Kreative Verhinderungsversuche

Illustration (C) Natalia Nowakowska
Wenn Paternalismus die Unternehmenskultur beherrscht, hat es auch die gesetzlich vorgesehene ArbeitnehmerInnenvertretung schwer.

„Geht nicht“, hört man sehr oft, wenn es sich um die Einrichtung eines Betriebsrates handelt. Das bestätigt auch Claudia Malecek. Erst im Sommer hat sie es geschafft, im österreichischen Einkaufstempel, der Shopping City Süd (SCS), in der ersten Filiale von Media Markt-Saturn einen Betriebsrat für die mehr als 60 Angestellten zu etablieren. Zum 25-jährigen Firmenjubiläum in Österreich. „Es hat zu gehen. Es ist im Gesetz verankert.“ Den letzten Motivationsschub gab ihr die kolossal gescheiterte ÖVP-FPÖ-Regierung, weil sich Malecek sagte: „Da regieren einige Typen, die keine Ahnung von den Arbeitsrealitäten haben, alles ändern wollen – und das nicht unbedingt zum Positiven.“

„Geht nicht“, hört man sehr oft, wenn es sich um die Einrichtung eines Betriebsrates handelt.

Betriebsrat dringend nötig

Ein Exempel statuieren wollte Sabrina E. Sie plante ebenfalls mit gewerkschaftlicher Hilfe in einer Filiale der Douglas-Parfümerien einen Betriebsrat. Das ist ihrem Arbeitgeber schlecht bekommen. Sabrina E. wurde gekündigt – und klagte dagegen. Der Vorwurf des Unternehmens, sie hätte „Unruhe stiften“ wollen, sei lächerlich, so Sabrina E.

Taschen- und Spindkontrollen in Abwesenheit der MitarbeiterInnen, die Missachtung von Brandschutzgesetzen, im Krankenstand oder hinsichtlich Mehrarbeit unter Druck gesetzt zu werden waren für die Teilzeit-Beschäftigte Gründe genug, um sich für eine betriebsinterne ArbeitnehmerInnenvertretung einzusetzen. Derzeit wartet sie auf das Gerichtsurteil.

Eine Stimme für das Recht der ArbeitnehmerInnen

Aktuelle Probleme gibt es auch bei XXX-Lutz, dem umsatz- und verkaufsmäßig größten Möbelhändler Österreichs – und zweitgrößten weltweit. Die offizielle Kommunikation nach außen, das Unternehmen habe kein Problem mit der Installierung eines Betriebsrates, steht offenbar diametral internen Abläufen entgegen, um Nämliches zu verhindern. Deutsche GewerkschafterInnen berichten etwa von Mobbing, Verstößen gegen das Arbeitszeitgesetz, Druck bei den Umsatzvorgaben oder kurzfristigen Kündigungen von LagermitarbeiterInnen.

Dass ein Unternehmen dieser Größenordnung keinen Betriebsrat hat, „spricht für eine betriebsratsfeindliche Haltung des Unternehmens“, meint in Österreich die Vorsitzende der Gewerkschaft der Privatangestellten – Druck, Journalismus, Papier (GPA-djp), Barbara Teiber. Die Welser Unternehmensgruppe, die zuletzt schwer auf Expansionskurs quer durch Europa unterwegs war, zählt fast 24.000 Beschäftigte, etwa 10.000 davon in Österreich, darunter rund 1.000 Lehrlinge.

Im österreichischen Einzelhandel gibt es etliche Unternehmen ohne Betriebsrat.

Im österreichischen Einzelhandel gibt es laut der zuständigen Privatangestelltengewerkschaft etliche andere Unternehmen ohne Betriebsrat, dazu gehören neben Bau- und Elektrogroßmärkten etwa die Textilhändler Desigual und s.Oliver oder der Lebensmittelhändler MPREIS in Westösterreich. Auch im Amazon-Verteilzentrum in Niederösterreich gibt es keine Betriebsräte. Bei Ikea wurde bisher nicht in allen Filialen in Österreich ein Betriebsrat eingerichtet. Lidl Österreich hat seit Mitte 2014 eine betriebliche ArbeitnehmerInnenvertretung.

Erfolgsgeschichten

Eine Erfolgsgeschichte hatte die Gewerkschaft auch im Fall des Textildiskonters KiK – ebenso wie OBI im Mehrheitsbesitz der deutschen Tengelmann-Gruppe – zu verbuchen: Nach monatelangen Verhandlungen zwischen der GPA-djp und dem Unternehmen wurde dort 2007 erstmals ein Betriebsrat gewählt. Dem waren unzulässige Entlassung sowie Hausverbot eines Betriebsratskandidaten vorausgegangen.

Erst als die mehr als 100 betriebsratslosen Filialen des pleite gegangenen Baumax von Kunstsammler Karlheinz Essl 2015 großteils durch die Baumarktkette OBI übernommen wurden, durfte auch bei Baumax ein Betriebsrat gewählt werden. In Deutschland hagelt es gegen den OBI-Konzern, eines der größten Baumarktunternehmen Europas, immer wieder Vorwürfe von den Gewerkschaften: Betriebsräte würden systematisch behindert oder deren Gründung a priori unterbunden. Der OBI-Vorstand „schleckert“ und „enthauptet“ ArbeitnehmerInnenvertretungen, heißt es etwa – in Anspielung auf die inzwischen verschwundene Drogerie-Kette von Anton Schlecker. Dieser hatte sich durch besonders üble Arbeitsbedingungen seiner Beschäftigten hervorgetan.

