So soll das neue Gesetz die Zusammenarbeit der Behörden in Ermittlungs- und Strafverfahren erleichtern, wovon insbesondere Arbeitskräfte aus dem EU-Ausland gegen das Lohn- und Sozialdumping geschützt werden. Beispielsweise werden nun Strafverfahren gegen Arbeitgeber, die Arbeitskräfte grenzüberschreitend nach Österreich entsenden, einfacher durchgeführt.
Leicht rückläufiger Trend
Die Ausmaße der Schattenwirtschaft in Österreich sind leicht rückläufig. Während der „Pfusch“ 2015 mit 21,35 Milliarden Euro auf 8,14 Prozent des BIP kletterte, wurde 2016 in diesem Bereich ein Rückgang auf 20,64 Milliarden oder 7,76 Prozent des BIP verzeichnet.
In diesem Jahr werden laut Berechnungen des Linzer Wirtschaftsprofessors Friedrich Schneider ähnliche Trends erwartet: Auf die Senkung der Schattenwirtschaft wirken sich hier insbesondere die Steuerreform sowie ein Wirtschaftswachstum aus. Schneider warnt aber auch vor gegenläufigen Faktoren, die den Pfusch in diesem Jahr sogar begünstigen könnten. „Der erste Faktor ist die Arbeitslosigkeit, die 2017 um weitere ca. 16.000 Personen gegenüber dem Vorjahr steigen wird“, sagt der Wirtschaftsprofessor von der Johannes Kepler Universität Linz.
Der Staat als Verlierer
Ein zweiter Faktor seien relativ lange Wartezeiten, bevor anerkannte Flüchtlinge in den Arbeitsmarkt integriert werden. Infolgedessen könnten viele von ihnen schwarzarbeiten gehen. „Hier wird einmal angenommen, dass rund 40.000 Flüchtlinge im Jahr 2017 im Pfusch tätig werden. Bei diesen 40.000 Flüchtlingen würde die Zunahme der Schattenwirtschaft dann rund 192 Millionen Euro betragen“, so Schneider.
Auch die Maßnahmen gegen die kalte Progression könnten die Schattenwirtschaft 2017 reduzieren. Im neuen Regierungsprogramm, das gerade das Parlament passieren soll, ist die kalte Progression bei beiden unteren Tarifstufen ein Thema.
Mit den vorgeschlagenen Maßnahmen hofft die Bundesregierung, den Effekt der kalten Progression um 80 Prozent abzugelten. „Die Abschaffung der kalten Progression würde laut unseren Simulationen alleine in diesem Jahr den Pfusch um 465 bzw. 545 Millionen Euro senken“, so Friedrich Schneider, der gleichzeitig hinzufügt, dass der größte Verlierer der Schattenwirtschaft der Staat selbst sei, dem dadurch hauptsächlich Sozialversicherungsbeiträge in einem jährlichen Ausmaß von 2 bis 3,5 Milliarden Euro entgehen.
Der Sozialbetrug in Österreich läuft in der Regel mittels Scheinfirmenkonstruktionen. „DienstnehmerInnen werden dabei bei den Gebietskrankenkassen, aber nicht beim Finanzamt gemeldet. Damit sind sie zwar versichert, ohne dass für sie jemals Beiträge entrichtet werden“, erklärt Johannes Pasquali, Sprecher des Finanzministeriums. „Dabei leiden nicht nur die betroffenen Dienstnehmer, sondern vor allem die redlichen Steuerzahlerinnen und Steuerzahler.“
Ins Visier des Finanzministeriums geraten in letzter Zeit außerdem dubiose Leihfirmen, die im Industriebereich Arbeitskräfte günstig zur Verfügung stellen. „Wenn entsprechende Abgaben aufgelaufen sind, geht das verleihende Unternehmen dann in Konkurs“, so Pasquali.
Die Wirtschaft als Gewinnerin
Dabei geht der Sozialbetrug stets mit Abgabenhinterziehung einher: In den meisten Fällen sind das Lohnabgaben, aber auch oft Umsatz- oder Ertragsteuer, die hinterzogen werden.
In solchen Fällen versucht die Finanzpolizei, durch Sofortmaßnahmen das Geld für die Abgabenbehörde zu sichern. Eine finanzrechtliche Strafverfolgung dieser Steuersünder gestaltet sich laut Ministerium dann oft schwierig. „Die Ermittlung der Hintermänner ist oft kaum möglich“, räumt der Pressesprecher des Finanzministeriums ein.
