Reparieren kommt Amir nicht wirklich in den Sinn, das Gerät war ein No-Name-Produkt und billig. Den Geschirrspüler könnte man eventuell reparieren lassen, aber was wird das wohl kosten? Seine Frau Ella möchte ein neues Handy – ihr Smartphone ist zwar mit knapp 1,5 Jahren noch nicht sehr alt und sie ist recht zufrieden damit. Aber bald kommt ja ein neues Handy der gleichen Marke heraus, das schneller ist – hat sie neulich in der Werbung gesehen. Außerdem hat ihr Mobilfunkanbieter jetzt einen Vertrag dazu im Angebot. Zusätzlich wird das Betriebssystem auf dem jetzigen Handy schon seit geraumer Zeit nicht mehr aktualisiert – wer weiß, welche Apps bald nicht mehr funktionieren?
Umgang mit materiellen Gütern
Solche Situationen kennt sicher jede/r aus dem eigenen Alltagsleben – ständig stehen wir bewusst oder unbewusst vor Entscheidungen, wie wir mit unseren materiellen Gütern umgehen sollen. Auf der einen Seite werden Produkte früher kaputt, als wir es uns eigentlich wünschen – dies betrifft oft Gebrauchsgüter im Haushalt wie Waschmaschine, Staubsauger etc. Hier ärgern wir uns besonders, da der Gebrauchsnutzen im Vordergrund steht: Die Geräte müssen funktionieren.
Bei anderen Produkten wie dem Smartphone, der Kleidung oder dem Auto ist auch der Zusatznutzen relevant: Das Produkt muss modisch sein und zu meinem Stil und meiner Identität passen. Solche Dinge werden daher sehr oft weggegeben, obwohl sie noch funktionieren – jedes Dritte laut einer englischen Studie aus dem Jahr 2004.
Rasante Entwicklungen
Bei elektronischen Geräten kommt hinzu, dass die technologischen Entwicklungen rasant sind, sodass Produkte nach immer kürzerer Zeit veralten. Die Entwicklung beim Fernseher beispielsweise verlief innerhalb weniger Jahre von Röhren- über Plasmabildschirme hin zu LCDs und LED-TVs. Damit nicht genug: Auch die Technik von SD über HD und Full HD bis hin zu UHD entwickelt sich ständig weiter. Nicht nur ästhetisch wirken Geräte dann schnell veraltet, weil sich das Design geringfügig verändert hat – auch die alten Technologien werden bald nicht mehr unterstützt und spätestens dann muss ein neues Gerät her. Bei der Software sind diese Spannen extrem kurz, sie wird meist nur für die aktuelle am Markt erhältliche Hardware aktualisiert. Dadurch werden KonsumentInnen gezwungen, sich neue Geräte anzuschaffen: z. B. beim Notebook würden viele Programme sonst nicht mehr laufen oder ein Sicherheitsrisiko bergen.
Finanziell Schwache im Nachteil
All diese recht unterschiedlichen Phänomene werden unter dem Begriff der „geplanten Obsoleszenz“ verhandelt. Zum einen ist es ein großes Problem, dass Geräte immer kürzere Lebensspannen haben – wie auch das deutsche Umweltbundesamt in einer Studie festgestellt hat. Finanziell schwache Haushalte werden verstärkt belastet, vor allem wenn Billiggeräte gekauft werden (müssen), die tendenziell kürzer halten als Markenprodukte (obwohl Preis und Marke heute kaum mehr ein Indikator für Qualität sind). Weiters können viele dieser Produkte mittlerweile nicht mehr repariert werden.
Hersteller argumentieren meist mit dem Design-Aspekt – verklebte Geräte sind schmaler als verschraubte – oder der Einsatz von speziellem Werkzeug soll KonsumentInnen davor „schützen“, selbst Schaden am Gerät anzurichten. Beides kann jedoch nur als Affront gegen konsumentInnenfreundliche Nutzungsweisen ausgelegt werden. Zudem sind Reparaturen meist recht teuer und zahlen sich selten aus, denn gleichzeitig gibt es oft schon ein ähnliches neues Produkt, das besser und vielleicht billiger als eine Reparatur ist.
Recht erfolgreiche Initiativen wehren sich jedoch gegen die Entwicklungen: iFixit ist z. B. eine mittlerweile weltweite Gemeinschaft aus professionellen wie ehrenamtlichen HelferInnen, die Anleitungen von vielen elektronischen Gadgets zur Selbstreparatur ins Netz stellen. Repaircafés sind oftmals privat oder gemeinschaftlich organisierte Treffen, bei denen jede/r KonsumentIn mit defekten Geräten vorbeikommen kann. Ehrenamtliche Fachkräfte bieten Hilfe bei der Selbsthilfe und unterstützen die KonsumentInnen bei der Reparatur. Dies kann als Form des Empowerments gesehen werden und zeigt ein gesellschaftliches Bedürfnis nach langlebigen und reparierfähigen Produkten.
