die Österreichische Hochschüller:innenschaft (ÖH) von der Politik. Sie präsentierte einen Forderungskatalog an die Regierung, den auch die Gewerkschaftsjugend (ÖGJ) unterstützt.
Unter dem Titel „Solidarisch gegen die Teuerung“ listet das Papier zehn Forderungen auf. Beispielsweise eine Studienbeihilfe, die zum Leben reicht. Ein allgemeiner Mietpreisdeckel. Oder ein kostenloses Klimaticket. „Die österreichische Politik vergisst ständig auf junge Menschen. Das liegt unter anderem daran, dass niemand von uns in politische Entscheidungen miteinbezogen wird“, sagt Sara Velić, die stellvertretende ÖH-Vorsitzende.
Sie sieht auch eine ideologische Ebene dahinter, wie sie betont. „Finanzielle Investitionen und Entlastungspakete kommen vor allem den Schüler:innen und Student:innen zugute, die sich sonst ihre Bildung nicht leisten könnten. Das sind also ganz oft junge Menschen aus Arbeiter:innenfamilien oder Familien mit Migrationsbiografie und nun mal nicht die ÖVP-Wähler:innenzielgruppe.“
Fairness und Gerechtigkeit: Mehr Förderung für junge Menschen
Nicht nur die ÖH, sondern auch die Gewerkschaftsjugend und die Arbeiterkammer setzen sich dafür ein, dass junge Menschen und Lehrlinge finanziell stärker entlastet werden müssen. Es gibt zwar einige Unterstützungsleistungen für Lehrlinge in Österreich, doch diese sind nicht immer ausreichend und von Bundesland zu Bundesland sehr unterschiedlich. „Wenn man als Lehrling eines Berufes in ein anderes Bundesland fahren muss, um dort die Berufsschule zu besuchen, dann wäre hier eine Bereitstellung eines kostenlosen Klimatickets für Österreich wünschenswert“, sagt Richard Tiefenbacher, der ÖGJ-Bundesjugendvorsitzende.
Eine andere relevante Forderung, die der ÖGJ bereits seit Jahrzehnten vertritt, ist der gesetzliche Anspruch auf Lehre mit Matura während der Dienstzeit. „Lehrlinge sollten nicht nach 38,5 Wochenstunden und nach einem Acht-Stunden-Tag am Abend noch bis 22 Uhr in die Abendschule gehen müssen“, meint Tiefenbacher. Die Lehre sollte insgesamt attraktiver gemacht werden, und dazu wird Geld benötigt.
Berufsschulen sind unterfinanziert
Von hundert Bildungseuros entfallen gerade mal drei Euro auf die österreichischen Berufsschulen. „Bei manchen Schulen bröckelt der Verputz von der Decke und die Einrichtungen in den Klassenzimmern sind komplett veraltet“, untermauert Tiefenbacher die Forderungen. Eine bessere finanzielle Ausstattung der Berufsschulen würde sich qualitätsvoll auf die Lehrausbildung ausüben. Das schafft Anreize für junge Menschen, einen Lehrberuf zu ergreifen.
Eine Mietpreisobergrenze und die Aussetzung der Mietpreiserhöhungen sind ebenfalls Forderungen aus dem Katalog an die Politik. Im Jahr 2021 konnten die Gewerkschaften und die Arbeiterkammer erreichen, dass die Mietpreiserhöhungen ausgesetzt wurden. Nun ist es allerdings wieder möglich, die Preise zu erhöhen. „Medien berichten aktuell, dass viele junge Menschen gerne im ‚Hotel Mama‘ wohnen, weil es ihnen dort so gut geht. Der Großteil muss aber weiterhin daheim wohnen bleiben, da es nicht leistbar ist, in eine eigene Wohnung zu ziehen“, meint Tiefenbacher.
So ließen sich die Forderungen finanzieren
Die Umsetzung der Forderungen kostet Geld und das muss von irgendwoher kommen. Einen Lösungsvorschlag hat Velić von der ÖH. „Es braucht neben den Übergewinnsteuern auch eine gerechte Regelung für internationale Konzerne, es braucht Vermögenssteuern und Erbschaftssteuern, wenn wir wollen, dass das Leben in Österreich für alle leistbar wird. Dazu gehört auch ein öffentlich ausfinanziertes Bildungssystem.“ Die Teuerung wirke sich seit Wochen massiv auf die jungen Menschen aus, doch vonseiten der Regierung wird zu wenig getan, um für Entlastung zu sorgen, wie Velić meint. „Viele Menschen und Interessenvertretungen wie die ÖH und der ÖGB legen seit Monaten Lösungen auf den Tisch, aber passieren tut trotzdem zu wenig, zu langsam.“
Auch hinsichtlich der gerade beginnenden Kollektivvertragsverhandlungen gibt es eine Forderung, die speziell Lehrlinge betrifft. Zukünftig sollen die Auszubildenden ab dem ersten Lehrjahr mehr Lehrlingsentschädigung bekommen. „Wir fordern 1.000 Euro brutto Mindestlehrlingsentschädigung im ersten Lehrjahr. Kollektivvertragsverhandlungen sind die besten Maßnahmen, um gegen die Teuerung gegenzusteuern und deshalb stellen wir diese Forderung“, so Tiefenbacher.
Letzthin wurde immer wieder auf #Lehrlinge vergessen. Das lassen wir nicht zu. Es sind d. FacharbeiterInnen von morgen. Und verdienen Respekt u. echte Bildungschancen. Deswegen: #AK u. #Gewerkschaften unterstützen Berufsschulen abermals mit dig. Endgeräten #Bildungsgerechtigkeit pic.twitter.com/d7jzdQCMDh
— Heike Angerer (@maria_heike) March 18, 2021
Inflation: Für Lehrlinge und Studierende wird die Zeit knapp
Ob sich die Sozialpartner darauf einigen können, werden die kommenden Wochen zeigen. Auch, welche politischen Lösungen es für die anderen Forderungen geben wird, bleibt abzuwarten. Doch es braucht dringend Entlastungen. Da sind sich ÖH und ÖGJ einig. Der Sozialstaat muss gerade in Bildungsfragen funktionieren. „Je länger nichts passiert, desto mehr Existenzen stehen auf dem Spiel“, appelliert Velić in Richtung der Regierung.