Die Reichen hatten ihre Vermögen noch einmal unerhört vergrößert, während normale Menschen unter steigenden Preisen oder rasant wachsenden Wohnkosten stöhnten. Frauen hatte es noch einmal besonders getroffen, weil sie – durchschnittlich gesehen – häufiger aus dem Erwerbsleben herausgefallen waren als Männer und zudem zusätzliche Aufgaben im Homeschooling oder der Betreuungsarbeit leisteten.
Wie tief werden Konsument:innen noch in die Geldtasche greifen müssen? Wie geht es weiter mit der #Inflation? Ist eine Ende in Sicht? Im Artikel hat sich unser Autor genau mit diesen Fragen auseinandergesetzt. https://t.co/z5ZO2N7wHS
— Arbeit&Wirtschaft Magazin (@AundWMagazin) February 10, 2022
Krisengewinner in der Pandemie
Und dennoch schien die Welt „irgendwie“ in Ordnung, zumindest vergleichsweise: Trotz der Pandemie hatte sich der Arbeitsmarkt schnell erholt, die Arbeitslosigkeit war relativ niedrig, und für den Sommer wurde schon ein Rückgang der Arbeitslosigkeit auf Werte von rund 300.000 erwartet. Die große Pleitewelle war ausgeblieben. Allein die Teuerung von vier Prozent machte einige Sorgen. Selbst Gewerkschafter:innen und linke Ökonom:innen konnte man im lockeren Gespräch in gelöster Stimmung erleben. „Wir sind jetzt in einer Lage, in der auch die Löhne und Gehälter deutlich nach oben gehen werden, da es überall an Fachkräften mangelt“, war zu hören.
Und dann kam der 24. Februar, der die gesamte Existenz verdüsterte. Der Überfall der Putin-Armeen auf die Ukraine zerstörte nicht nur die labile Friedensordnung in Europa. Er hat Folgen, die noch gar nicht abzuschätzen sind – von der Gasversorgung über zerrissene Lieferketten, von den harten Russland-Sanktionen bis zur Zerstörung von Ernten und Lebensmitteln. Doch selbst so eine Katastrophe trifft nicht alle gleich. Auch hier gibt es Krisengewinner.
Kommt die dicke COVID-19-Rechnung erst?
Dabei war die Lage vorher auch nicht gar so rosig, sagt Jens Südekum, einer der führenden Wirtschaftsforscher Deutschlands. Schon vorher waren Einrichtungen wie die Wiener Tafel unverzichtbar. Der Professor an der Universität Düsseldorf sitzt im offiziellen Beratergremium des deutschen Wirtschaftsministeriums, und inoffiziell findet er auch von Kanzler Olaf Scholz abwärts stets ein offenes Ohr. Die „Frankfurter Allgemeine“ hat ihn einmal den „Ökonom der Mächtigen“ genannt, was für einen eher progressiven Wirtschaftsforscher ein seltenes Attribut ist. Nachdrücklich hatte er bei einer Anhörung vor dem deutschen Bundestag vor „so etwas wie einem ökonomischen Long COVID“ gewarnt. Südekum: „Die Investitionstätigkeit hat durch die Krise am stärksten gelitten, was lange nachwirken wird.“
Grund für Südekums sorgenvolle Diagnose schon vor der Verschärfung durch die geopolitische Krise: Die Unternehmen hielten sich in den zwei COVID-19-Krisenjahren mit Investitionen zurück, trotz der staatlichen Hilfsgelder. Mit denen kamen manche gerade so über die Runden, andere verdienten sich eine goldene Nase. Aber die Investitionen gingen zurück, was in Situationen wirtschaftlicher Unsicherheit ganz selbstverständlich ist. Wer weitet schon die Produktionskapazitäten aus, wenn unklar ist, was in fünf Monaten sein wird? Normalerweise investieren Unternehmen, weil sie sich künftige Renditen erwarten. Auch die Länder und Kommunen haben sehr viel Geld für die COVID-Maßnahmen ausgegeben.
