Job-Erosion verhindern

Foto (C) ÖGB-Verlag/Michael Mazohl
Oliver Röpke arbeitet im ÖGB-Büro in Brüssel und ist seit Kurzem Vorsitzender der ArbeitnehmerInnen-Gruppe im Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss (EWSA). Diesen will er unter anderem für den Kampf gegen Sozialdumping nutzen.

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  1. Seite 1 - Grenzüberschreitende Arbeit
  2. Seite 2 - Kampf gegen Dumping, unfairen Wettbewerb und Sozialbetrug
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Die Sicherungsanker am Arbeitsplatz in der EU erstrecken sich vom Betriebsrat über den Europäischen Betriebsrat bis hin zur EU-Arbeitsbehörde.
BetriebsrätInnen in FPÖ-Manier als „Beidln“ zu diskreditieren, geht gar nicht. Erstens grundsätzlich. Zweitens besitzt gerade Österreich ein „duales System der Interessenvertretung“ auf der Seite der ArbeitnehmerInnen. Das bedeutet, dass die formalen Zuständigkeiten zwischen den Gewerkschaften und den Betriebsräten getrennt sind, wie Susanne Pernicka, Soziologin an der Johannes-Kepler-Universität Linz, unterstreicht. Einerseits ist die Institution Gewerkschaft auf die überbetriebliche Ebene und Verhandlungen zum Kollektivvertrag (KV) fokussiert.

ExpertInnen für den Alltag

Andererseits sind in der Praxis viele BetriebsrätInnen auch Mitglieder und FunktionärInnen in Gewerkschaften und nehmen als solche teil an den KV-Verhandlungen. „Weil sie als ExpertInnen für das alltägliche betriebliche Geschehen ihr Wissen einbringen können“, wie Pernicka erklärt. Und die Berufserfahrung ist ein hohes Gut, wenn theoretische, abgehobene Beschlüsse und Bestimmungen in der Praxis vermieden werden wollen.

Kollektivverträge gelten für rund 95 Prozent der ArbeitnehmerInnen, auch wenn sie nicht Gewerkschaftsmitglieder sind.
Allen Unkenrufen zum Trotz haben die österreichischen ArbeitnehmervertreterInnen einen wichtigen Stand im Ablauf des Wirtschaftslebens unseres Landes. Zwar sind nicht alle Beschäftigten Mitglied einer Gewerkschaft. Doch in Österreich überwiegen Branchentarifverträge, die von den Wirtschaftskammern, denen alle Arbeitgeber angehören müssen, und den Gewerkschaften ausverhandelt werden. Sie gelten somit für rund 95 Prozent der ArbeitnehmerInnen, auch wenn diese nicht Gewerkschaftsmitglieder sind. Verhandlungen auf betrieblicher Ebene (etwa zu Überzahlungen etc.) sind den Kollektivverträgen untergeordnet.

Freilich hat der gewerkschaftliche Organisationsgrad österreich- wie europaweit schon bessere Zeiten gesehen. Positiv stechen wie so oft in sozialrechtlichen Fragen die nordischen Länder hervor. In Finnland, Schweden und Dänemark liegt die Gewerkschaftsrate bei etwa 70 Prozent der ArbeitnehmerInnen, die tarifvertragliche Abdeckung umfasst 80 bis 90 Prozent. Allerdings gibt es in diesen Ländern kein Betriebsratsgremium. Schlusslichter bei der Vertretung von ArbeitnehmerInneninteressen durch Gewerkschaften sind – wenig überraschend – die ost- und südosteuropäischen EU-Länder.

In Frankreich sind lediglich acht Prozent der Beschäftigten bei Gewerkschaften, diese verhandeln aber 98 Prozent der Tarifverträge.
Frankreich ragt diesbezüglich heraus: Lediglich acht Prozent der Beschäftigten sind bei Gewerkschaften, diese verhandeln aber 98 Prozent der Tarifverträge. BetriebsrätInnen existieren fallweise (Wahlmöglichkeit). Das österreichische Kollektivvertrags-System lässt sich am ehesten mit der Situation in Deutschland vergleichen.

