KHM-Museumsverband: So arbeiten Menschen aus 30 Ländern zusammen

Belebter Eingang des Kunsthistorischen Museums in Wien.
Diversität nutzen: Im Weltmuseum Wien arbeiten Menschen unterschiedlichster Nationalitäten zusammen. Am Empfang wird deshalb auch in Erstsprachen der Besucher:innen informiert. | © Markus Zahradnik
Vielfalt als Stärke und Herausforderung zugleich: Der KHM-Museumsverband spiegelt nicht nur in seinen Ausstellungen, sondern auch in der Belegschaft die Diversität der Welt wider. Dadurch ist der Betriebsrat als Vermittler gefordert.
Setzt man einen Fuß in das mit Marmorsäulen gesäumte Foyer des Wiener Weltmuseums, so betritt man geschichtsträchtige Räume. In dem als Corps de Logis bezeichneten Teil der Hofburg war ursprünglich die Weltreisesammlung des Thronfolgers Franz Ferdinand angesiedelt. Als das Kunsthistorische Museum Wien (KHM) nach dem Ersten Weltkrieg aus Platzmangel expandieren musste, wurde die ethnografische Abteilung hierher verlegt. Heute finden sich hier über 250.000 ethnografische Gegenstände – Kunstwerke, Handarbeit, Werkzeuge, Waffen, Schriftstücke – aus aller Welt und aus verschiedenen Epochen. Im KHM-Museumsverband arbeiten heute insgesamt etwa 900 Menschen aus über 30 Ländern.

Abgesehen von Österreich kommen die meisten aus Deutschland, Italien und Polen, aber auch Mitarbeiter:innen aus Bulgarien, Armenien und dem Iran finden sich in der Belegschaft. In einem so vielfältigen Betrieb wie dem KHM-Museumsverband wird Diversität als eine Stärke gesehen. Sie bietet die Chance, voneinander zu lernen, interkulturelles Verständnis aufzubauen und eine wertschätzende Zusammenarbeit zwischen den Kulturen zu fördern. Bei den vielen Sprachen, persönlichen Hintergründen und Perspektiven kommt es aber naturgemäß auch zu Missverständnissen und Reibungen. Die zwölf Mitglieder des Betriebsrats unterstützen ihre Kolleg:innen tatkräftig bei allen Anliegen, die durch die Diversität entstehen.

KHM-Museumsverband: Betriebsrat als wichtige Stütze

Im Foyer des Museums sitzen zwei Mitarbeiter:innen des Guest-Service hinter einem langen Empfangstisch aus Holz. Sie demonstrieren gleich beim Eintritt, welche Vorteile eine diverse Belegschaft haben kann: Sie begrüßen die Besucher:innen auch in deren Erstsprachen, wenn sich die Möglichkeit dazu bietet, und informieren sie über aktuelle Ausstellungen. „Unser Guest-Service, also der Publikumsdienst, nimmt an ECHOCAST-Schulungen teil, in denen interkulturelles Wissen vermittelt wird“, erzählt Marianne Novotny-Kargl. ECHOCAST steht für „European Cultural and Heritage Organizations Customer Awareness Staff Training“ und soll dabei helfen, das Potenzial der kulturellen Hintergründe des Personals zu nutzen.

Marianne Novotny-Kargl und Birgit Schultschik, Mitglied im Betriebsrat beim KHM-Museumsverband.
Marianne Novotny-Kargl und Birgit Schultschik sind Teil des Betriebsrats im KHM-Museumsverband. Die multikulturelle Belegschaft sei Bereicherung und Herausforderung zugleich. | © Markus Zahradnik

Wir haben uns im Büro des Betriebsrats niedergelassen. Novotny-Kargl ist seit 1990 im KHM-Museumsverband beschäftigt. Die Restauratorin war unter anderem für die Instandhaltung unterschiedlicher Kutschen und Fahrzeuge der Kaiserlichen Wagenburg und der Kostüme des Monturdepots verantwortlich. Nach vielen Jahren engagierter Arbeit im Betriebsrat übernahm sie 2018 die Position der Vorsitzenden. Die Tätigkeit sei zwar manchmal anstrengend, aber lohnenswert: „Wenn ich in Einzelgesprächen sitze, dann bekomme ich oft von meinem Gegenüber viel Positives zurück. Dann weiß ich, ich bin an der richtigen Stelle.“