Stagnation und Inflation: Plötzlich wird alles teurer
All das hat Folgen: Produktionsanlagen werden langsamer modernisiert, als das sonst der Fall wäre. Zusätzliche Arbeitsplätze, die ansonsten geschaffen worden wären, werden nicht geschaffen. Das führt zu weniger neuen Jobs, als ohne diese „Investitionslücke“ (Südekum) geschaffen worden wären. Südekums Botschaft: Der Staat müsse kraftvoll investieren und dürfe ja nicht den Fehler machen, die Budgets schnell sanieren zu wollen. Denn die Pandemie könnte noch eine verspätete Rechnung stellen: in Form einer Stagnation oder zumindest eines schwächelnden Wachstums.
Erstmals seit Langem machen steile Kostenanstiege – gemeinhin unter dem Namen „Inflation“ debattiert – echte Sorgen. Denn entgegen allgemeiner Auffassung hatten wir in den vergangenen Jahren mit Preisanstiegen eher geringe Probleme. Die Teuerung lag durchschnittlich unter zwei Prozent. Wirklich zu schaffen machte Familien und Haushalten der Mietanstieg bei Neuverträgen. Klar, auch Ausgaben für den täglichen Gebrauch, etwa der Großeinkauf im Supermarkt, wurden teurer – aber der Preisanstieg war flacher als in vielen früheren Epochen. Das Problem waren eher nicht steigende Preise, das Problem waren für viele stagnierende Einkommen.
Doch plötzlich ist das wieder anders. Schon in den ersten Monaten des Jahres betrug der Preisanstieg rund fünf Prozent. Bei uns in Europa lässt sich die Inflation aus dem Preisanstieg bei einer Gütergruppe erklären: aus den Energiepreisen. Und die werden zu einem erheblichen Teil „politisch“ gemacht. Deshalb spricht Südekum beispielsweise von der „Putin-Inflation“. Die Preise für Gas versechsfachten sich schon seit dem Herbst – und verdoppelten sich nach dem Überfall auf die Ukraine noch einmal. Deswegen ist sogar fraglich, ob all das viel mit klassischer „Inflation“ zu tun hat. Fachleute sprechen bei Preisauftrieben dieser Art lieber von „außerökonomischen Schocks“. Im Schatten dieses Schocks schrauben Krisengewinner allerdings auch an ihren Gewinnmargen.
Inflation – was ist das überhaupt?
Denn mit dem, was in Ökonomielehrbüchern über Inflation zu erfahren ist, hat die gegenwärtige Situation eher wenig zu tun. Klassischerweise entsteht Inflation dann, wenn die Wirtschaft aufgrund von Hochkonjunktur heiß läuft. Unternehmen investieren wie wild. Sie nehmen Kredite auf, erweitern ihre Maschinenparks, schaffen neue Stellen. Es gibt annähernd Vollbeschäftigung. Die Arbeitnehmer:innen – die ihre Forderungen im Kampf gegen die Inflation klar formuliert haben – können dann auch höhere Löhne und Gehälter durchsetzen. Sowohl die Preise als auch die Löhne steigen. Wenn die Preise zu sehr aus dem Ruder laufen, habe es dann irgendwann einmal negative ökonomische Folgen, so die Lehrbuch-Doktrin, da Unternehmen ihre künftigen Kosten nicht einmal mehr annähernd kalkulieren können und alles durcheinandergerät.
In einer solchen Situation sollten Notenbanken die Leitzinsen erhöhen, was Kredite verteuert, manche Investitionen unrentabel macht (und damit verhindert), also auch die Konjunktur abwürgt. Mit diesem Zinshebel steigen die Notenbanken quasi auf die Bremse. Aber mit dieser klassischen Inflation hat unsere Teuerungswelle nichts zu tun. Weder gibt es überhitzte Investitionen noch Vollbeschäftigung und auch keine Lohnabschlüsse von fünf, sechs oder gar sieben Prozent. Auch wenn derzeit hart verhandelt wird. Alles, was es gibt, sind steigende Energiepreise – und auf die hat die Zinspolitik der Notenbanken (bei uns: der Europäischen Zentralbank) null Auswirkungen. Würde man die Zinsen erhöhen, gäbe es mehr Arbeitslosigkeit, aber dennoch höhere Preise. Am Zinsrad zu drehen wäre also eher weniger schlau.