Grenzüberschreitende Arbeit

Nun gibt es im Jahr 2019 kaum mehr Dienstleistungen oder Produkte, die ausschließlich in einem Land entstehen. Das Gegenteil ist der Fall. Die von der Wirtschaft vorangetriebene Globalisierung hat Österreich politisch mit der EU-Mitgliedschaft ab 1995 vollzogen. Gegenüber der grenzüberschreitenden Wirtschaftstätigkeit hinken transnationale Bestimmungen hinterher, zumal bei der Bezahlung von ArbeitnehmerInnen.

So etwas wie „europäische Tarifverträge“, die wie nationale KVs etwa prozentuelle jährliche Lohnsteigerungen vorsehen, existieren nicht. „Die Kompetenz der Lohnfestlegung obliegt ausschließlich den nationalen Sozial­partnerorganisa­tionen“, stellt Vera Glassner, Soziologin bei der Arbeiterkammer (AK), gegenüber der Arbeit&Wirtschaft klar.

Ohne verbindliche Grundlage

Die europäischen Sozialpartnerorganisationen (Gewerkschaften, Arbeitgeberverbände) oder auch Europäische Betriebsräte koordinieren sich in ihrer Arbeitspolitik europaweit freiwillig und ohne rechtsverbindliche Grundlage. Sie stimmen sich in „Sozialdialogen“ zu Themen wie Arbeits- und Gesundheitsschutz, berufliche Weiterbildung und Arbeitszeitregulierung ab und vereinbaren mitunter Abkommen. Diese werden von den Sozialpartnerorganisationen in den Mitgliedsländern umgesetzt und sorgen in Ländern mit niedrigem Arbeitsschutzniveau für einheitliche Mindeststandards. Beispielsweise zur Organisation der Arbeitszeit von Seeleuten (1998), Beschäftigten in der Luftfahrt (2000) und der Binnenschifffahrt (2012).

Eine weitere Möglichkeit, Tarif- und Arbeitspolitik grenzüberschreitend zu koordinieren, besteht auf der Ebene „transnationaler Unternehmen“ – durch den Europäischen Betriebsrat (EBR). Der EBR vertritt die Interessen der Beschäftigten aller Unternehmens­standorte in allen Staaten des europäischen Wirtschaftsraums. „Euro-Betriebsräte finden sich deshalb auch in Konzernen mit Unternehmenshauptsitz außerhalb Europas, wie beispielsweise Toyota oder Honda“, betont Vera Glassner.

Branchen, auf die sich Euro-Betriebsräte konzentrieren, sind die Metall- und Fahrzeugindustrie, speziell bei GM Opel und Volkswagen. Die Hauptfunktion ist, Informationen grenzüberschreitend zu erhalten und weiterzugeben. Rund drei Prozent aller EBR-Gremien verhandeln sogar grenzüberschreitende Unternehmensabkommen (bezüglich Restrukturierung oder neuer Technologien) mit dem Management. Tarifpolitische Fragen wie Arbeitszeit oder Entlohnung spielen eine untergeordnete Rolle.

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Über den/die Autor:in

Heike Hausensteiner

Heike Hausensteiner ist seit ihrer Schulzeit Anhängerin der Aufklärung. Aufgewachsen in einer Arbeiterfamilie im Burgenland, studierte sie Sprach- und Europawissenschaften in Paris, Mailand, Wien und Krems/Donau. Als politische Redakteurin begann sie ihre journalistische Laufbahn 1996 bei der "Wiener Zeitung", wo sie u.a. auch das Europa-Ressort gründete. Nach einjähriger Baby-Karenz machte sie sich 2006 selbstständig und arbeitet seither als freie Journalistin für Zeitungen, Magazine und Online-Medien in Österreich und Deutschland sowie als Autorin (u.a. "Im Maschinenraum Europas. Die österreichische Sozialdemokratie im Europäischen Parlament", 2013) und Moderatorin. Sie lebt mit ihrer Familie und 2 Katzen in Wien.

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