KV-VerhandlerInnen zeigen sich kämpferisch

Die Auswirkungen den neuen Arbeitszeitgesetzes sollen in den Kollektivverträgen kompensiert werden.
Foto (C) PRO-GE / Sebastian Philipp

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  1. Seite 1 - Sieben Forderungen für die Kollektivvertragsverhandlungen
  2. Seite 2 - BetriebsrätInnen signalisieren Kampfbereitschaft
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Rund 900 KollektivvertragsverhandlerInnen demonstrierten im September bei einer Konferenz zum neuen Arbeitszeitgesetz Stärke. Sie verabschiedeten einen Forderungskatalog, den die einzelnen Gewerkschaften und BetriebsrätInnen bei den anstehenden KV-Verhandlungen in allen Branchen einbringen.
Die Botschaft ist klar: In den Kollektivvertragsverhandlungen sollen die Härten, die durch das neue Arbeitszeitgesetz entstanden sind, abgefedert werden. In einer bisher nie dagewesenen Aktion trafen im September an die 900 KV-VerhandlerInnen in einer Konferenz in der METAstadt in Wien-Donaustadt zusammen und legten einen Forderungskatalog fest, der in alle Kollektivvertragsverhandlungen einfließen soll.

Die Anliegen wurden dabei in sieben Bereiche gegliedert:

1.Ziel: Kürzere Arbeitszeiten. Wege dorthin sind zum Beispiel eine Verkürzung der Normalarbeitszeit im Kollektivvertrag, die sechste Urlaubswoche für alle, bezahlte Pausen, das Nachholen von Feiertagen, die auf einen Sonntag fallen, am nächsten Werktag, ein Rechtsanspruch auf die Vier-Tage-Woche sowie auf Altersteilzeit, Bildungskarenz und andere Auszeit-Modelle.

2.Ziel: Mehr Planbarkeit und Mitbestimmung. Erreichbar wäre dies durch Zuschläge zu besonders kurzfristig angekündigter Mehrarbeit, Gleitzeitregelungen mit maximal zehn Stunden Höchstarbeitszeit, der Ankündigung von Wochenendarbeit mindestens vier Wochen zuvor, einer Vier-Tage-Woche bei Schichtarbeit durch eine Verankerung im Kollektivvertrag, Mitwirkungsrechten des Betriebsrats bei der Anordnung von mehr als zehn Arbeitsstunden am Tag sowie von mehr als 50 Arbeitsstunden in einer Woche, durch keine Überstunden für Lehrlinge und durch altersgerechte Arbeitszeitmodelle.

3.Ziel: Mehr Selbstbestimmung. Zeitausgleich soll einseitig angetreten werden können. Für ArbeitnehmerInnen, die in Abteilungen arbeiten, in denen elf oder zwölf Stunden gearbeitet wird, soll es einen sechsmonatigen Kündigungsschutz geben und für Wochenenddienste wird ein effektives Entschlagungsrecht gefordert.

4.Ziel: Überstunden als Ausnahme.Um Überstunden nicht zur Regel werden zu lassen, fordern die KV-VerhandlerInnen 1.700 Euro Mindestlohn und 850 Euro Mindestlehrlingsentschädigung, sodass das Grundgehalt zum Leben reicht. In Abteilungen, in denen elf oder zwölf Stunden gearbeitet wird, soll es einen Kündigungsschutz von sechs Monaten geben, für besonders kurzfristig angekündigte Mehrarbeit Zuschläge und Wochenendarbeit soll mindestens vier Wochen zuvor angekündigt werden müssen.

5.Ziel: Überstunden, die sich lohnen. Wenn Überstunden geleistet werden, wollen die ArbeitnehmervertreterInnen verpflichtende Zeitzuschläge für Überstunden sowie für Arbeit zu besonders familienfeindlichen Arbeitszeiten, mindestens 100 Prozent Zuschlag auf die elfte und zwölfte Stunde, ein Wahlrecht zwischen Zeit oder Geld für alle Überstunden, einen Rechtsanspruch auf die Auszahlung von Überstunden, die Erhöhung des Mehrarbeitszuschlags und den Wegfall des Durchrechnungszeitraums bei Teilzeitarbeit.

6.Ziel: Arbeit darf die Gesundheit nicht gefährden. Die flexibilisierte Arbeitszeit muss abgefedert werden durch zusätzliche bezahlte Pausen bei Arbeitstagen über die zehnte Stunde hinaus, durch eine Beschränkung der 12-Stunden-Tage und 60-Stunden-Wochen im Kollektivvertrag, durch ein effektives Ablehnungsrecht für alle Überstunden und bei Gleitzeit durch die Festlegung einer Mindestanzahl an ganzen Tagen, die einseitig freigenommen werden können.