Maßnahmen gegen die Inflation statt Krisengewinner
Was also tun? Welche Maßnahmen gegen die Inflation gibt es? Über diese Frage ist in der westlichen Ökonom:innenzunft, in Europa und den USA, in den letzten Monaten ein hart ausgetragener Kampf ausgebrochen, der geradezu in verbale Raufereien ausgeartet ist. Im Zentrum dieser Debatte steht die 34-jährige, in Nürnberg geborene und in Massachusetts lehrende deutsche Ökonomin Isabella Weber, die die alten Herren ihres Fachs ordentlich in Aufregung versetzte, als sie im „Guardian“ die Geschichte selektiver Preiskontrollen als Instrument der Inflationsbekämpfung in Erinnerung rief. Ich erreiche sie telefonisch frühmorgens in Massachusetts. „Geradezu panisch“, wäre die Reaktion auf ihre Vorschläge gewesen, erzählt sie, obwohl die „sehr vorsichtig waren. Weder habe ich flächendeckende Preiskontrollen vorgeschlagen, schon gar keine Planwirtschaft. Sondern selektive Preiskontrollen zur Diskussion vorgeschlagen, die in der Geschichte immer wieder in Krisensituationen eingesetzt wurden.“ In den Augen vieler Ökonom:innen hat Weber die heilige Kuh des Marktliberalismus infrage gestellt, nämlich die freie Preisfindung auf freien Märkten.
Derweil haben ihre Ideen schnell recht viele Anhänger gewonnen. Webers Argumente: Aufgrund der Pandemie sind Lieferengpässe entstanden und Lieferketten zerrissen, und damit ist ein Gütermangel entstanden, der sich auf Märkten nicht so einfach beheben lasse. Dazu gibt es mehr und mehr Hinweise, dass ganze Branchen die Gunst der Stunde nützen, um höhere Profite zu machen. Viele Konzerne haben „nicht einfach nur erhöhte Kosten weitergegeben“, so Weber, sondern die Gelegenheit genützt, „um ihre Margen zu erhöhen“. Das Problem ist, dass in die Höhe schnellende Preise die Barrieren für das Angebot, wie zum Beispiel Stau an Häfen oder Krieg, nicht aus der Welt schaffen, und das betrifft auch die Gaspreise, die durch den Schock der russischen Invasion nun „explodieren“.
Profite im Schatten der Inflation
Zuletzt hat Weber in einem vielbeachteten Text gemeinsam mit dem Chef des „Instituts für Makroökonomie und Konjunkturforschung“, Sebastian Dullien, einen „Gaspreisdeckel“ für den Grundverbrauch von Haushalten gefordert. Das würde nicht nur die Haushalte schützen, sondern wäre überdies auch ein Weg, die Inflation zu bekämpfen: „Inflation kann im Frühstadium am besten bekämpft werden.“ Lasse man den Preisauftrieb etwa bei Transportkosten und Energie zu, dann werden viele Unternehmen ihre Preise nach oben anpassen – teilweise auch über den Wert, der sich aus diesen Kostensteigerungen ergibt. Nicht nur, um ihre Profite zu erhöhen, sondern auch „quasi als Vorsorge, weil sie weitere Kostensteigerungen erwarten. Wenn das andere Unternehmen sehen, erhöhen sie gleich auch.“ Dann kommt es zu Erwartungsanpassungen. Wenn diese Spirale sich einmal dreht, ist sie nur mehr schwer zu stoppen.
Ohnehin seien selektive Preisregulierungen kein planwirtschaftliches Teufelszeug, laut amtlichen Daten sind in der EU 13 Prozent der Preise staatlich administrierte Preie, in der Schweiz gar 30 Prozent. Auch in der Nachkriegsgeschichte haben sie als Instrument gute Dienste geleistet, ganz generell sind etwa Wettbewerbsbehörden damit beschäftigt, überzogene Preiserhöhungen oder gar Preisabsprachen von großen Konzernen zu unterbinden.
Panik auf den Kommandobrücken
Mit den Aussichten auf einen neuen „Kalten Krieg“ – und dem Rückfall Russlands in Isolation und Despotie – ist nicht nur die Unsicherheit gewachsen, sondern sofort ein Chaos entstanden, das die Wirtschaft nach der Pandemie noch einmal mit Wucht trifft. Schon in den ersten Wochen der Krise überschlugen sich die Hiobsmeldungen. Die Energieversorgung: unsicher. Rund 80 Prozent des heimischen Gasverbrauchs kommt aus Russland, die deutsche Wirtschaft – für Österreich besonders wichtig – steht nicht viel besser da. Wichtige Industrie- und Rohmaterialien, von Nickel bis Palladium, kommen aus Russland. Autozulieferer aus der Ukraine fallen aus, sodass hierzulande Fabriken schon ihre Produktion einstellen mussten, wie etwa BMW und das erst jüngst vom Austro-Oligarchen Sigi Wolf übernommene MAN-Werk in Steyr.