Wertschätzung und Offenheit für Neues

Novotny-Kargl sieht die Pluralität in der Belegschaft in erster Linie als eine Bereicherung. „Wir sind ein sehr heterogener Haufen, und es funktioniert“, sagt sie. Um in einem diversen Betrieb gut arbeiten zu können, sei es wichtig, dass der Betriebsrat von der Geschäftsführung als Co-Management-Ebene verstanden werde. Die Internationalität der Belegschaft führe aber ab und an auch zu sprachlichen Missverständnissen oder Kommunikationsbarrieren.

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„Ich finde es toll, dass man die Möglichkeit bekommt, den eigenen Horizont zu erweitern, über die eigenen Grenzen hinauszublicken und gleichzeitig durch den Austausch mit Menschen aus anderen Kulturen zu lernen, wie unterschiedlich Dinge wahrgenommen werden“, erzählt Birgit Schultschik, Registrarin in der Hofjagd- und Rüstkammer des Kunsthistorischen Museums und Schriftführerin im Betriebsrat. Sie betont, wie wichtig es sei, offen und transparent miteinander zu kommunizieren. Hier gebe es ihrer Meinung nach noch Verbesserungspotenzial. „Natürlich gibt es Bereiche, die noch nicht zu 100 Prozent passen, aber wir sind auf dem richtigen Weg“, bekräftigt Novotny-Kargl.

Herausforderungen angehen

Einen Prozess, der sich im Hinblick auf Diversität noch verbessern ließe, sei für die Betriebsratsvorsitzende beim KHM-Museumsverband das Onboarding. „Ich stelle mir hier eine Art Buddy-System als hilfreich vor.“ Bei diesem soll neuen Mitarbeiter:innen ein:e erfahrene:r Kolleg:in zur Seite gestellt werden, die in das Unternehmen einführt, Prozesse erklärt, Gepflogenheiten transparent macht. Novotny-Kargl wünsche sich aber auch mehr spezifische Schulungen für einen besseren Umgang miteinander. Allerdings seien für die Personalentwicklung kaum Budget und personelle Ressourcen vorhanden. Eine vom Staat subventionierte Institution wie der KHM-Museumsverband müsse streng haushalten. Die Basisabgeltung sei seit der Ausgliederung der Bundesmuseen nicht valorisiert worden und reiche bei Weitem nicht aus, um die Personalkosten zu decken.

Alpaka in einer Ausstellung im Kunsthistorischen Museum in Wien.
Um umfangreiche Ausstellungen zu realisieren, braucht es Teamwork. Der Betriebsrat im KHM-Museumsverband ist ein Motor für ein besseres Miteinander, doch seine Möglichkeiten sind beschränkt. | © Markus Zahradnik

Hin und wieder gebe es auch Situationen, in denen der Betriebsrat an Grenzen stoße, zum Beispiel wenn ein nicht wertschätzender Umgangston von Vorgesetzten für Mitarbeiter:innen zur Belastung werde. „Manchmal gibt es Konflikte, für deren Lösungen wir als Betriebsrat gar keine Ausbildung haben“, sagt Novonty-Kargl. „Dann können wir ‚nur‘ sensibel sein, zuhören und die Betroffenen ernst nehmen.“ In solchen Fällen stünden die Betriebsratsmitglieder im Austausch mit den Arbeitspsycholog:innen und -mediziner:innen.

Sensibilisierte Kulturvermittlung

In Österreich gibt es einige Institutionen, die Weiterbildungen für multikulturelle Betriebe organisieren, um deren Kompetenzen zu stärken und ein besseres Verständnis für Diversität zu fördern. Dazu zählen zum Beispiel der Österreichische Integrationsfonds, der einen Lehrgang zu „Transkulturellem Management“ anbietet, oder der Verein Fibel, der Workshops zum Thema „Interkulturelle Kompetenzen im Umgang mit Diversität“ abhält. Auch der „IZ – Verein zur Förderung von Vielfalt, Dialog und Bildung“ hat ähnliche Seminare im Repertoire, und der Verein ZARA kann für Antirassismus-Workshops herangezogen werden.