7.Ziel: Rechtssicherheit durch Klarheit. Alle, die aus dem Arbeitszeitgesetz (AZG) sowie dem Arbeitsruhegesetz (ARG) fallen, sollen durch den Kollektivvertrag geschützt werden. Alle Regeln müssen auch für die „dritte Führungsebene“ gelten, also auch alle ArbeitnehmerInnen mit selbstständiger Entscheidungsbefugnis (die mit dem neuen AZG Unternehmensführungen und leitenden Angestellten gleichgestellt wurden, für welche die Beschränkungen des Arbeitszeitgesetzes nicht gelten). Alle Karenzzeiten sollen auf alle dienstzeitabhängigen Ansprüche angerechnet werden.

REWE-Betriebsrätin Maria Gluchmann: „Der Tenor in den Gesprächen war: Wir müssen etwas tun. Wir alle haben gesehen, wie schnell ein Gesetz verabschiedet werden kann, und wir müssen nun versuchen, ein Stück zu retten.“ Foto (C) PRO-GE / Sebastian Philipp

BetriebsrätInnen signalisieren Kampfbereitschaft

„Heute setzen wir ein klares Zeichen der Solidarität“, stärkte ÖGB-Präsident Wolfgang Katzian bei der KV-VerhandlerInnen-Konferenz den hunderten anwesenden ArbeitnehmervertreterInnen den Rücken. „Wir verhandeln in den jeweiligen Branchen, aber wir verfolgen gemeinsame Ziele. Und wir machen auch deutlich: Wir lassen uns nicht auseinanderdividieren.“ Im Interview mit Arbeit&Wirtschaft erklärt er, wie in Zeiten der Infltion die Verhandlungen dennoch gelingen können.

Heute setzen wir ein klares Zeichen der Solidarität. Wir verhandeln in den jeweiligen Branchen, aber wir verfolgen gemeinsame Ziele. Und wir machen auch deutlich: Wir lassen uns nicht auseinanderdividieren. 

Wolfgang Katzian, ÖGB-Präsident

Und mit genau diesem Gefühl gingen auch die KV-VerhandlerInnen schließlich von der Konferenz in Wien zurück in ihre Betriebe. REWE-Betriebsrätin Maria Gluchmann betonte gegenüber Arbeit & Wirtschaft, sie sei wirklich beeindruckt gewesen, wieviele BetriebsrätInnen zu der Konferenz angereist waren. „Der Tenor in den Gesprächen war: Wir müssen etwas tun. Wir alle haben gesehen, wie schnell ein Gesetz verabschiedet werden kann, und wir müssen nun versuchen, ein Stück zu retten.“

Für Othmar Danninger, Betriebsratsvorsitzender der Firma Leube Baustoffe und stellvertretender Bundesvorsitzender der Gewerkschaft Bau-Holz, war die KV-VerhandlerInnen-Konferenz „einzigartig“. „Es war ein sehr starkes Zeichen, dass alle Fachgewerkschaften und alle KV-VerhandlerInnen in einem Raum waren und dabei auch gezeigt haben, dass die Gewerkschaft eine Kampforganisation ist.“ Die Botschaft, die er von dem Tag mitgenommen habe, lautet: „Wir werden diese Verschlechterungen nicht kampflos hinnehmen.“

Wir werden diese Verschlechterungen nicht kampflos hinnehmen. 

Othmar Danninger, Betriebsratsvorsitzender Leube Baustoffe

Als Vertreter der Baubranche sei es ihm zudem wichtig gewesen, klarzumachen, dass der 12-Stunden-Tag auch töten könne, so Danninger zu Arbeit & Wirtschaft. Ein Drittel der tödlichen Unfälle passiere am Bau – und nach der achten Stunde steige das Risiko für Arbeitsunfälle massiv an. „Diese Regierung gefährdet Menschenleben“, warnt Danninger daher. ÖGB und AK seien bei der Beschlussfassung des neuen Arbeitszeitgesetzes „ignoriert und nicht ernst genommen worden“. Daher sei nun Kampf angesagt.

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Über den/die Autor:in

Alexia Weiss

Alexia Weiss, geboren 1971 in Wien, Journalistin und Autorin. Germanistikstudium und Journalismusausbildung an der Universität Wien. Seit 1993 journalistisch tätig, u.a. als Redakteurin der Austria Presse Agentur. Ab 2007 freie Journalistin. Aktuell schreibt sie für das jüdische Magazin WINA sowie für gewerkschaftliche Medien wie die KOMPETENZ der GPA-djp oder die Gesunde Arbeit. 2022 erschien ihr bisher letztes Buch "Zerschlagt das Schulsystem ... und baut es neu!" (Verlag Kremayr & Scheriau).

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