Bleibt es im nächsten Winter gar kalt in den Wohnungen? Die Energiepreise gehen durch die Decke, sodass einzelne Industrieunternehmen ihre Produktion aussetzen, weil sich nicht mehr kostendeckend produzieren lässt. In Ländern wie Ägypten, im Libanon, im Globalen Süden, drohen Hungersnöte oder wenigstens Lebensmittelknappheiten, wenn der Weizen aus der Ukraine ausfällt. Bei uns werden einige Lebensmittel empfindlich teurer werden. Und währenddessen verdienen sich Kriegsgewinnler eine goldene Nase. Droht eine neue Rezession? Ist Panik angebracht? Fragen wir jemanden, der das gut einschätzen kann.
Paradies für Energiespekulanten
Christian Kern ist nicht nur Ex-Bundeskanzler, Ex-ÖBB-Chef und Ex-Aufsichtsratsmitglied der russischen Staatsbahn, er hat vor allem sein halbes Berufsleben im Energiegeschäft verbracht. Seine unternehmerische Laufbahn begann er schließlich im Verbund, der heimischen Energieholding, wo er bis in den Vorstand aufstieg. Nach seinem Intermezzo als Kanzler und SPÖ-Chef kehrte er ins Energiegeschäft zurück, investiert in erneuerbare Energien, ist aber auch an Industrieunternehmen beteiligt. Wenn er frühmorgens aufwacht, schaut sich Christian Kern zuerst die Charts mit den aktuellen Gas-, Öl- und Strompreisen an. In fröhliche Morgenstimmung bringt ihn das selten. „Das geht tiefer als die COVID-Krise“, sagt er. Und: „Es wird ein Schutzschirm nötig sein.“
Der Preis für Gas und Strom ist zwischenzeitlich auf das 10- bis 12-Fache geklettert. Wobei sich der Strompreis nach der Merit-Order richtet. Das betrifft die Haushalte unterschiedlich – je nachdem, welche Energieversorger und Tarife sie haben. Für einen durchschnittlichen kleinen Haushalt, der bisher 130 Euro monatlich für Energie zahlte, kann sich das verdoppeln. Und das macht im Jahr schon einmal bis zu 1.700 Euro zusätzliche Kosten. Aber auch für viele Unternehmen ist das drastisch. Im energieintensiven Gewerbe hat sich „die Kostenbasis der Unternehmen verdoppelt.
Da kannst du die Tage zählen, bis du in vielen Unternehmen die Produktion einstellen musst.“ Das hat dann nicht nur Auswirkungen auf die unmittelbar Beschäftigten, „da hängt in vielen Regionen vom Bäcker bis zum Fliesenleger jeder dran“. Aber es betrifft quasi alle Bereiche. Jede Ware wird teurer. „Die Treibstoffpreise verteuern die Transportkosten, das verteuert jedes T-Shirt. Es verteuert die Lebensmittel. Die Düngemittelpreise sind um 300 Prozent gestiegen. Das führt zu höheren Preisen, aber auch zu schlechteren Ernten, wenn die Bauern beim Dünger sparen müssen.“ Eine Kettenreaktion, wenn man nichts unternimmt.
Goldene Nasen
Dabei sind die explodierenden Welthandelspreise durch die Verunsicherung und die knappen Lager kaum zu erklären. Außer durch Krisengewinner. „Die Spekulation ist sicher für gut die Hälfte des Preisanstieges verantwortlich.“ Die Preisbildung am Energiemarkt ist eine komplexe Sache, eine Welt von „Hunderten Produkten und auch von Finanzprodukten, die den Preis beeinflussen“. Und den Strompreis bestimmt das teuerste Kraftwerk. Wer Wasserkraftwerke betreibt oder Windkraftwerke, kassiert die höheren Strompreise, ohne höhere Kosten zu haben. Betreiber von Raffinerien, Unternehmen mit Gasspeicher, Stromversorger verdienen sich eine goldene Nase, „auch staatliche Konzerne streichen Windfall-Profite ein“. Damit der Strompreis nicht einfach automatisch mit dem Gaspreis steigt, müsste die gesamte Preisbildung am Energiemarkt verändert werden – was aber kein großes Problem wäre.
