Jugend und Arbeit: Stress, lass nach!

Eine junge Frau repariert ein Auto. Im Hintergrund steht ein junger Mann. Symbolbild für den Arbeitsdruck, den junge Menschen erleben.
Junge Menschen wünschen sich im Beruf mehr Wertschätzung. Ist das zu viel verlangt?
© Adobestock/Monkey Business
Junge Menschen haben ganz einfache Wünsche, was ihre Arbeit betrifft: einen Job, von dem man leben kann, der motiviert und bei dem man Wertschätzung erfährt. Warum haben das die Arbeitgeber:innen noch immer nicht verstanden?
Stress und Erschöpfung sind für junge Menschen zwischen 14 und 29 Jahren die größten Belastungen, wie die Trendstudie „Jugend in Österreich“ aus dem vergangenen Jahr zeigt. Mehr als jede zweite junge Person gibt an, dass Stress eine negative Auswirkung auf ihr Leben hat, und fast jede:r Zweite fühlt sich regelmäßig erschöpft. Außerdem haben 45 Prozent der Befragten den Wunsch nach einem Job, der Spaß macht und dem Leben einen Sinn gibt. 48 Prozent sagen zudem, dass sie in der Arbeit und in der Schule dann motiviert sind, gute Leistungen zu erbringen, wenn sie dadurch mehr Geld verdienen können.

Doch nicht alle Unternehmen berücksichtigen diese Wünsche – und Stress sowie belastende Arbeitstage gibt es noch obendrauf. Kein Wunder, wenn also die Zahl der offenen Stellen im vergangenen Jahr einen Rekordwert erreicht hat. Österreichische Betriebe meldeten für 2022 durchschnittlich 206.500 offene Stellen. Das sind 41,4 Prozent mehr freie Jobs als im Jahr 2021. Und besonders die Zahl der offenen Lehrstellen hat zugelegt, mittlerweile gibt es mehr offene Lehrstellen als Suchende. Denn die Jugend gibt sich nicht mit jedem Stellenangebot zufrieden.

Für junge Menschen ist Abschalten schwer möglich

Denise Stieger kennt solche Tage zur Genüge. „Nachdem ich im Gymnasium ein Jahr hätte wiederholen müssen, habe ich mich entschieden, eine Lehre zu beginnen. In das Hotel- und Gastgewerbe bin ich eher zufällig gekommen, und eine Freundin diente dabei als Vorbild, da sie bereits in dem Bereich eine Lehre machte“, sagt Stieger, die in einem großen Wiener Hotel arbeitet. Stieger beendete 2021 ihre Lehre und ist nun als Rezeptionistin in ihrem Lehrhotel tätig.

Da kommt es oftmals zu sehr stressigen Arbeitstagen: „In den Saisonzeiten, wenn viele Kongresse oder Weihnachtsfeiern stattfinden, gibt es zahlreiche Anliegen der Gäste, und das ist manchmal sehr schwierig unter einen Hut zu bringen, denn nebenbei müssen die Arbeitsabläufe im Hintergrund auch erledigt werden“, so Stieger. Im Hotel kann es dann schon mal vorkommen, dass zehn Tage am Stück durchgearbeitet werden muss und ein Abschalten nicht möglich ist.

Einfühlsam, kommunikativ, empathisch

Junge Menschen haben in der Arbeitswelt andere Bedürfnisse als die älteren Generationen. Um diesen Bedürfnissen zu entsprechen, müssen Unternehmen die Generation Y und Z besser einbinden. „Junge Mitarbeiter:innen erwarten sich Wertschätzung, eine gute Kommunikationsbasis im Unternehmen und mehr Gestaltungsspielraum als die Generationen vor ihnen. Um diese Zielgruppe nicht nur für einen Job oder eine Ausbildung zu gewinnen, sondern auch im Unternehmen zu halten, muss man auf ihre Bedürfnisse eingehen“, meint Richard Tiefenbacher, Bundesjugendvorsitzender der Österreichischen Gewerkschaftsjugend (ÖGJ).

