Kommentar: Lasst uns Barrieren einreißen!

Porträt Ingrid Moritz. Sie sieht die Care-Arbeit als fundamental für unsere Gesellschaft.
Die Erwerbswünsche von Frauen? Noch immer unsichtbar, meint Ingrid Moritz, Leiterin der Frauenarbteilung der AK. | © LisiSpecht
Dass wir Care-Arbeit als Fundament unserer Gesellschaft ansehen müssen, steht für Ingrid Moritz, Leiterin der Frauenabteilung der AK Wien, außer Frage. Ihr Aufruf: Nehmen wir endlich die Anliegen der Frauen ernst!
Schließung von Stationen in Krankenhäusern und Pflegeeinrichtungen, eingeschränkte Öffnungszeiten in der Kinderbetreuung, zu wenig Betreuungsplätze für Kinder mit Behinderungen: Der Personalmangel im Care-Sektor beeinflusst die Lebensqualität von vielen. Durch die schrittweise Anhebung des Frauenpensionsalters ist zudem mit Einbrüchen bei der unbezahlten Care-Arbeit von Frauen zu rechnen. Ihnen fehlt Zeit für die Betreuung ihrer Enkelkinder, und sie werden sich weniger um ihre Angehörigen kümmern können.

Die Mängel im Care-Sektor und die Schwierigkeiten, im ländlichen Raum von A nach B zu kommen, zählen neben belastenden Arbeitsbedingungen, niedriger Bezahlung und ungleicher Verteilung von bezahlter und unbezahlter Arbeit zu den größten Barrieren von Frauenerwerbstätigkeit. Frauen, die erwerbstätig sein wollen, werden – insbesondere im ländlichen Raum – alleine gelassen. Lange Berufsunterbrechungen und hohe Teilzeitraten bei Frauen sowie eine hohe Einkommensschere sind die Folgen davon. Für jene, die vom Arbeitsmarkt entmutigt sind, aber auch für Teilzeitbeschäftigte, die sich beruflich verändern wollen, fehlen unterstützende Angebote. Die Erwerbswünsche von Frauen bleiben damit unsichtbar.

Themenverfehlung statt hilfreiche Politik

In den 1970er-Jahren war die Antwort Österreichs auf den Arbeitskräftemangel, Menschen aus dem Ausland anzuwerben (über das Gastarbeiterabkommen). Schweden hatte bereits damals auf die Arbeitsmarktförderung von Frauen gesetzt und wurde Vorreiter bei sozialen Diensten. In Österreich ist das bis heute nicht der Fall.

Die Aufgaben für die Politik liegen auf der Hand: Ausbau öffentlicher Verkehrsmittel, Förderung partnerschaftlicher Teilung und Arbeitszeitverkürzung, Recht auf Elementarbildung und Pflegeangebote mit guten Arbeitsbedingungen und attraktiver Bezahlung. Ja, da ist viel zusammengekommen. Die Lösungsansätze des Arbeitsministers sind vor diesem Hintergrund eine echte Themenverfehlung: Kürzung von Sozialleistungen bei Teilzeit als Hebel für mehr Vollzeit.

Erkennen wir die Care-Arbeit als Fundament für unsere Gesellschaft an. Schaffen wir die notwendigen Voraussetzungen für Chancengleichheit auf dem Arbeitsmarkt und beseitigen wir die Barrieren der Erwerbstätigkeit! Nehmen wir endlich die Anliegen der Frauen ernst! Davon profitiert die Gesellschaft insgesamt.

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