Viele Vorschläge und kurzfristige Lösungen schwirren herum. In Deutschland sorgte der Finanzminister mit der Idee für Aufsehen, allen Autofahrer:innen einen „Tankzuschuss“ zu gewähren. Besonders schlau ist die Idee nicht, denn die Mineralölkonzerne betreiben gerade Gewinnmaximierung – ihnen das aus dem Staatssäckel zu bezahlen, wäre die nächste Umverteilung von den normalen Leuten zu den Superreichen. Gewiss benötigen auch viele Arbeitnehmer:innen ihr Auto – etwa für den Weg in die Firma, wenn Öffis keine Alternative sind –, aber generell gilt schon auch: Je weniger Einkommen die Menschen haben, desto seltener haben sie ein Auto. Und je höher das Einkommen, desto mehr Autos hat ein Haushalt. Benzinsubventionierung oder auch nur Senkung von Mineralöl- oder Mehrwertsteuer wäre daher ebenfalls eine Umverteilung von unten nach oben.
Schreckgespenst „Stagflation“
Nimmt man die Konzerne an die Kandare, indem man die Preise kontrolliert, ist das sicher klüger. Ausgleichszahlungen an Haushalte finanzieren die Extraprofite der Unternehmen. Zugleich brauchen Familien und auch Firmen (für die die Energiepreise explodierende Kosten bedeuten) schnell und möglichst sofort Hilfe. Nicht alles, was gut klingt („Teuerungsausgleich“, „Steuersenkung“), erweist sich bei genauerem Nachdenken als der Weisheit klügster Schluss. Zielgenauere Lösungen brauchen dafür länger und funktionieren wiederum schlecht. Wenn jeder und jede beim Gaswerk die Steuererklärung oder die Lohnzettel vorlegen muss, wird die dortige Buchhaltung schnell kollabieren.
Corporate greed is Netflix doubling its profit last year to a record $5.3 billion, avoiding over $1 billion in taxes & blaming a 10.7% price increase on "inflation" squeezing $1.35 billion from its 75 million subscribers while its CEO became $200 million richer in the pandemic.
— Bernie Sanders (@BernieSanders) March 28, 2022
Im schlimmsten Fall kann der jetzige Wirtschaftsschock zu rasant steigenden Preisen und einer Rezession oder Stagnation führen. Das berühmte Schreckgespenst der „Stagflation“. Und die Gefahr ist groß, dass nicht alle gleichmäßig leiden. Am härtesten würden wieder die Bezieher:innen niedriger oder normaler Einkommen getroffen. Die Reichen können ihre Einkommen stabilisieren, und ihre Vermögen wachsen weiter. Schon in der Pandemie ging die Schere der Ungerechtigkeit weiter auf.
Die große Schieflage
Im ersten Corona-Jahr sind trotz vieler Betriebsschließungen die Unternehmens- und Gewinneinkommen um rund 2,5 Milliarden Euro gestiegen. Die Arbeitnehmer:inneneinkommen aber um einen ähnlichen Betrag gesunken. Etwa durch Arbeitslosigkeit, Kurzarbeit oder den Ausfall von Überstunden. Die Krisengewinner lassen sich klar an Aktienkurs und Dividende indentifizieren. Global haben die zehn reichsten Menschen ihr Vermögen noch einmal verdoppelt, ergab eine Studie der NGO Oxfam.
Für die Milliardär:innen war die Pandemie ein „Goldrausch“, so die Organisation. Während 163 Millionen Menschen mehr weltweit unter die Marke von 5,50 Dollar verfügbares Einkommen pro Tag rutschten. 13 Millionen Frauen weniger sind erwerbstätig als vor der Pandemie. Auch die Weltbank beklagte, die Aufholjagd der ärmeren Länder sei zum Stillstand gekommen. Und auch bei uns haben Menschen mit niedrigem Einkommen verloren. Die Zahl der Langzeitarbeitslosen ist zeitweise auf den Rekordwert von 140.000 gestiegen. Wer länger als ein Jahr arbeitslos ist, kommt schwer ins Berufsleben zurück. Dann muss er oder sie sich mit schlechteren und unsichereren Jobs begnügen.
