Mitgestalten ist Jugendlichen enorm wichtig. Wer sich gehört fühlt, arbeitet lieber und verbleibt länger im Betrieb. Leider ist vielerorts der Status quo noch immer anders. „Es ist eher die Ausnahme, dass jede:r zufrieden ist“, erzählt Leon, Lehrling und Jugendvertrauensrat in Niederösterreich. „In der Berufsschule gibt es welche, die sind von Montag bis Freitag in der Schule, müssen dann am Samstag arbeiten. Bei Krankenständen von Kolleg:innen wird erwartet, dass sie einspringen. Machen sie das nicht, werfen ihnen die Chefs vor, dass sie faul seien.“ Diese und ähnliche Probleme hört der Jugendvertrauensrat bei einem großen Lebensmitteleinzelhändler, wenn er sich mit anderen Lehrlingen austauscht. Jemanden in seinem Alter, mit der eigenen Lebensrealität als Ansprechperson zu haben, ist dabei enorm wichtig. Die Gewerkschaft hat dies in mühevoller, jahrelanger Arbeit durchgesetzt. Nun gibt es seit 50 Jahren Jugendvertrauensräte. Dass Junge mitbestimmen können, ist dennoch nicht immer der Fall. Leon kennt nicht wenige, die die Ausbildung nur „durchdrucken“. Es liege viel an der Führung vor Ort. Wie kann Mitbestimmung besser gelingen, damit das nicht der Fall ist?
Studie: Jugendliche fühlen sich nicht ernst genommen
Mitbestimmungsrechte und -institutionen gibt es zwar. Für Richard Tiefenbacher, Vorsitzender der Gewerkschaftsjugend, werden „die tatsächlichen Anliegen junger Menschen aber oft ignoriert“. Für die Politik seien die Älteren wichtiger. Dabei gebe es gute Umsetzungen in einigen Betrieben, von denen die Bundesregierung noch lernen könne: „Bei den Wiener Stadtwerken etwa wurde ein innovatives Jugendförderprogramm ins Leben gerufen. Hier haben junge Mitarbeiter:innen die Möglichkeit, eigene Projekte vorzuschlagen und mit Unterstützung des Managements umzusetzen. Dies fördert nicht nur die Kreativität und das Engagement der jüngeren Generation, sondern bringt auch frischen Wind und neue Ideen in den Betrieb. Solche Initiativen zeigen eines ganz klar: Wenn Unternehmen in die Potenziale ihrer jungen Belegschaft investieren, können beide Seiten davon profitieren. Die Bundesregierung wäre gut beraten, sich an solchen Initiativen ein Vorbild zu nehmen.“
Magdalena Schwarz, Referentin in der AK Wien für Jugendpolitik, unterstreicht das. „In der Ö3-Jugendstudie 2023 ist klar ersichtlich, dass sich junge Menschen von den älteren Generationen nicht gehört und ernst genommen fühlen.“ Die Studie ist ein Projekt des ORF und wird vom Sozialforschungsinstitut SORA begleitet und ausgewertet. 85 Prozent der befragten 16–25-Jährigen gaben an, sich wenig oder gar nicht von der Politik vertreten zu fühlen. Das ziehe sich laut Tiefenbacher durch wie ein roter Faden, egal ob bei Schüler:innen oder Lehrlingen. „Das spüren wir, wenn wir in den Betrieben unterwegs sind. Ich frage dann: Wie zufrieden seid ihr mit der Politik in unserem Land? Da hebt kaum jemand die Hand.“
Jugendvertrauensräte: Mitbestimmung von jung auf
Dazu gesellt sich für Schwarz auch noch der Umstand, dass die Gruppe an Jugendlichen ohne österreichische Staatsbürgerschaft immer größer wird. „Wir sehen eine starke Korrelation zwischen Interesse an politischen Vorgängen und Wahlrecht“, so die Expertin. „Wer sich politisch nicht einbringen kann, bringt sich auch in seinem Lebensumfeld nicht ein. Umgekehrt interessieren sich junge Menschen eher für Politik, wenn sie in der Schule, am Arbeitsplatz oder auch in ihrem Bezirk mitbestimmen können.“
Im Betrieb sind Beschäftigte unabhängig von ihrer Staatsbürgerschaft wahlberechtigt – bei der Wahl des Jugendvertrauensrats, des Betriebsrats oder der Arbeiterkammer. Dabei erfahren viele Jugendliche erstmals, was Mitbestimmung wirklich bedeutet. Und das schon seit mehr als einem halben Jahrhundert.
