Klimakrise und Arbeitsplätze: Ein toter Planet hat keine Jobs

Illustration: Klimaschutz widerspricht nicht Arbeitsplätzen
Illustration: Miriam Mone, Foto: Markus Zahradnik
In Sachen Umweltschutz müssen politische Organisationen verschiedenste Interessen berücksichtigen, ein Drahtseilakt. Nachgefragt bei Extinction Rebellion und der Gewerkschaftsjugend.
Die Klimakrise, so hört und liest man nahezu täglich, ist vieles. Ein sozialer Konflikt, ein Generationenkonflikt, einer zwischen Stadt und Land, eine Geschlechterfrage, ein Klassenkonflikt. Diese Verwobenheit macht politischen Organisationen in ihrer praktischen Arbeit oft das Leben schwer. Denn dort, wo viele Fragen und Konflikte aufeinandertreffen, überwiegt trotz vieler Gemeinsamkeiten oft das Trennende.

Besonders präsent ist in diesem Zusammenhang, von links bis rechts, von Gewerkschaften bis zur Wirtschaftskammer, das sogenannte „Job-versus-Environment-Dilemma“: Umweltschutz ja, aber was passiert dann mit den Arbeitsplätzen?

Job-versus-Environment-Dilemma

Umweltschutz schadet der Wirtschaft und vernichtet Arbeitsplätze. „Es ist erstaunlich, wie lange sich dieser Mythos hält“, wundert sich Niklas Niskate vom Kommunikationsteam von Extinction Rebellion Österreich (XR AT). In seiner Organisation wählt man einen anderen Zugang, betrachtet das Problem von der anderen Seite. „Die Klima- und Biodiversitätskrisen sind die größten Krisen der Menschheitsgeschichte“, konstatiert Niskate. An diesem Faktum richtet XR ihr Handeln aus. Sie formulieren keine politischen Positionen, beziehen keine Stellung zur Atomkraft oder sympathisieren gar öffentlich mit einer Partei. „Wir stellen uns auf den Standpunkt der Wissenschaft“, so Niskate. Und die legt dringenden Handlungsbedarf nahe.

Die Klima- und Biodiversitätskrisen sind die größten Krisen der Menschheitsgeschichte. 

Niklas Niskate, Extinction Rebellion Österreich

Mit Bildungsarbeit und Mitteln des gewaltfreien zivilen Ungehorsams fordern die XR-Aktivist:innen diesen Handlungsbedarf vehement ein. Dementsprechend breit gefächert seien ihre Mitglieder. „Wir haben Anarchist:innen genauso wie Konservative, Schüler:innen und Pensionist:innen“, so Niskate. Sie alle eint das Ziel, unseren Planeten auch in den kommenden Jahren und Jahrzehnten noch bewohnbar zu machen. Von etwaigen anderen politischen Differenzen will man sich nicht auseinanderdividieren lassen.

Junge Bündnisse gegen die Klimakrise

Philipp Ovszenik ist Bundesjugendsekretär des ÖGB und leitet die Jugendabteilung des ÖGB. Er bringt seine Position mit der populären Formel „There are no jobs on a dead planet“ auf den Punkt. Was bringen uns Arbeitsplätze, wenn wir uns gleichzeitig unserer Lebensgrundlage berauben? Ovszenik ist (wie viele seiner Kolleg:innen) nach eigenen Angaben „Eventmanager, Sozialarbeiter und politischer Aktivist in einem“. Neben politischer Organisationsarbeit besteht sein Alltag zu großen Teilen aus Gesprächen mit Jugendlichen und jungen Erwachsenen in Betrieben, Lehrwerkstätten oder in Berufsschulen.

„Klimaschutz ist Bündnisarbeit. Sie eint das Ziel, unseren Planeten auch in den kommenden Jahrzehnten bewohnbar zu machen“, sagt Niklas Niskate von Extinction Rebellion Österreich.

