Ungleich verteilt
Die Familienbeihilfe soll für Kinder, die im Ausland leben, an das dortige Preisniveau angepasst werden. Die gering verdienende Pflegekraft, die Kinder im billigen Bulgarien hat, bekommt weniger, der Vorstandsvorsitzende mit Kindern in Paris bekommt mehr. Mit dem Familienbonus bei der Lohn- und Einkommensteuer bekommen jene Eltern mehr, die mehr verdienen. Nicht erwähnt wird die ungerechte Finanzierung von Familienleistungen. Nach wie vor finanzieren Abgaben auf die Lohnsumme die Leistungen für alle, also auch für Unternehmer- und Bauernfamilien.
Mit dem Pensionskonto besteht in Österreich ein klares Proportionalsystem. Wer mehr und wer länger einzahlt, bekommt mehr Pension. Wer 30 Beitragsjahre hat, bekommt 53,4 Prozent der Bemessungsgrundlage, wer 40 Jahre eingezahlt hat, bekommt 71,2 Prozent, also genau um jenes Drittel mehr, das er oder sie auch länger eingezahlt hat. Große Unterschiede gibt es dagegen bei der Finanzierung: Die Unselbstständigen finanzieren sich ihre Pensionen zu über 85 Prozent aus eigenen Beiträgen, nur 14,4 Prozent kommen aus dem Budget. Die Pensionen der Selbstständigen werden dagegen bei den Unternehmern zu 48 Prozent und bei den Bauern zu 77 Prozent von den SteuerzahlerInnen bezahlt.
Symbolpolitik
Nun will die Regierung im Bereich der Ausgleichszulage Symbolpolitik betreiben, die nichts mit Gerechtigkeit zu tun hat. Die Ausgleichszulage ist eine Zuzahlung des Staates zu niedrigen Pensionen. Diese wird so berechnet, dass die Summe aus Pension und Ausgleichszulage ein Mindestniveau erreicht. Dieses liegt derzeit für Alleinstehende bei 14-mal 909 Euro und 1.363 Euro für Ehepaare, ebenfalls 14-mal. Ein Ehepaar, bei dem ein/e PartnerIn 40 Beitragsjahre hat, soll nun eine höhere Ausgleichszulage bekommen, ein Paar, das zweimal 35, also in Summe 70 oder mehr Beitragsjahre hat, hingegen nicht. Ein System, das weitgehend fair ist, nur aus Populismus umzubauen, wird dadurch aber nicht fairer.
Die Liste der Gerechtigkeitsfragen im Regierungsprogramm ließe sich fortsetzen. So soll die AUVA, die letztlich eine Haftpflichtversicherung für Unternehmen ist, plötzlich über die Krankenkasse von den Beschäftigten finanziert werden. Ein Unternehmer, der einmal einen Beschäftigten falsch anmeldet, soll dieselbe Strafe bekommen wie einer, der dies mit Hunderten Beschäftigten zum Unternehmensmodell macht.
Ein Grundsatz einer gerechten Finanzierung wäre, dass jene, die das Glück besserer Startvoraussetzungen und höherer Leistungsfähigkeit haben, auch mehr beitragen. Im Gegenzug gibt es in einer funktionierenden Gesellschaft Lob und Anerkennung und das Versprechen, ebenfalls unterstützt zu werden, wenn es einem einmal schlechter geht.
Ganz im Gegensatz dazu wird die bestehende Ungerechtigkeit noch verschärft. Für Zins- und Dividendeneinkommen wird schon jetzt ein geringerer Steuersatz verrechnet als für die meisten Arbeitseinkommen: ein einheitlicher von derzeit 27,5 Prozent bzw. 25 Prozent. Obwohl man für Zinsen und Dividenden nichts leisten muss und für Löhne und Gehälter schon. Das Regierungsprogramm plant die Körperschaftssteuer noch weiter zu senken. Und das, obwohl nur die reichsten paar Prozent der österreichischen Gesellschaft Einkommen aus Unternehmensgewinnen in relevanter Höhe haben. Diese profitieren überproportional vom sozialen Frieden in Österreich, tragen aber immer weniger dazu bei.
Zu wertvoll für Floskeln
Gerechtigkeit hat viele Seiten und viele Aspekte kann man unter mehreren, auch widersprüchlichen Gerechtigkeitsvorstellungen beurteilen. Sollen die am meisten bekommen, die viel einzahlen, oder jene, die es besonders brauchen, oder jene, die besonders viel für andere tun? Im Wahlkampf war zwar viel von Gerechtigkeit die Rede, im Regierungsprogramm ist davon allerdings nicht viel übrig geblieben. Die Debatte darüber, was gerecht ist, wird also weitergehen – und man muss sie ernsthafter führen, als dies im vorliegenden Regierungsprogramm geschieht. Gerechtigkeit ist ein zu wichtiges Ziel, um es durch Floskeln zu verwässern. Eine faire Wohlstandsverteilung und faire Beiträge dazu von allen müssen wieder im Mittelpunkt der Gerechtigkeitsdebatte stehen.
Eine handliche Übersicht über philosophische Gerechtigkeitstheorien:
tinyurl.com/y9a95v3w
tinyurl.com/y7volryk
tinyurl.com/ycy8985o
tinyurl.com/y8op6r8y
Sepp Zuckerstätter
Abteilung für Wirtschaftswissenschaft der AK Wien
Dieser Artikel erschien in der Ausgabe Arbeit&Wirtschaft 4/18.
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