Viele identifizieren sich mit dem Job, aber nicht mit dem Arbeitgeber.

Richard Tiefenbacher, Bundesjugendvorsitzender der Österreichischen Gewerkschaftsjugend

Dass es eine gute Kommunikationsbasis braucht, das zeigt die Studie „Generation Corona und die Arbeitswelt von morgen“. Mehr als die Hälfte der Befragten wünscht sich einfühlsame, kommunikative und empathische Vorgesetzte. Denise Stieger weiß aus eigener Erfahrung, wie wichtig es ist, eine Ansprechperson zu haben, wenn die Vorgesetzten diese Eigenschaften nicht mitbringen. In ihrer Lehrzeit war sie im Hotel Jugendvertrauensrätin.

„Ganz wichtig ist, dass sich Jugendvertrauensrät:innen mit dem geltenden Arbeitsrecht auseinandersetzen, damit sie wissen, welche Verpflichtungen Arbeitgeber:innen gegenüber den Lehrlingen haben. Beispielsweise muss darauf geachtet werden, dass Lehrlinge nicht zu viele Überstunden machen. Hier müssen Jugendvertrauensrät:innen immer wieder einschreiten“, meint Stieger. Die Vertrauensrät:innen sollten außerdem ein offenes Ohr für private Probleme und Herausforderungen der Lehrlinge und der jungen Mitarbeiter:innen haben, findet sie.

Porträt von Richard Tiefenbacher, ÖGJ-Vorsitzender
Richard Tiefenbacher, ÖGJ-Vorsitzender, kennt die Bedürfnisse junger Menschen
in der Arbeitswelt aus eigener Erfahrung. | © Markus Zahradnik

Sinnsuche

Wie kann also eine Arbeitswelt von morgen für die jüngere Generation aussehen, die nicht Stress, Leistungsdruck und Probleme in der Kommunikation mit Vorgesetzten bedeutet, sondern Spaß macht und sinnstiftend ist? „Neben einer Arbeit mit ‚Sinn und Wirkung‘ lautet das Stichwort ‚Identifikation‘. Viele identifizieren sich mit dem Job, aber nicht mit dem Arbeitgeber. Identifikation kann aber weiter gehen, wenn Mitarbeiter:innen sich selbst als wirklichen Teil des Unternehmens sehen“, meint Tiefenbacher.

Der Jugendgewerkschafter empfiehlt daher den Unternehmen, ein hohes Maß an Partizipationsmöglichkeiten zu schaffen, die zu einem Wir-Gefühl führen können. „Das passiert leider oft nicht“, so Tiefenbacher. Im Hotel- und Gastgewerbe gibt es noch andere Dinge, die attraktiver gestaltet werden müssen, beispielsweise die bereits angesprochenen Arbeitszeiten, aber auch beim Einkommen gibt es in dieser Branche Spielraum nach oben.

Bei Stieger im Hotel sind jetzt weniger Mitarbeiter:innen als vor Corona beschäftigt, und damit ist die Arbeit spürbar gestiegen. „Viele Menschen in diesem Gewerbe sind mittlerweile mit ihren Kräften am Ende und können diese Aufgaben nur mehr schwer stemmen“, sagt Stieger. Die Rezeptionistin wünscht sich daher mehr Ruhezeiten. „Hilfreich wäre es, wenn für Feiertags- und Wochenenddienste sowie für langes Arbeiten bis in die Nacht Ausgleich geschaffen würde, speziell auch für junge Mitarbeiter:innen“, so Stieger. Es wird sicher eine Herausforderung für viele Unternehmen, sich jugendfit zu machen, jedoch werden es die, die es nicht machen, in Zukunft schwer haben, motivierte Mitarbeiter:innen zu finden.

Über den/die Autor:in

Stefan Mayer

Stefan Mayer arbeitete viele Jahre in der Privatwirtschaft, ehe er mit Anfang 30 Geschichte und Politikwissenschaft zu studieren begann. Er schreibt für unterschiedliche Publikationen in den Bereichen Wirtschaft, Politik und Sport.

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