Jugend: Wunsch und Wohnwirklichkeit

Ein Paar sitzt neben Kartons in einer neu eingerichteten Wohnung. Symbolbild für junge Menschen und Wohnen.
Junge Menschen wissen genau, wie sie wohnen wollen. | © Adobestock/fizkes
Junge Menschen in Österreich haben ganz konkrete Vorstellungen davon, wie sie wohnen möchten. Ein Eigenheim steht bei vielen an oberster Stelle. Doch leisten können es sich die wenigsten. Das Interesse an Genossenschafts- und Gemeindewohnungen steigt daher kontinuierlich an.
Das oft zitierte Hotel Mama ist nicht immer die beliebteste Wahl bei den Jungen. Hohe Mieten im privaten Wohnsektor führen aber dazu, dass man länger bei den Eltern wohnt, als man sich das eigentlich wünscht. Aber wie sieht Wohnen für Junge in Österreich aus? Welche Unterschiede gibt es zwischen den jüngeren Generationen in einer größeren Stadt und jenen in kleineren Gemeinden auf dem Land? Und wie wollen Menschen unter 35 Jahren überhaupt wohnen, was ist ihnen dabei wichtig? In der Regel leben Österreicher:innen auf einer Fläche zwischen 61 Quadratmetern bei Gemeindebauwohnungen und 142 Quadratmetern im Hauseigentum – das ergab eine große Mitglieder-Umfrage der Mietervereinigung im Sommer 2022.

Gemessen am Haushaltseinkommen ist der Anteil der Wohnkosten bei Personen im privaten Mietsegment am höchsten. Etwa ein Drittel des Einkommens mussten sie bereits Mitte 2022 monatlich für ihre Wohnung aufwenden. Bei Hauseigentümer:innen sind es dagegen nur 11 Prozent des Einkommens, die für Strom, Gas etc. benötigt werden, denn die Miete fällt weg. Bei den Genossenschafts- und Gemeindewohnungen pendelt sich der Wert in der Mitte ein. Hier musste man zum Zeitpunkt der Befragung ungefähr mit 24 Prozent des Haushaltseinkommens als Ausgabe rechnen.

Junge Menschen und Wohnen: Schwer stemmbar

Zwei Drittel der Befragten im privaten und im gemeinnützigen Sektor gaben bei der Umfrage außerdem an, dass die Wohnkostenbelastung groß bzw. spürbar ist. Gerade für junge Menschen, die sich in Ausbildung befinden oder gerade studieren, ist eine Wohnung zu mieten eine oft schwer stemmbare Aufgabe. Eine Studie, die noch vor der Pandemie durchgeführt wurde, hat sich speziell die Situation von jungen Arbeitnehmer:innen unter 35 in Wien angesehen. Von den über 500 befragten Jungmieter:innen zogen in den Jahren vor Corona 41 Prozent in Wohnungen des privaten Segments, 31 Prozent der Jungen wählten die Option einer Genossenschaftswohnung, und 28 Prozent zog es in den Gemeindebau. Die jungen Leute, die sich entschlossen haben, privat zu mieten oder eine Genossenschaftswohnung zu beziehen, hatten im Schnitt ein höheres Einkommen als jene, die die Möglichkeit wahrnahmen, in eine Gemeindebauwohnung zu ziehen – auch das zeigte die Erhebung.

Fast unleistbares Eigentum

„Ganz grundsätzlich ist es so, dass die überwiegende Mehrheit junger Menschen nach Wohneigentum strebt, hingegen will ein weitaus geringerer Anteil zur Miete wohnen. Die Realität sieht dann leider so aus, dass sich heutzutage junge Menschen mit einem mittleren Einkommen weder ein Haus noch eine Wohnung im Eigentum leisten können“, sagt Philipp Ovszenik, Bundesjugendsekretär der Österreichischen Gewerkschaftsjugend (ÖGJ). Die überproportional steigenden Baukosten und die Neuregelung bei der Kreditvergabe sieht er als zwei zentrale Probleme an. Denn bei einer Kreditaufnahme müssen mindestens 20 Prozent Eigenkapital für die Wohnraumfinanzierung vorhanden sein. Bei einem Kredit von 200.000 Euro sind das immerhin 40.000 Euro.

Für Philipp Ovszenik eine Realität: „Junge Menschen können sich heutzutage mit einem mittleren Einkommen weder ein Haus noch eine Wohnung im Eigentum leisten.“ | © Markus Zahradnik

„Das lässt den Wunsch nach selbst finanziertem Wohneigentum für viele in weite Ferne rücken“, so Ovszenik. Viele der Jungen entscheiden sich daher für eine Mietwohnung. Egal, ob im urbanen Wien oder auf dem Land: Genossenschaftswohnungen und der Gemeindebau liegen im Trend. Die Gemeinnützige Siedlungsgesellschaft m.b.H. (GSG) für den Bezirk Vöcklabruck etwa verwaltet in 34 Gemeinden rund 4.100 Wohnungen. Von Frankenmarkt über Seewalchen am Attersee bis Gunskirchen oder Ohlsdorf, wo einst Thomas Bernhard einen Vierkanthof bewohnte, erstreckt sich das Gebiet. „In den letzten Jahren konnten wir einen regelmäßigen, kontinuierlichen Anstieg an jüngeren Interessenten verzeichnen“, heißt es auf A&W-Anfrage vonseiten der GSG.