Hind Hafuda arbeitet als Kunst- und Kulturvermittlerin im Weltmuseum Wien und hat einen multinationalen Hintergrund. Im Museum ist es ihre Aufgabe, den Besucher:innen die ethnografischen Themen und wissenschaftlichen Inhalte der Sonderausstellungen näherzubringen. Neben der Konzeption von unterschiedlichen Programmen leitet Hafuda Workshops für Schulklassen und macht Führungen für Menschen jeden Alters. Damit Menschen aus unterschiedlichen Kulturen gut zusammenarbeiten können, müsse in ihren Augen jedes Individuum gleich geschätzt, gestärkt und gefördert werden. „Es ist wichtig, die unterschiedlichen Erfahrungen des Menschen wahrzunehmen, damit sich jede:r in seiner:ihrer Identität wohlfühlt und der Arbeitsalltag Freude macht“, so Hafuda.

Kunst- und Kulturvermittlerin Hind Hafuda vom KHM-Museumsverband.
„Die vielen Nationalitäten und Kulturen sind eine Brücke, um einander kennenzulernen und miteinander in Dialog zu treten“, sagt die Kunst- und Kulturvermittlerin Hind Hafuda. | © Markus Zahradnik

Um potenzielle Missverständnisse zu beseitigen und sich hinsichtlich Interkulturalität weiterzubilden, nehmen die Kunst- und Kulturvermittler:innen regelmäßig an internen Antirassismus-Workshops und Sensibilisierungs-Trainings teil, um Fähigkeiten in der Konfliktlösung zu stärken und ein besseres Verständnis für kulturelle Unterschiede zu entwickeln. Die Arbeit in einem multikulturellen Team berge für Hafuda viele Vorteile: „Die vielen Nationalitäten und Kulturen sind eine Brücke, um einander kennenzulernen und miteinander in Dialog zu treten“, meint sie. „Diese Zusammenführung fördert auch das Begegnen auf Augenhöhe und die Philanthropie im Team.“

Diskrete Ansprechpersonen im KHM-Museumsverband

Für Mitarbeiter:innen, die sich wegen unangenehmer Situationen oder konkreter Diskriminierung zu Wort melden wollen, gibt es im KHM-Museumsverband neben dem Betriebsrat auch die Möglichkeit, sich an die Gleichstellungsbeauftragen zu wenden. Nach dem Gleichbehandlungsgesetz sind öffentliche Betriebe dazu verpflichtet, Gleichstellungsbeauftragte zu ernennen, während es für privatwirtschaftliche Unternehmen in Österreich keine diesbezügliche gesetzliche Regelung gibt. Die Gleichstellungsbeauftragten werden üblicherweise von der Führungsebene bestimmt und üben ihre Tätigkeit ehrenamtlich aus. Dabei sollte die Wahl unbedingt auf Personen fallen, denen sich Mitarbeiter:innen ohne Bedenken anvertrauen können.

„Wir sind ein Team aus drei Personen, die als Ansprechpartner:innen für Mitarbeiter:innen zur Verfügung stehen, wenn diese sich aufgrund von Alter, Herkunft, Geschlecht oder sexueller Orientierung diskriminiert fühlen“, sagt Victoria Kohout. Sie ist im Eventmanagement des KHM-Museumsverbandes tätig und seit fünf Jahren Ersatzbetriebsrätin, seit 1. Oktober zudem stellvertretende Gleichstellungsbeauftragte. Davor hatte nur die Personalchefin die Rolle der Gleichstellungsbeauftragten inne. Erst auf Drängen des Betriebsrats habe die Geschäftsführung dessen Vorschlag angenommen, ein Gremium für die Aufgabe zu nominieren.