Ein kritischer Blick muss auf vermeintlich neue, vor allem smarte Innovationen geworfen werden. Bei den großen Elektronikmessen werden viele dieser Geräte vorgestellt, insbesondere Haushaltsgeräte werden „intelligent“: z. B. Kühlschränke mit integriertem Tablet und Innenkamera, wodurch man von unterwegs in den Kühlschrank sehen kann und weiß, was drin ist.
Risiken
Kritisch hinterfragt werden sollte, ob diese Geräte einen echten Mehrwert haben und den Alltag erleichtern. Unter Umständen machen sie den Alltag nämlich noch komplexer, von der großen Datenschutzfrage ganz abgesehen. Weiters bergen gerade solche Geräte durch den Einsatz neuer Technologien das Risiko, dass die Produkte noch schneller veralten als bisher, vor allem auch wegen der wartungsintensiven Software.
Schon jetzt zeigen Studien wie beispielsweise vom deutschen Umweltbundesamt, dass die Nutzungsdauer bei vielen Produkten wie Fernseher oder Kühlschränke in den letzten Jahrzehnten zurückgegangen ist. Mit smarten Geräten könnte sich diese noch um ein Vielfaches verkürzen – so wurden etwa laut AK-Studie gewöhnliche Tastenhandys im Schnitt 3,7 Jahre genutzt, während Smartphones nur 1,8 Jahre verwendet werden. Diese Konsumrealitäten und Trends belasten Umwelt, Haushaltsbudgets und auch die Gesellschaft. Bei Modeprodukten ist es oft wichtig, das neueste Ding zu besitzen, um nicht exkludiert zu werden. Vor allem junge Menschen, die auf der Suche nach ihrer Identität sind, sind diesem Risiko besonders ausgesetzt. Diese Entwicklungen können damit auch die soziale Ungleichheit verstärken.
Gefordert sind zum einen Hersteller: Sie müssen langlebige und reparierfähige Produkte konstruieren – und sollen mitbedenken, dass smart nicht immer smart ist. Ein EU-Ziel ist es etwa, Energiefresser zu reduzieren. Die Ökodesign-Richtlinie auf EU-Ebene geht in die richtige Richtung, vor allem, wenn diese jetzt im Rahmen des Kreislaufwirtschaftspakets neu unter die Lupe genommen wird. In diesem Rahmen wird auch die Verlängerung von Gewährleistungsfrist und Beweislastumkehr angestrebt – eine langjährige Forderung der AK.
Reparaturen attraktiver machen
Einen anderen Vorstoß wagte Schweden: Anfang 2017 wurde der Mehrwertsteuersatz auf Reparaturen halbiert. Gleichzeitig werden mittels einer „Chemiesteuer“ Haushaltsgeräte höher besteuert. Es ist ein interessanter Ansatz, jedoch muss noch an vielen anderen Schrauben gedreht werden. Reparieren muss (design-)technisch möglich und für KonsumentInnen zugleich ökonomisch reizvoll werden. Zudem müssen Produkte so gestaltet sein, dass sie langfristig attraktiv sind und nicht aus der Mode geraten.
Ausgrenzungsgefahr
Auf einer gesellschaftlichen Ebene muss über Werte verhandelt werden: Was sagt es über eine Gesellschaft aus, bei dem der Besitz bestimmter Güter über soziale Zugehörigkeit entscheidet? Einen nicht zu unterschätzenden Anteil an Verantwortung trägt die Werbung. Werbung, die darauf abzielt, Produkte immer frühzeitiger auszutauschen, weil sonst die Gefahr der Exklusion droht, sollte eingeschränkt werden. Zugleich bräuchte es eine Regulierung, die sinnlose und umweltschädliche Produkte überhaupt nicht auf dem Markt zulässt. Wer muss wirklich das Wasser in der Dusche per Handy-App steuern oder benötigt eine smarte Bürste, die den Druck analysiert? Politisch müssten hier Grenzen gesetzt werden.
Nina Tröger
Konsumforscherin der Abteilung für Konsumentenpolitik der AK Wien
Dieser Artikel erschien in der Ausgabe Arbeit&Wirtschaft 1/17.
Schreiben Sie Ihre Meinung an den Autor
nina.troeger@akwien.at
die Redaktion
aw@oegb.at