Wichtig ist aber auch, dass sich Betriebe an gesetzliche Regeln halten. Wie der Lehrlingsmonitor von AK und Gewerkschaft zeigt, macht rund ein Viertel der jungen Menschen ausbildungsfremde Tätigkeiten. Widerspruch ist hier schwierig. Tiefenbacher erzählt, dass zwar viele Jugendliche wüssten, dass es Gewerkschaften, Betriebsräte und Jugendvertrauensräte gebe, die sich für ihre Rechte einsetzen, es sei aber diese Hemmschwelle da, sich an sie zu wenden: „Manche Vorgesetzte sagen auch: Wenn du zur Gewerkschaft gehst, wirst du ganz andere Probleme haben.“
Jugendvertrauensräte – Es geht um einfache Dinge
Dabei fordern Jugendliche nichts Übertriebenes, wie Untersuchungen der AK zur Mitbestimmung oder die Ö3-Jugendstudie belegen. „Es geht um einfache Dinge“, sagt Schwarz, „etwa Pausenregelungen, die Gestaltung eines Aufenthaltsraums, die Arbeitszeitgestaltung, bis hin zur Möglichkeit, Ideen zur Ausrichtung des Betriebs einzubringen. Und dass man weiß, wo man diese anbringen kann und auch gehört wird. Je mehr Junge mitgestalten können, desto stärker identifizieren sie sich mit ihrer Arbeit.“ Die Unternehmen bräuchten eben einen Plan, Junge mehr einzubeziehen. „Vielleicht findet langsam ein Wandel statt“, so Schwarz. „Einige Unternehmen verstehen schon, dass man Mitarbeiter:innen etwas anbieten muss, wenn man will, dass sie länger bei einem arbeiten.“ Studien zeigen schließlich auch, dass sich junge Menschen in Unternehmen in erster Linie wohlfühlen und sinnvolle Tätigkeiten ausüben wollen. Sobald es beispielsweise Jugendvertrauensräte oder Betriebsräte gibt, verbessert sich die Lage. „Das Einhalten der Bestimmungen ist kein Gefallen der Führungsebene, das ist das Recht der Beschäftigten.“
Wertschätzung wirkt
Tiefenbacher bringt es auf den Punkt. „Wir sind keine Roboter, wir haben ein Herz und kein Fleischlaberl. Motivation und Engagement müssen gefördert werden, es braucht Raum und Möglichkeiten, sich wirklich einzubringen.“ Anders gesagt: Wertschätzung. Einer, der diese im eigenen Betrieb erfährt, ist Leon. Sein Arbeitgeber ermöglicht ihm etwa die Freistellung für sein Engagement als Jugendvertrauensrat, auch die Fahrt- und Verpflegungskosten werden übernommen. Doch dabei bleibt es nicht. „Ich habe mich nie als Lehrling, sondern als normaler Mitarbeiter gefühlt und kann mich einbringen“, erzählt er. „Mir wird schon länger mehr zugetraut. Mir ist alles gezeigt worden, was dazugehört, ich konnte auch andere Bereiche ausprobieren und kann immer fragen, wenn ich etwas brauche. Das macht den Unterschied, ob man dann nach drei Jahren woanders hingeht oder sich vorstellen kann, länger zu bleiben.“