Victoria Kohout ist Gleichstellungsbeauftrage im KHM-Museumsverband
Drei Gleichstellungsbeauftragte sind im KHM-Museumsverband Ansprechpartner:innen für Diskriminierung – Victoria Kohout ist eine davon. | © Markus Zahradnik

„Auf dem Rücken der Kamele“

Kohout ist in ihrer Rolle nun beispielsweise für Personen da, die trotz besserer Qualifikation bei Beförderungen übergangen werden. Gemeinsam mit den Mitarbeitenden und in weiterer Folge mit der Führungsebene versuchen die Gleichstellungsbeauftragten, Lösungen zu finden, um die Situation zu verbessern. Die Gespräche, die Kohout und ihre beiden Kolleg:innen führen, sind streng vertraulich. „Ich habe mit meinen Kolleg:innen eine sehr gute Vertrauensbasis und bin froh, dass sie nun offiziell zu mir kommen können“, sagt sie.

Abschließend führt Marianne Novotny-Kargl durch die aktuelle Sonderausstellung „Auf dem Rücken der Kamele“. Eine Sammlung mit Filmen, Fotografien, historischen und zeitgenössischen Kunstwerken. Außerdem Objekten aus den Sammlungen des Weltmuseums Wien und zahlreichen Leihgaben. Sie zeigt das facettenreiche Zusammenleben des Menschen mit Kameliden – also mit Dromedaren, Trampeltieren, Lamas und Alpakas. Um so umfangreiche und detaillierte Ausstellungen auf die Beine zu stellen, braucht es vor allem Teamarbeit. Damit sich alle wohlfühlen, stehen der Betriebsrat und die Gleichstellungsbeauftragten jeder Person zur Seite.

Dos and Dont’s für Betriebe

1 / Inklusive Aktivitäten

Betriebsausflüge oder Teambuilding-Events sollten so gestaltet sein, dass sie für alle Mitarbeiter:innen zugänglich sind, unabhängig von körperlichen Fähigkeiten, kulturellem Hintergrund oder Alter. Die Aktivität sollte sich nicht um Alkohol drehen (eine Weinverkostung zum Beispiel), um alle Mitarbeitenden einzubeziehen – auch diejenigen, die keinen Alkohol trinken.

2 / Vielfältige Essensangebote

Bei Firmenfeiern ist eine breite Auswahl an Speisen von Vorteil, um unterschiedlichen Bedürfnissen gerecht zu werden, einschließlich vegetarischer und veganer Ernährung sowie religiösen Anforderungen. Verbindend können gemeinsame Frühstücke wirken, bei denen jede:r ein traditionelles Gericht seiner Kultur beisteuert.

3 / Neutrale Veranstaltungsorte wählen

Veranstaltungsorte sollten allen Mitarbeitenden das Gefühl geben, willkommen zu sein, und genügend Platz für sie bieten. Sie sollten unbedingt mit öffentlichen Verkehrsmitteln erreichbar und barrierefrei zugänglich sein. Intensive oder körperlich anstrengende Tätigkeiten sollte man meiden, um niemanden zu überfordern.

4 / Kulturelle und religiöse Feiertage beachten

Events werden im Idealfall terminlich so geplant, dass sie sich mit keinen wichtigen kulturellen oder religiösen Feiertagen überschneiden. Die Teilnahme an Events sollte freiwillig sein und ohne Druck oder Zwang erfolgen, damit individuelle Entscheidungen der Mitarbeitenden getroffen werden können.

5 / Respekt und Sensibilität

Humorvolle Inhalte sollten frei von Stereotypen sein und keine Gruppen ins Lächerliche ziehen. Für Feiern, bei denen Verkleidungen erwünscht sind, ist es ratsam, keine Klischees zu replizieren. Generell gilt: Gehen Sie individuell auf Kolleg:innen ein. Jede:r geht mit Zuschreibungen anders um, eine sensible Nachfrage ist immer hilfreich, um das Gegenüber besser einzuschätzen.

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Über den/die Autor:in

Nadja Riahi

Nadja Riahi arbeitet als freie Journalistin und Moderatorin in Wien. Sie schreibt über gesellschaftspolitische Fragestellungen der Gegenwart und Zukunft, soziale Ungerechtigkeiten und die Arbeitswelt.

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