Ich bin keine Basteltante, ich bin Bildungsbeauftragte! … Weniger Kinder im Gruppenraum! … Hohe Ansprüche – schlechte Bedingungen
Auf den vielen mitgebrachten Schildern und Transparenten war bei den Kundgebungen die ganze Bandbreite der Sorgen und Nöte dieser Berufsgruppe abzulesen: „Ich bin keine Basteltante, ich bin Bildungsbeauftragte!“ … „Weniger Kinder im Gruppenraum!“ … „Hohe Ansprüche – schlechte Bedingungen“ … „Bildung ist mehr wert!“ … „Einheitliches Bundesrahmengesetz!“ … „Neuberechnung des Erwachsenen-Kind-Schlüssels!“ … „Wir sind unter den aktuellen Rahmenbedingungen am Limit!“ … „Kinderanzahl runter – Angebote bunter!“ … „Wo ist unser Schutz?“ … „Ich kann gar nicht so schlecht arbeiten, wie ich bezahlt werde!“ … Eine Pädagogin hatte ihre Botschaft an ihrem Rücken befestigt: „Um nicht mit 21 Jahren überlegen zu müssen, wie lange man das noch aushält.“ Omnipräsent im Schildermeer war zudem die Botschaft: „Es reicht!“
Klar auch die Botschaft von Karin Wilflingseder, Sprecherin der Themenplattform für Elementar-, Hort- und Freizeitpädagog:innen, bei der Demo vor der Votivkirche: „Schluss ist mit den braven Tanten – das ist ein historischer Moment.“ Es sei so, wie es immer war: Alles Gute komme nicht von oben, sondern werde von unten erkämpft. Erstmals habe man nun zu Betriebsversammlungen während der Arbeitszeit aufgerufen.
Und diesem Ruf folgten viele. Spürbar war dabei einerseits der große Frust, der viele Beschäftigte in den Kindergärten seit Jahren begleitet, das Erstaunen, wie kraftvoll die Kundgebungen gerieten, die Erleichterung darüber, nicht allein zu sein und so viele Kolleg:innen zu sehen und zu hören, deren Alltagssorgen den eigenen so ähneln.
Zwei von ihnen sind die Elementarpädagoginnen Marlene Mortensen (24) und Poopak Azimi Nejadi (52), die in einem privaten Kindergarten in der Wiener Innenstadt arbeiten, Mortensen seit zwei Jahren, Azimi Nejadi bereits seit 2009. „Der Druck ist über die Jahre größer geworden“, erzählt sie. „Im Lauf der Zeit wurde die Energie im Team immer weniger. Wir haben enorme Probleme mit unserer Gesundheit und unseren Nerven und wir bekommen keine Unterstützung. Wir wollen endlich gehört werden.“
Wir gehen nicht in den Krankenstand, weil wir wissen: Dann steht die Kollegin allein in der Gruppe.
Marlene Mortensen, Elementarpädagogin
Als belastend beschreibt Mortensen, dass Kinder von Eltern oft krank in den Kindergarten gebracht würden – „und wir dann auch krank werden. Wir gehen aber nicht in den Krankenstand, weil wir wissen: Dann steht die Kollegin allein in der Gruppe.“ Gleichzeitig werde von manchen Eltern immer mehr verlangt. „Wie ist es mit der Vorschularbeit? Wie ist es mit Turnstunden? Viele sehen gar nicht, was wir ohnehin schon leisten.“
Auch Edina Miklecz (31) hat sich den Protesten angeschlossen. Als Mortensen und Azimi Nejadi aus ihrem Alltag erzählen, steht sie daneben und nickt. Sie arbeitet in einem anderen Kindergarten, doch sie kennt all das, wovon ihre Kolleginnen berichten. Immer wieder bekomme sie von Eltern die Frage, warum nicht öfter mit den Kindern hinaus ins Freie gegangen werde. Miklecz leitet eine Gruppe mit 21 Kindern zwischen einem und sechs Jahren. Unter den sehr jungen Kindern gebe es immer welche, die noch nicht gehen können. Sie selbst arbeite Vollzeit, eine weitere Pädagogin und eine Betreuerin Teilzeit. Mit der Gruppe hinauszugehen bedeute, ein oder zwei Kinderwägen zu schieben und alle bis Zweijährigen an der Hand zu nehmen. „So viele Hände haben wir aber gar nicht. Also bleibt die gesamte Gruppe drinnen.“
Gertrude Artner (56) arbeitet in einer städtischen Einrichtung. Als Assistentin war sie einige Jahre in einem Kindergarten eingesetzt, dann in einer Krippe, nun ist sie in einem Hort tätig. Familiärer sei früher alles gewesen, meint sie. „Es war alles nicht so schnell, es war entschleunigter. Der Druck ist heute größer – von den Eltern, von den Lehrer:innen. Und die Auflagen, die wir haben, sind immer schwerer zu erfüllen.“ Was ihr vor allem zusetzt: der Spagat zwischen der Arbeit draußen, dem Essen-Herrichten und Geschirr-Wegräumen und der Zeit in der Gruppe. Was sie sich wünscht? „Wir brauchen mehr Personal, damit man sich nicht mehr so zerreißen muss, und kleinere Gruppen, um mehr Zeit für jedes einzelne Kind zu haben. Und ein Berufsbild für uns Assistent:innen, da gäbe es dann vielleicht auch mehr Wertschätzung.“