Warum stehen Wohnungen leer?
Leerstand ist nichts Ungewöhnliches in einer Stadt. Im Gegenteil: Ein gewisser Leerstand ist sogar nötig, um Umzüge, Neuzugänge etc. zu ermöglichen, um also „mobil“ zu bleiben. Ein Teil der Leerstände ist somit eine notwendige Mobilitätsreserve. Andere Wohnungen stehen leer, weil VermieterInnen dreiste Mietpreise fordern und die Wohnungen so nicht anbringen, kritisiert die Mietervereinigung. In den letzten Jahren sind die Mieten in Wien drastisch gestiegen. Wohnraum duch Privatmieten sei vor allem für junge Menschen kaum leistbar. Allein die Lagezuschläge – Anteile an den Grundkosten – sind innerhalb eines Jahres zwischen 30 und 50 Prozent gestiegen. Im ersten Bezirk zahlt man seit 2017 knapp 11 Euro pro Quadratmeter allein nur Lagezuschlag. „Leerstand ist ein Problem, weil er die Preise weiter hochtreibt“, so Alexandra Rezaei. Dass Zehntausende Wohnungen nur aus Sanierungsgründen über zweieinhalb Jahre leer stehen, sei wenig glaubhaft: „Das ist Strategie!“ Alte Häuser werden einfach stehen gelassen, bis man sie abreißen muss und neue bauen kann, um teurere Wohnungen zu vermieten. In einem angespannten Wohnungsmarkt ist Leerstand ein beliebtes Mittel zur Spekulation. Nicht nur das.Zahlreiche Wohnungen stehen leer, weil sie von den EigentümerInnen gar nicht gebraucht werden, aber als gute Wertanlage, als „Betongold“, dienen. Und dann ist da noch Airbnb. Zwischen 5.000 und 7.000 Wohnungen in Wien werden mittlerweile ausschließlich über touristische Wohnplattformen kurzfristig vermietet, vermutet Rezaei.
In einer Woche kann man damit so viel Geld einnehmen wie in einem Monat durch eine herkömmliche Vermietung. Warum sich also Scherereien mit MieterInnen aussetzen, wenn es so einfacher und profitabler geht? Das ist nicht nur lukrativ, sondern vor allem schlecht für den stöhnenden Wohnungsmarkt, dem so weiterer Wohnraum entzogen wird.
Steuern gegen Leerstand?
Die Mietervereinigung, die IG Kultur Wien und auch die junge SPÖ fordern von der Stadtregierung, dass Leerstände verpflichtend gemeldet werden müssen und darauf aufbauend eine Abgabe auf Leerstand. Das wurde bereits in einigen europäischen Städten eingeführt. Paris und Amsterdam haben damit gute Erfahrungen gemacht. In Amsterdam müssen private EigentümerInnen leer stehende Wohnungen melden. Bleibt die Wohnung länger als ein halbes Jahr ohne NachmieterIn, darf die Stadt in die Vermietung eingreifen. In Österreich ist das ein emotionales Thema. „Hände weg von Eigentum!“ oder „Eigentum muss privat bleiben“ kontern GegnerInnen in Online-Foren auf die Forderung nach einer Leerstandsabgabe.
Auch der Verfassungsrechtler Heinz Mayer zeigt sich bedenklich. Denn Wien hatte Anfang der 1980er-Jahre bereits eine Abgabe auf leer stehende Wohnungen eingeführt. Damals hob die Stadt – je nach Kategorie der Wohnung – umgerechnet bis zu 4,80 Euro pro Quadratmeter und Monat für leer stehende Wohnungen ein. 1985 hat der Verfassungsgerichtshof die Abgabe für unzulässig erklärt. Das sei Bundessache, war die Begründung. Heute sei die Lage aber anders, so Rezaei. Die Abgabe war damals zu hoch, die Kategorien gibt es so heute nicht mehr. Die junge SPÖ etwa würde sich mit einem Euro pro Quadratmeter zufrieden geben. Das Modell müsste also verfassungsrechtlich neu geprüft werden. „Es braucht also vor allem den politischen Willen dazu“, sind sich IG Kultur Wien und Mietervereinigung einig.
Wem gehört die Stadt?
Nach dem Wirbel um leer stehende Wohnungen im Wiener Vorwahlkampf 2014 ist es seither wieder leiser geworden am politischen Parkett. Der Wohnbaustadtrat wischt Probleme überhaupt vom Tisch mit dem Argument, dass sich Wiens Wohnungsleerstände im Bereich der Mobilitätsreserve bewegen. Problem gelöst. Wird hier in typisch wienerischer Manier einfach nur auf hohem Niveau gejammert? „Im internationalen Vergleich? Vielleicht“, meint die Bundesgeschäftsführerin der Mietervereinigung. Aber: Leerstand ist ein politisches Thema und verschärft soziale Ungleichheiten in einer Stadt. Es gibt Menschen, die es sich leisten können, Wohnungen leer stehen zu lassen, und Menschen, die dringend Wohnraum benötigen. Politik müsse hier die Rahmenbedingungen festlegen. Es brauche vor allem Transparenz bei den Leerstandsmeldungen und einen politischen Willen, leer stehende Wohnungen schnell wieder auf den Markt zu bringen. Zum Beispiel durch eine Leerstandsabgabe. Das funktioniert bereits in einigen Städten, warum also nicht auch in Wien. Immerhin geht es um die Frage: Wem gehört die Stadt?
Leerstandsmelder:
www.leerstandsmelder.de/wien
www.leerstandsmelder.de/salzburg
Wer geht leer aus? Plädoyer für eine andere Leerstandspolitik.
Gratis Download unter:
tinyurl.com/wergehtleeraus
Irene Steindl
Freie Redakteurin
Dieser Artikel erschien in der Ausgabe Arbeit&Wirtschaft 4/17.
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