Es sind oft Reinigungskräfte, HandwerkerInnen oder NachhilfelehrerInnen: Eine Rechnung wird nicht verlangt, dafür ist der Preis niedriger als offiziell. Die Schattenwirtschaft hat in Österreich auch ihre Profiteure: in erster Linie die Wirtschaft selbst. „Sogar 40 Prozent der Pfuscharbeiten sind komplementär“, stellt Friedrich Schneider fest. Diese Arbeiten würden nämlich in der öffentlichen Wirtschaft zu dem offiziellen Preis gar nicht nachgefragt. ProfiteurInnen sind aber auch die PfuscherInnen selbst: 66 Prozent aller Pfuscharbeiten kommen von Personen, die bereits selbstständig oder unselbstständig tätig sind. Nicht versteuert werden hier dann die Überstunden, die schwarz geleistet werden.
Dass in manchen Berufen der Pfusch immer noch floriert, verdankt man der Tatsache, dass er von der Bevölkerung immer noch oft als Kavaliersdelikt betrachtet wird. Wenn es nach dem Staat geht, sollen auch diese „klassischen“ Schwarzarbeiten wie gelegentliche Haushalts- oder Gartenhilfe unterbunden werden, etwa durch den Dienstleistungsscheck, der laut Sozialministerium in den letzten Jahren zu einem Erfolg geworden ist. Auch ein Barzahlungsverbot in der Baubranche sollte die Schattenwirtschaft präventiv dämmen. In den letzten zwei Jahren hat man außerdem die Zusammenarbeit der Behörden – insbesondere der Polizei, Gebietskrankenkassen und der Finanzpolizei – verbessert. Auch eine Sozialbetrug-Datenbank, auf die alle relevanten Behörden zugreifen können, ist im Entstehen.
Selbstständig und armutsgefährdet
Der Sozialbetrug muss dabei gar nicht die Finanzpolizei beschäftigen. Im letzten Jahr wurden in Österreich rund 280.000 EinzelunternehmerInnen registriert – mehr als die Hälfte aller Mitglieder der Wirtschaftskammer. Viele von ihnen wurden unfreiwillig in die Selbstständigkeit gedrängt. Dem wachsenden Problem der Scheinselbstständigkeit hat sich die Gewerkschaft der Privatangestellten (GPA) besonders angenommen. 2015 startete sie das Projekt watchlist-prekaer.at. Diese Internetplattform soll Scheinselbstständige motivieren, über ihre prekären Arbeitsverhältnisse Auskunft zu geben.
Erfolge gegen Scheinselbstständigkeit
Manfred Wolf, stellvertretender Leiter des Geschäftsbereichs Interessenvertretung in der GPA-djp, zieht nach fast zwei Jahren eine positive Bilanz: „Die Erwartungen wurden bislang voll erfüllt. Wir haben bisher knapp an die 200 Meldungen bezüglich Scheinselbstständigkeit erhalten. Dabei geht es einerseits um Einzelfälle, andererseits auch um Meldungen über systematisch durchgeführte Scheinselbstständigkeit“, so Wolf.
Insgesamt geht es dabei um 500 bis 700 fragwürdige Beschäftigungsverhältnisse, die dann zur Überprüfung bei den Gebietskrankenkassen auch gemeldet wurden. Gleichzeitig kann diese Maßnahme einen kleinen Teil der Fälle aufklären: Die Dunkelziffer der Scheinselbstständigen ist weitaus höher. Aus Angst vor dem Verlust der Aufträge entscheiden sich nur die wenigsten, prekäre Arbeitsverhältnisse zu melden. Laut GPA-Angaben haben viele Betroffene ein durchschnittliches jährliches Bruttoeinkommen unter 9.000 Euro.
Von diesen Missständen sind beinahe alle Branchen betroffen, vom Sozial- und Gesundheitsbereich über die Erwachsenenbildung bis hin zur Werbung und Kommunikation. Wolf bezeichnet diese Verhältnisse als unfair: „Die Folgekosten einer derartigen Vorgehensweise tragen Steuerzahler und die Versichertengemeinschaft bzw. die Betroffenen selber, während die Beschäftiger fein raus sind.“ Außerdem wirke sich die Scheinselbstständigkeit massiv auf die Kaufkraft, Wohlstandsentwicklung und künftige Pensionen aus.
Systematische Fälle aufdecken
Der GPA geht es deshalb vor allem darum, systematische Fälle von Scheinselbstständigkeit aufzudecken. Bisherige Bemühungen führten schon zu Erfolgen: „Immerhin merken wir, dass jetzt mit der Ausschreibung von freien Dienstverhältnissen und Werkverträgen vorsichtiger umgegangen wird“, betont Manfred Wolf.
Nedad Memic
Freier Journalist
Dieser Artikel erschien in der Ausgabe Arbeit&Wirtschaft 2/17.
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