Doch nicht alle Unternehmen berücksichtigen diese Wünsche – und Stress sowie belastende Arbeitstage gibt es noch obendrauf. Kein Wunder, wenn also die Zahl der offenen Stellen im vergangenen Jahr einen Rekordwert erreicht hat. Österreichische Betriebe meldeten für 2022 durchschnittlich 206.500 offene Stellen. Das sind 41,4 Prozent mehr freie Jobs als im Jahr 2021. Und besonders die Zahl der offenen Lehrstellen hat zugelegt, mittlerweile gibt es mehr offene Lehrstellen als Suchende. Denn die Jugend gibt sich nicht mit jedem Stellenangebot zufrieden.
Für junge Menschen ist Abschalten schwer möglich
Denise Stieger kennt solche Tage zur Genüge. „Nachdem ich im Gymnasium ein Jahr hätte wiederholen müssen, habe ich mich entschieden, eine Lehre zu beginnen. In das Hotel- und Gastgewerbe bin ich eher zufällig gekommen, und eine Freundin diente dabei als Vorbild, da sie bereits in dem Bereich eine Lehre machte“, sagt Stieger, die in einem großen Wiener Hotel arbeitet. Stieger beendete 2021 ihre Lehre und ist nun als Rezeptionistin in ihrem Lehrhotel tätig.
Da kommt es oftmals zu sehr stressigen Arbeitstagen: „In den Saisonzeiten, wenn viele Kongresse oder Weihnachtsfeiern stattfinden, gibt es zahlreiche Anliegen der Gäste, und das ist manchmal sehr schwierig unter einen Hut zu bringen, denn nebenbei müssen die Arbeitsabläufe im Hintergrund auch erledigt werden“, so Stieger. Im Hotel kann es dann schon mal vorkommen, dass zehn Tage am Stück durchgearbeitet werden muss und ein Abschalten nicht möglich ist.
Einfühlsam, kommunikativ, empathisch
Junge Menschen haben in der Arbeitswelt andere Bedürfnisse als die älteren Generationen. Um diesen Bedürfnissen zu entsprechen, müssen Unternehmen die Generation Y und Z besser einbinden. „Junge Mitarbeiter:innen erwarten sich Wertschätzung, eine gute Kommunikationsbasis im Unternehmen und mehr Gestaltungsspielraum als die Generationen vor ihnen. Um diese Zielgruppe nicht nur für einen Job oder eine Ausbildung zu gewinnen, sondern auch im Unternehmen zu halten, muss man auf ihre Bedürfnisse eingehen“, meint Richard Tiefenbacher, Bundesjugendvorsitzender der Österreichischen Gewerkschaftsjugend (ÖGJ).
Viele identifizieren sich mit dem Job, aber nicht mit dem Arbeitgeber.
Richard Tiefenbacher, Bundesjugendvorsitzender der Österreichischen Gewerkschaftsjugend
Dass es eine gute Kommunikationsbasis braucht, das zeigt die Studie „Generation Corona und die Arbeitswelt von morgen“. Mehr als die Hälfte der Befragten wünscht sich einfühlsame, kommunikative und empathische Vorgesetzte. Denise Stieger weiß aus eigener Erfahrung, wie wichtig es ist, eine Ansprechperson zu haben, wenn die Vorgesetzten diese Eigenschaften nicht mitbringen. In ihrer Lehrzeit war sie im Hotel Jugendvertrauensrätin.
„Ganz wichtig ist, dass sich Jugendvertrauensrät:innen mit dem geltenden Arbeitsrecht auseinandersetzen, damit sie wissen, welche Verpflichtungen Arbeitgeber:innen gegenüber den Lehrlingen haben. Beispielsweise muss darauf geachtet werden, dass Lehrlinge nicht zu viele Überstunden machen. Hier müssen Jugendvertrauensrät:innen immer wieder einschreiten“, meint Stieger. Die Vertrauensrät:innen sollten außerdem ein offenes Ohr für private Probleme und Herausforderungen der Lehrlinge und der jungen Mitarbeiter:innen haben, findet sie.
Sinnsuche
Wie kann also eine Arbeitswelt von morgen für die jüngere Generation aussehen, die nicht Stress, Leistungsdruck und Probleme in der Kommunikation mit Vorgesetzten bedeutet, sondern Spaß macht und sinnstiftend ist? „Neben einer Arbeit mit ‚Sinn und Wirkung‘ lautet das Stichwort ‚Identifikation‘. Viele identifizieren sich mit dem Job, aber nicht mit dem Arbeitgeber. Identifikation kann aber weiter gehen, wenn Mitarbeiter:innen sich selbst als wirklichen Teil des Unternehmens sehen“, meint Tiefenbacher.
Der Jugendgewerkschafter empfiehlt daher den Unternehmen, ein hohes Maß an Partizipationsmöglichkeiten zu schaffen, die zu einem Wir-Gefühl führen können. „Das passiert leider oft nicht“, so Tiefenbacher. Im Hotel- und Gastgewerbe gibt es noch andere Dinge, die attraktiver gestaltet werden müssen, beispielsweise die bereits angesprochenen Arbeitszeiten, aber auch beim Einkommen gibt es in dieser Branche Spielraum nach oben.
Für die Generation Z und Millennials sind für einen guten Job eine gute Arbeitsatmosphäre sowie die gute Work-Life-Balance wichtig. Auch in Österreich fordern immer mehr Junge kürzere Arbeitszeiten, mobiles Arbeiten und gute Bezahlung. 5/8 pic.twitter.com/iccoBaHDQF
— ÖGB (@oegb_at) April 12, 2022
Bei Stieger im Hotel sind jetzt weniger Mitarbeiter:innen als vor Corona beschäftigt, und damit ist die Arbeit spürbar gestiegen. „Viele Menschen in diesem Gewerbe sind mittlerweile mit ihren Kräften am Ende und können diese Aufgaben nur mehr schwer stemmen“, sagt Stieger. Die Rezeptionistin wünscht sich daher mehr Ruhezeiten. „Hilfreich wäre es, wenn für Feiertags- und Wochenenddienste sowie für langes Arbeiten bis in die Nacht Ausgleich geschaffen würde, speziell auch für junge Mitarbeiter:innen“, so Stieger. Es wird sicher eine Herausforderung für viele Unternehmen, sich jugendfit zu machen, jedoch werden es die, die es nicht machen, in Zukunft schwer haben, motivierte Mitarbeiter:innen zu finden.