„Die Ungleichheit hat sich auf der unteren Seite der Pyramide ganz sicherlich verschärft“, sagt Julia Hofmann. Sie ist Forscherin in der Abteilung Wirtschaftswissenschaft und Statistik der Arbeiterkammer. Soll heißen: Bei den Armen und Niedrigeinkommensbezieher:innen wuchs die Bedrängnis, während an der Spitze die Vermögenden noch zulegten. Das reichste Prozent verfügt laut Nationalbank über rund 50 Prozent aller Vermögen. Da die Mühlen der Statistik langsam mahlen, kann man die Dynamik der vergangenen Jahre nur erahnen, sagt Julia Hofmann. „Aber aus soziologischen Untersuchungen wissen wir genau, dass die Zahl derer gewachsen ist, die subjektiv sagen, dass sie wachsenden ökonomischen Druck verspüren“.
Gewinn-Preis-Spirale der Krisengewinner heizt die Inflation an
Kein Wunder. Bei stagnierenden Einkommen führen steigende Kosten dazu, dass die Menschen nicht mehr wissen, wie sie ihre Rechnungen bezahlen sollen. Statt einer Lohn-Preis-Spirale beginnt sich eine Gewinn-Preis-Spirale zu drehen oder, wie man auch sagen könnte, eine Preis-Preis-Spirale: Die Energiepreise steigen, deshalb steigt die Inflation, und weil beispielsweise die Erhöhung der Bestandsmieten an die Inflation angepasst ist, steigen dann auch diese in einem bisher nicht gekannten Ausmaß. Und das, obwohl Vermieter:innen und Immobilienhaie gar keine wachsenden Kosten haben. Sie sacken nur Extra-Gewinne ein.
Statt einer Lohn-Preis-Spirale
beginnt sich eine
Gewinn-Preis-Spirale zu drehen.
Stoppt ein staatlicher Preisdeckel die Krisengewinner?
Eine Situation, in der über staatliche Preisregulierungen und Preisdeckel für wichtige Produkte jedenfalls ernsthaft nachgedacht werden sollte. Gerade in Kriegszeiten, in denen wichtige Güter knapp werden, gehen die Preise leicht durch die Decke. Gleichzeitig raufen sich Verbraucher:innen und die Unternehmen (und die Unternehmen untereinander) um die Ressourcen. Wobei die Krisengewinner klar auf der Unternehmensseite stehen. Im Ersten Weltkrieg wurde der AEG-Gründer und später ermordete deutsche Außenminister Walther Rathenau berühmt, weil er die Preisbildung und die Rohstoffverteilung auf planmäßige Füße gestellt hatte.
In den vierziger Jahren wiederum brillierte der damals blutjunge Ökonom John Kenneth Galbraith – ein Berater des legendären US-Präsidenten Franklin D. Roosevelt – als Preiskommissar der amerikanischen Regierung. Um die Inflation zu begrenzen, legte Galbraith für viele Güter Höchstpreise fest. Man nannte ihn den „Preiszaren“ der USA. Der linke Ökonom war der meistbeschimpfte Mann im Land. Die Unternehmer hassten seine Behörde dafür, dass er ihre Extraprofite verhinderte. Auch nach dem Zweiten Weltkrieg wurden viele der Preiskontrollen erst langsam aufgegeben – und zeitweise auch, wenn nötig, wieder reaktiviert.
Lohnverhandlungen in Zeiten hoher Inflation sind enorm wichtig. "Denn die Menschen leiden unter der Preissteigerung massiv", weiß PRO-GE-Chefverhandler Rainer Wimmer. Das Ziel ist klar: Den Lebensstandard zu sichern und möglichst sogar zu verbessern. https://t.co/HINB7FvxVB
— Arbeit&Wirtschaft Magazin (@AundWMagazin) April 19, 2022
Es war eine Erfolgsgeschichte, und Galbraith schrieb später, dass die Theorie vollkommener Märkte zwar eine schöne Theorie ist, aber mit der Wirklichkeit nicht viel zu tun hat. Denn mächtige Konzerne treiben die Preise hoch, wenn sie können – und man sie nicht daran hindert.