Längst Geschichte sind auch die Betriebsratsverhinderungsversuche von Franz Strohsack alias Frank Stronach. Zurück in Österreich, kaufte er zu seinen Magna-Anteilen 1998 Steyr Daimler Puch in Graz dazu – und versuchte, den Beschäftigten als Konkurrenz zum Betriebsrat ein „Fairness-Komitee“ einzureden. So etwas hört sich vermeintlich gut an, ist aber mit keinen gesetzlich geschützten Rechten verbunden. Stronachs Personalchef bei Magna war damals übrigens Karl-Heinz Grasser. Selbst den charismatischen Führern und vorgeblichen „Basisdemokraten“ gelang es nicht, das bewährte Betriebsratssystem durch innerbetriebliche Pseudo-„Demokratie der Basis“ wegzuwischen.

Noch ein weiter Weg

Paternalismus herrscht hingegen nach wie vor im Reich des reichsten Österreichers, Red Bull-Hälfte-Eigentümer Dietrich Mateschitz. Er kündigte vor drei Jahren sogar die Schließung seines Senders Servus TV an, nachdem er von einer möglichen Betriebsratsgründung Wind bekommen hatte. Die rund 260 MitarbeiterInnen wurden beim Arbeitsmarktservice (AMS) zur Kündigung angemeldet. Mateschitz zog seine Maßnahme nach einem Gespräch mit der Salzburger Arbeiterkammer zurück – und nachdem die betroffenen Beschäftigten mehrheitlich einen Brief unterschrieben, in dem sie versicherten, nicht an die Gründung eines Betriebsrates zu denken.

Wie jüngst bekannt wurde, gab es übrigens herbe Einschnitte beim Personal am – ebenfalls betriebsratslosen – Red Bull-Firmensitz in Fuschl am See. Die Belegschaft wurde 2018 um 40 Prozent gekürzt; anders gesagt: es verloren 111 MitarbeiterInnen ihren Job. Demgegenüber stieg der Nettogewinn des Getränkekonzerns um mehr als ein Drittel auf 741 Millionen Euro. Die Hälfte davon teilt sich Dietrich „Didi“ Mateschitz mit den anderen Hälfte-Eigentümern, der thailändischen Unternehmerfamilie Yoovidhya.

Getoppt wird diese Form paternalistischer Unternehmensführung von Internet-Dienstleistern wie dem niederländischen Essenszusteller Takeaway, der in Österreich unter dem Namen Lieferando.at, vormals Lieferservice.at, operiert. Beim österreichischen Ableger soll die Gründung eines Betriebsrates verhindert werden, weil es sich bei der Niederlassung in Wien um keinen Betrieb handle; diese sei nur eine unselbstständige Zweigniederlassung, argumentiert Takeaway. Das Unternehmen beschäftigt in Wien, Salzburg und Graz mehr als 300 MitarbeiterInnen als Fahrradkuriere, die das Essen ausliefern. Für die zuständige Dienstleistungs- und Verkehrsgewerkschaft vida wäre ein Betriebsrat hierzulande sehr wohl rechtmäßig. Denn das Unternehmen zahlt Gehälter, Steuern und Sozialversicherungsbeiträge in Österreich; es gibt auch Reparaturwerkstätten, und die Dienstpläne werden in Wien erstellt.

Ähnlich betriebsratsfeindlich argumentiert die ungarische Billigfluglinie Wizz Air. Ein Kollektivvertrag sowie ein Betriebsrat seien rechtlich nicht möglich, weil sich in Österreich lediglich eine Niederlassung, aber keine Tochterfirma befinde. Gegründet wurde Wizz Air in Großbritannien von József Váradi. Er war früher Vorstand von Ungarns – mittlerweile eingestellter – staatlicher Fluglinie Malév und ist bestens vernetzt mit dem nationalliberalen Regierungschef Viktor Orbán.

In strittigen, aber auch grundsätzlichen Fragen lässt sich eine Arbeitnehmervertretung im Betrieb mit Hilfe der Gewerkschaft eher etablieren als ohne.

Die Maxime „Wer zahlt, schafft an“ stimmt zwar oft, muss jedoch mit dem Arbeitsrecht konform gehen. In strittigen, aber auch grundsätzlichen Fragen lässt sich eine Arbeitnehmervertretung im Betrieb mit Hilfe der Gewerkschaft eher etablieren als ohne.

Über den/die Autor:in

Heike Hausensteiner

Heike Hausensteiner ist seit ihrer Schulzeit Anhängerin der Aufklärung. Aufgewachsen in einer Arbeiterfamilie im Burgenland, studierte sie Sprach- und Europawissenschaften in Paris, Mailand, Wien und Krems/Donau. Als politische Redakteurin begann sie ihre journalistische Laufbahn 1996 bei der "Wiener Zeitung", wo sie u.a. auch das Europa-Ressort gründete. Nach einjähriger Baby-Karenz machte sie sich 2006 selbstständig und arbeitet seither als freie Journalistin für Zeitungen, Magazine und Online-Medien in Österreich und Deutschland sowie als Autorin (u.a. "Im Maschinenraum Europas. Die österreichische Sozialdemokratie im Europäischen Parlament", 2013) und Moderatorin. Sie lebt mit ihrer Familie und 2 Katzen in Wien.

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