Sozialstaat als Jobmotor

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Der Sozialstaat ist auch ein Jobmotor. | © Adobe Stock/Animaflora PicsStock
In Österreich sind die Arbeitnehmer:innen in den sozialstaatlichen Institutionen unerlässlich, um das Land am Laufen zu halten. Was dabei oft übersehen wird: Das Personal kostet die Steuerzahler:innen wenig, da diese selbst eine hohe Wertschöpfung generieren.
Forderungen wie „Mehr Markt, weniger Staat!“ oder der Ruf nach einem schlanken Staat werden gerne ins Rennen geschickt, wenn es darum geht, einen angeblich überbordenden und zu teuren Sozialstaat zu kritisieren. Dieser Logik nach wären sozialstaatliche Institutionen in der jetzigen Form zu aufgeblasen. Und es würden Ausgaben getätigt, die die Allgemeinheit zahlt und die wegen ihrer Ineffizienz am Ende also mehr „kosten“ als nutzen. So weit, so neoliberal gedacht.

Übersehen oder auch oft ignoriert wird gerne, dass der Sozialstaat nicht nur als Dienstleister für die Bürger:innen eine wichtige Rolle spielt. Sondern auch als Dienstgeber österreichweit Zehntausende Jobs schafft. Sei es in staatlichen Pflegeheimen, Kindergärten, Schulen, bei der Pensionsversicherungsanstalt oder bei der Österreichischen Gesundheitskasse (ÖGK). Um nur einige Felder zu nennen. „Es sind sehr viele Arbeitsplätze, die in der Wolke Sozialstaat schweben und der Allgemeinheit zugutekommen“, sagt Claudia Neumayer-Stickler, Leiterin des Referates für Gesundheitspolitik im ÖGB gegenüber Arbeit&Wirtschaft. Die Expertin betont, dass allein bei der ÖGK 12.000 Personen arbeiten, davon 4.000 direkt in der Gesundheitsversorgung.

Portrait Claudia Neumayer-Stickler vom Österreichischen Gewerkschaftsbund ÖGB im interview über den Jobmotor Sozialstaat..
„Es sind sehr viele Arbeitsplätze, die in der Wolke Sozialstaat schweben und der Allgemeinheit zugutekommen“, blickt Claudia Neumayer-Stickler (ÖGB) auf das große Ganze. | © Markus Zahradnik

Jobmotor Sozialstaat: Nachhaltiges Investment

Wie alle anderen auch zahlen Menschen, die bei sozialstaatlichen Institutionen angestellt sind, Steuern und Sozialversicherungsbeiträge. Es gibt daher einen Rückfluss. Das Wirtschaftsforschungsinstitut (WIFO) hat sich 2017 die Kosten-Nutzen-Rechnung für den Bereich der Pflege in einer Studie zum Thema „Österreich 2025 – Herausforderungen und volkswirtschaftliche Effekte der Pflegevorsorge“ genau angesehen. Diese Zahlen geben Aufschluss darüber, was eine gute öffentliche Versorgung in diesem Bereich die Staatsbürger:innen tatsächlich kostet. „Unsere Studie basiert auf Berechnungen von ganz klaren Inputs von Pflegedienstleistern“, sagt Ulrike Famira-Mühlberger. Die Ökonomin ist stellvertretende Direktorin des WIFO.

Die Ergebnisse zeigen, dass auf einen in einen Pflegejob der öffentlichen Hand investierten Euro ein Steuer- und Sozialversicherungsaufkommen von etwa 70 Prozent der Ausgaben kommt. Also 70 Cent wieder in den Wirtschaftskreislauf zurückfließen. Das bedeutet, dass dieser Euro nur 30 Cent „kostet“. Der Rest wird wieder vom Staat Österreich eingenommen. So dient der Sozialstaat als Jobmotor. „An der WIFO-Studie sieht man sehr gut die Multiplikatoren und die Wertschöpfung. Viele reden über die Kosten geredet, aber nur wenige über die Rückflüsse“, sagt Adi Buxbaum von der Abteilung Sozialpolitik der Arbeiterkammer, der zu sozialpolitischen Analysen arbeitet.

