Massiver Paradigmenwechsel
Doch das im Mai 2011 in Kraft getretene Lohn- und Sozialdumping-Bekämpfungsgesetz (LSD-BG) dreht die Beweislast um – „ein massiver Paradigmenwechsel“, stellt Martin Risak, Professor für Arbeits- und Sozialrecht der Universität Wien, klar. Das Gesetz bekämpft kriminelle Wirtschaftspraktiken mit sprechenden Namen: Schand- bzw. Dumpinglohn, Abgabenbetrug, unfairer Wettbewerb.
Was auf den ersten Blick als Gesetz für ArbeitnehmerInnen-Rechte erscheint, dient wesentlich Unternehmensinteressen. Ja, es ist Voraussetzung für einen freien Wettbewerb. Die Protokolle der Finanzpolizei liefern ein drastisches Sittenbild der Missstände.
Wer einem Bau- oder Erntehelfer oder einer Kellnerin drei Euro pro Stunde bezahlt, bietet Preise an, mit denen keine österreichische Firma mithalten kann.
Schäden in Millionenhöhe
Es schadet der Konkurrenzfähigkeit der Betriebe und der Volkswirtschaft, jährlich belaufen sich die negativen Effekte allein im Hochbau auf 220 Millionen Euro, wie die WKO bekannt gab.
Was heißt Unterbezahlung?
Bereits ein Jahr nach der Gesetzeseinführung deckte die Praxis Gesetzeslücken auf. Zunächst wurde allein der Mindestlohn geprüft, was in Folge auf alle SV-pflichtigen Entgelt-Bestandteile ausgedehnt wurde, also Überstunden, Sonderzahlungen, Zuschläge. Heute wird die fachlich korrekte Einstufung ebenso kontrolliert wie die Anrechnung von Vordienstzeiten.
Die Novellierung verschärfte die Meldepflicht für ausländische Entsendungen, die nun bereits vor Arbeitsbeginn bei der „Zentralen Koordinationsstelle“ gemeldet werden müssen. Alle Lohnverrechnungsunterlagen ausländischer Firmen müssen am Arbeitsort auf Deutsch verfügbar sein. Die Verschärfung der Bestimmungen verstanden manche als Affront. „Jeder Stolperer im Arbeitsrecht ist nun potenziell strafbar“, klagte etwa ein Unternehmensberater von Deloitte im „Kurier“ im Sommer 2016: Die österreichischen Firmen fühlten sich als die Hauptbetroffenen, dabei sollte das Gesetz gerade die Wettbewerbsverzerrung durch ausländische Firmen verhindern.