Insgesamt zehn Stunden dauerte die zweite Verhandlungsrunde, bis klar war, dass auch dieses Mal kein Ergebnis zustande kommen würde. „Wer die Branche attraktiver machen will, braucht zwei maßgebliche Faktoren: Ein höheres Gehalt und bessere Arbeitsbedingungen. Bei den heutigen Verhandlungen haben wir uns beidem gewidmet, von Seiten der Arbeitgeber aber keine maßgebliche Bewegung wahrnehmen können“, bewertet Sonja Hör, Verhandlerin für die Gewerkschaft vida, die jüngsten KV-Verhandlungen in der Sozialwirtschaft.
Herbstlohnrunde 2024: vida und GPA erhöhen den Druck
Auf die gescheiterten Verhandlungen werden die Gewerkschaften vida und GPA mit den ersten Aktionen reagieren. Sie wollen den Unternehmen zeigen, dass die Beschäftigten hinter ihnen stehen. So werden sie bei österreichweiten Betriebsversammlungen die Beschäftigten über den Verhandlungsstand informieren und erste Demonstrationen und Protestaktionen planen.
Den Anfang macht eine Betriebsrätekonferenz in der Steiermark (12.11.2024), gefolgt von einer Demonstration in Wien (18.11.2024) und einer Kundgebung in Linz (19.11.2024). Zudem wird es eine die österreichweite Aktion „6 Minuten für 6,1 Prozent“ geben. Dabei unterbrechen die Beschäftigten am 22.11.2024 für sechs Minuten ihre Arbeit. Die nächste Verhandlungsrunde ist für den 25. November geplant.
Original vom 30.10.2024
Harte KV-Verhandlungen: Sozialwirtschaft kämpft für bessere Arbeitsbedingungen
Enormer Arbeitsdruck, niedrige Bezahlung, akuter Personalmangel – die Pflegekrise nimmt mehr und mehr Gestalt an. Umso wichtiger sind faire Abschlüsse bei den Kollektivvertragsverhandlungen für die Sozialwirtschaft, also den privaten Pflege‑, Gesundheits- und Sozialbereich. Dennoch liegen die Vorstellungen von Arbeitgeber:innen- und Arbeitnehmer:innenseite noch weit auseinander. Am 11. und 25. November sollen die Verhandlungen fortgesetzt werden.Forderungen für die KV-Verhandlungen in der Sozialwirtschaft
Die Löhne und Gehälter müssen steigen – darin sind sich Unternehmen und Gewerkschaften grundsätzlich einig. Die Gewerkschaften GPA und vida fordern eine Erhöhung um 6,1 Prozent. Die Sozialwirtschaft hingegen bietet lediglich eine Anpassung an die rollierende Inflation an, die zwischen 3,6 und 3,9 Prozent liegt. Eva Scherz, Verhandlerin der Gewerkschaft GPA, lehnt dies entschieden ab: „Die Arbeit im Gesundheits- und Sozialbereich ist hochprofessionell und muss entsprechend honoriert werden.“
Yvonne Hochsteiner, Geschäftsführerin des Branchenverbands Sozialwirtschaft Österreich (SWÖ) und Verhandlungsführerin auf Arbeitgeberseite, sieht das anders. Sie verweist auf die Rezession und die möglicherweise knappen Budgets der öffentlichen Hand im kommenden Jahr. „Deswegen ist das bereits zu Verhandlungsbeginn abgegebene grundsätzliche Bekenntnis der Arbeitgeber:innen, die Inflation abzugelten im Branchenvergleich ein sehr großes Entgegenkommen und keineswegs selbstverständlich.“
Dabei ist gerade in der Sozialwirtschaft eine Steigerung über die Inflationsrate hinweg notwendig, wie das Momentum-Institut errechnet hat. In den Berufen der sozialen Daseinsvorsorge liegt der Stundenlohn mit rund 17 Euro (Betreuung) und 18 Euro (Pflege) deutlich unter dem Durchschnitt der Gesamtwirtschaft (um die 20 Euro). „Aufs Jahr gerechnet summiert sich das auf rund 4.274 Euro, die eine Pflegerin weniger bekommt als der Durchschnitt, bei der Pädagogin sind es sogar um die 6.703 Euro“, erklärt Ökonomin Katharina Mader.
KV-Verhandlungen sollen Arbeitsbedingungen verbessern
Neben der zentralen Forderung nach mehr Lohn sind den Gewerkschaften vida und GPA verbesserte Arbeitsbedingungen wichtig. Schon vor Verhandlungsbeginn sagte Scherz: „Wir haben viele Rückmeldungen aus den Betrieben erhalten, dass neben dem Gehaltsabschluss der Schuh besonders bei den Arbeitsbedingungen drückt.“ Die Beschäftigten in der Sozialwirtschaft wünschen sich mehr Stabilität bei den Dienstplänen sowie eine bessere Abgeltung von Nacht- und Wochenendarbeit.
Michaela Guglberger, Verhandlerin für die Gewerkschaft vida, betont, dass bessere Arbeitsbedingungen dringend nötig seien – und das nicht nur im Interesse der Beschäftigten. „Es muss auch im Interesse der Unternehmen sein, als Dienstgeber attraktiver zu werden.“ Laut der „Pflegepersonal-Bedarfsprognose für Österreich“ vom Sozialministerium benötigt Österreich bis zum Jahr 2030 über 75.000 neue Pflegekräfte. Grund dafür sind zahlreiche Pensionierungen, die anstehen, aber auch die geringe Attraktivität der Branche für potenzielle Arbeitskräfte. Diese Entwicklungen erhöhen die Arbeitsbelastung, was wiederum viele Beschäftigte dazu bringt, die Pflege zu verlassen.
Weniger Arbeit, bessere Planbarkeit
Konkrete Forderungen der Gewerkschaften GPA und vida sind daher eine Verkürzung der Normalarbeitszeit auf 35 Stunden pro Woche bei vollem Lohnausgleich, eine zusätzliche Urlaubswoche, eine bessere Planbarkeit der der Arbeitszeiten sowie eine Erhöhung der Zuschläge.
#Diversität macht nicht nur das Leben bunter, sondern unterstützt in vielerlei Hinsicht auch das Geschehen in der Arbeitswelt – eine Bereicherung für alle! Wie gelebte Vielfalt in der Praxis aussieht, zeigen wir euch in der neuen Ausgabe!
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— Arbeit&Wirtschaft Magazin (@AundWMagazin) October 16, 2024
Hochsteiner betont in einer Aussendung nach der ersten Verhandlungsrunde, dass die Arbeitgeber:innen die Zulagen und Zuschläge nur schwer erhöhen könnten. Dafür ist nämlich die öffentliche Hand zuständig. Erich Fenninger, der Vorsitzende des Branchenverbands Sozialwirtschaft Österreich, hat daher eine lange Forderungsliste an die kommende Bundesregierung. Sie umfasst eine Reihe notwendiger Verbesserungen – von der Finanzierungszusage für den Pflegezuschuss über ausreichende Budgets für eine aktive Arbeitsmarktpolitik bis hin zur Anpassung des Personalschlüssels in der Pflege.
Fenninger: „Der Gesundheits- und Sozialbereich kann nur funktionieren, wenn dafür auch ausreichend Mittel zur Verfügung gestellt werden“, so der SWÖ-Vorsitzende. „Die österreichische Wirtschaft insgesamt wäre ohne die Sozialwirtschaft nicht denkbar und eine Gesellschaft ohne Gesundheits- und Sozialberufe würde nicht funktionieren, denn diese tragen zum sozialen Frieden wesentlich bei.“
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