Positive Wirkungsketten

„Ich arbeite gerne mit Kindern. Wir Lehrer:innen geben den Kindern das Werkzeug für weitere Ausbildungen mit auf den Weg und beeinflussen somit zum Teil die Entwicklung unserer Gesellschaft“, sagt Christina K., die als Volksschullehrerin in Linz arbeitet. Lehrer:innenmangel ist ein Dauerproblem in Österreich. Von Vorarlberg bis in das Burgenland gibt es kein Bundesland, in dem nicht Personal fehlt. Das betrifft jedoch nicht nur Lehrer:innen, viele sozialstaatliche Institutionen brauchen zukünftig mehr Personal. „Aus der Pflegepersonalbedarfsprognose wissen wir, dass wir bis 2030 75.000 zusätzliche Personen in der Pflege benötigen“, sagt Neumayer-Stickler. Jobs, die vom Staat oder den Bundesländern geschaffen werden, rechnen sich über die Zeit.

Auf EU-Ebene gibt es den Begriff der Sozialinvestition, das sind Investitionen in Menschen, die der Staat übernimmt. In Österreich ist man aber von einem Diskurs darüber, was ein Sozialstaat zu leisten hat, noch ein Stück entfernt. „Öffentliche Schulen sind das Fundament einer erfolgreichen Bildungsarbeit. Je mehr privat, desto mehr werden Unterschiede in der Gesellschaft zum Vorschein kommen. Die Politik muss die Rahmenbedingungen schaffen, damit öffentliche Schulen auch attraktiv bleiben“, meint Volksschullehrerin Christina K. Die Investitionen in öffentliche Kindergärten und Schulen sind deshalb wichtig. Auch, weil es sich bei den Kindern und Jugendlichen um die Steuerzahler:innen von morgen und übermorgen handelt. Bei ausreichend guten Rahmenbedingungen kann man von positiven Wirkungsketten sprechen.

Öffentliche Schulen sind
das Fundament einer erfolgreichen Bildungsarbeit. 

Claudia Neumayer-Stickler, ÖGB

Das Werk läuft (noch)

Die Vielfalt der sozialstaatlichen Institutionen als Arbeitgeber:innen ist beeindruckend und macht den Sozialstaat zu einem Jobmotor. „Es sind die unterschiedlichsten Berufsbilder, die einen Beitrag zum Funktionieren der Gesellschaft leisten. Auch das ganze Verwaltungspersonal dahinter ist erforderlich, damit das Werk läuft“, so Neumayer-Stickler. Denn nicht nur die sichtbaren, sondern auch die unsichtbaren Personen im Hintergrund sind für die Allgemeinheit im Einsatz.

Doch was würde speziell in den Volksschulen notwendig sein, um zukünftig Arbeitsplätze mit guten Arbeitsbedingungen zu schaffen? „Der Bedarf ist groß. Es würde Klassen mit zwei Lehrer:innen brauchen, um sich besser auf die Schüler:innen konzentrieren zu können. Dazu mehr digitale Lernmittel, Infrastruktur für Sport in den Schulen, und mehr Geld für Kinderpsycholog:innen. Diese Schiene sollte überhaupt mehr ausgebaut werden“, sagt die Lehrerin aus Linz. Egal ob Lehrer:innen oder Verwaltungsangestellte, ob Pfleger:innen oder Kindergärtner:innen. Ein Sozialstaat muss für die Allgemeinheit da sein und darf nicht bei Dienstleistungen auf Kosten der Bürger:innen sparen.

Über den/die Autor:in

Stefan Mayer

Stefan Mayer arbeitete viele Jahre in der Privatwirtschaft, ehe er mit Anfang 30 Geschichte und Politikwissenschaft zu studieren begann. Er schreibt für unterschiedliche Publikationen in den Bereichen Wirtschaft, Politik und Sport.

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