In dieser Altersgruppe sei die Klimakrise (neben dem Krieg in der Ukraine) „das Top-Thema“, beobachtet Ovszenik. Das bestätigt auch eine unlängst veröffentlichte SORA-Umfrage im Auftrag von ORF und Ö3. 67 Prozent der befragten 16- bis 25-Jährigen gaben in dieser an, dass ihnen der Klimawandel „Sorgen bereitet“. Sämtliche Studien, mahnt Ovszenik, deuten in dieselbe Richtung: „Wir sind viel zu spät dran.“ Natürlich, betont der ÖGB-Bundesjugendsekretär, gehe es bei der Klimakrise „auch um Arbeitsplätze. Aber das eine darf nicht gegen das andere ausgespielt werden“. Es gehe darum, „Lösungen anzubieten, die Dinge zu erklären, Menschen mitzunehmen“.

Vom Denken ins Handeln kommen

Aufgaben, mit denen auch XR-Aktivist Niskate in seiner politischen Arbeit häufig konfrontiert ist. Auch wenn XR-Aktivist:innen insgesamt „ein bunter Haufen“ seien, Menschen mit verschiedensten Biografien und Hintergründen. Trotzdem sei zu beobachten, dass formal besser gebildete, privilegiertere Menschen überproportional stark vertreten sind. Derzeit versuche man, unterrepräsentierte Bevölkerungsgruppen noch gezielter anzusprechen. Dabei ist Niskate wichtig zu betonen, dass man die Klima- und Biodiversitätskrise nicht bis ins letzte physikalische Detail verstehen muss, um vom Denken ins Handeln zu kommen. Plakatieren gehen könne man auch ohne Biologie-Bachelor.

XR genießt in einem gewissen Sinne den Luxus, sich nicht öffentlich mit den Konflikten auseinandersetzen zu müssen, die quer zur Umweltkrise verlaufen. Klimaschutz ist seiner Auffassung nach „Bündnisarbeit“, die sich über sämtliche Milieus, Religionen, Berufs- und Altersgruppen erstrecken muss.

Umweltschädlichkeit reduzieren

Bündnisarbeit, die laut Ovszenik auch in der Gewerkschaftsjugend ständig präsenter wird. Seit zwei Jahren arbeite man eng mit Fridays for Future zusammen, deren Vertreter:innen auch an ihrem Bundesjugendkongress teilgenommen haben. Auch sei man als ÖGJ bei den weltweiten Klimastreiks präsent. „Da bricht einiges auf, da ist einiges im Entstehen, wenn Zigtausende junge Menschen auf die Straße gehen“, betont Ovszenik.

Superreiche und Konzerne müssen ihre Umweltschädlichkeit reduzieren!

Philipp Ovszenik, ÖGB-Bundesjugendsekretär

Laut Ovszenik müsse es darum gehen, die Umweltkrise und die soziale Frage gemeinsam zu denken. Einerseits müssten „Superreiche und Konzerne ihre Umweltschädlichkeit reduzieren!“ Denn die Umweltkrise werde sich nicht über individuellen Verzicht lösen lassen. Andererseits müssten, insbesondere für seine Generation, Perspektiven geboten werden. Also Jobs, die sozial attraktiv und umweltverträglich zugleich sind.

Sein Lieblingsbeispiel ist der Fahrradmechatroniker:in. Der Verkehrssektor ist in Sachen CO2-Emissionen nach wie vor Österreichs Sorgenkind, hier wurden in den vergangenen 30 Jahren kaum Fortschritte gemacht. Der Umstieg vom Pkw aufs Rad wird ein essenzieller Bestandteil einer längst überfälligen Verkehrswende sein müssen – und Fahrradmechatroniker:in ein attraktiver Lehrberuf, „der boomt“.

Über den/die Autor:in

Johannes Greß

Johannes Greß, geb. 1994, studierte Politikwissenschaft an der Universität Wien und arbeitet als freier Journalist in Wien. Er schreibt für diverse deutschsprachige Medien über die Themen Umwelt, Arbeit und Demokratie.

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