Doch wie kann für junge Menschen auch in Zukunft leistbares Wohnen im gemeinnützigen Mietsektor garantiert werden? „Um in Zukunft hohe Wohnqualität und leistbare Mieten zu vereinbaren, wird es wichtig sein, dass die Widmungskategorie geförderter Wohnbau für weitere Grundstücke von den Gemeinden festgelegt wird, damit die Grundstückspreise möglichst günstig bleiben“, ist man bei der GSG überzeugt.

Renaissance des Gemeindebaus

Auch bei Wiener Wohnen, dem größten kommunalen Hausverwalter Europas mit mehr als 220.000 Gemeindewohnungen, ist ein Trend junger Menschen hin zu Mietwohnungen erkennbar. „Aktuell haben wir rund 180.000 Bewohner:innen unter 35 Jahren. Das entspricht rund 43 Prozent aller Gemeindebau-Bewohner:innen mit Hauptwohnsitz im Gemeindebau“, sagt Andrea Janousek, Unternehmenssprecherin von Wiener Wohnen. In den vergangenen Jahren gab es regelmäßig Steigerungen bei der Anzahl von Jungwiener:innen, die Interesse an einer Wohnung von Wiener Wohnen hatten. Im Jahr 2020 waren es rund 6.800, 2021 rund 7.900 und mit Ende 2022 rund 9.900, die sich für eine Gemeindebauwohnung vorgemerkt hatten.

Die Stadt Wien wird in den kommenden Jahren weiterwachsen. Schon 2028 werden zwei Millionen Einwohner:innen zu verzeichnen sein, wie Expert:innen prognostizieren. Daher ist es für Wiener Wohnen weiterhin wichtig, erschwingliches Wohnen zu ermöglichen. „Die Bundeshauptstadt erlebt Aufbruch, Bewegung und Zuzug. Wichtige Themen sind hier neben dem Bereitstellen von leistbarem Wohnraum für die Wiener Bevölkerung auch die soziale Durchmischung, der Klimawandel sowie barrierefreies Wohnen und der steigende Bedarf an Pflegewohnungen“, erklärt Janousek die Aufgaben der Zukunft.

Das Interesse junger Wiener:innen am
Wohnen im Gemeindebau steigt. 

Andrea Janousek, Wiener Wohnen

Gezielte Unterstützung, bitte!

Damit Wohnen zukünftig leistbar bleibt und auch die jungen Leute in Österreich eine eigene Wohnung beziehen können, braucht es gezielte Unterstützung für diese Gruppe. Wien ist in Österreich Vorreiter und unterstützt die Jungen. „Auf der einen Seite gibt es gerade in Wien mit der Wohnbeihilfe und der ‚Jungwiener:innen-Aktion‘ speziell für junge Menschen Unterstützungsangebote. Doch diese müssen österreichweit ausgebaut und erweitert werden“, sagt Ovszenik vom ÖGJ. Er spricht dabei das Förderprogramm an, das es jungen Erwachsenen erleichtert, sich die erste eigene Wohnung zu leisten. „Auf der anderen Seite müsste die Bundesregierung umgehend sicherstellen, dass es eine Mietpreisbremse gibt. Die Mieten sollen nur alle zwei Jahre erhöht werden dürfen, und die inflationsbedingte Anpassung soll einen bestimmten Prozentsatz nicht überschreiten dürfen“, führt Ovszenik weiter aus. Bei Wiener Wohnen sieht man ebenfalls dringenden Handlungsbedarf aufgrund der massiven Teuerungen bei den Mieten.

„Ein großer Schritt wäre die Einführung eines einheitlichen Generalmietrechts für alle Wohnbereiche – unabhängig vom Jahr der Gebäudeerrichtung. Ein faires System der Mietpreisgestaltung mit klaren Grenzen und Sicherheit für Mieter:innen und Vermieter:innen ist notwendig“, so Janousek. An den Beispielen in Vöcklabruck und Umgebung sowie in Wien lässt sich erkennen, dass die Jungen vermehrt Interesse an leistbarem genossenschaftlichem Wohnen haben – Tendenz steigend. Allerdings müssen politische Maßnahmen in die Wege geleitet werden, um die Mieten erschwinglich zu halten.

Über den/die Autor:in

Stefan Mayer

Stefan Mayer arbeitete viele Jahre in der Privatwirtschaft, ehe er mit Anfang 30 Geschichte und Politikwissenschaft zu studieren begann. Er schreibt für unterschiedliche Publikationen in den Bereichen Wirtschaft, Politik und Sport.

Du brauchst einen Perspektivenwechsel?

Dann melde dich hier an und erhalte einmal wöchentlich aktuelle Beiträge zu Politik und Wirtschaft aus Sicht der Arbeitnehmer:innen.



Mit * markierte Felder sind Pflichtfelder. Mit dem Absenden dieses Formulars stimme ich der Verarbeitung meiner eingegebenen personenbezogenen Daten gemäß den Datenschutzbestimmungen zu.