Investitionen entscheiden über Österreichs Zukunft
Langfristig betrachtet wächst die Wirtschaft in Österreich. Doch das passiert nicht linear. Die Studie des Economica Institut für Wirtschaftsforschung hat vor allem die Finanzkrise im Jahr 2008 und die Corona-Pandemie als Bruchstellen ausgemacht. Vor allem von der zweiten Krise hat sich das Land noch nicht erholt. Es sei unklar, in welche Richtung sich die Wirtschaft entwickle, erklärt Helmut Berrer, Vorstandsmitglied bei Economica und Studienautor. Das BIP sei abgeflacht.
Umso wichtiger sei also, dass die Regierung mit einer zukunftsorientierten Wirtschaftspolitik die Trendwende einleitet. „Es besteht die dringende Notwendigkeit, mit wirtschaftspolitischen Maßnahmen die Produktivität in unserem Land zu erhöhen. Und dafür ist eine moderne, leistungsfähige Infrastruktur die Voraussetzung“, betonen Reinhold Binder (Bundesvorsitzender der Gewerkschaft PRO-GE) und Barbara Teiber (Bundesvorsitzende der GPA) in einer Presseaussendung.
Genau das erwartet auch Berrer: „Aufgrund des tendenziellen Rückgangs der Wirtschaftsdynamik und der gegenwärtigen konjunkturellen Lage ist Handlungsbedarf gegeben, um den Wirtschafts- und Industriestandort Österreich anzukurbeln, und am Arbeitsmarkt positive Impulse zu setzen.“ So könne die Regierung kurzfristig Arbeitsplätze schaffen und langfristig die Produktivität im Land erhöhen.
In diese Infrastruktur muss Österreich investieren
Um mit dieser Strategie tatsächlich die gewünschten Erfolge zu erzielen, benötigt die Regierung eine umfassende und zielgerichtete Investitionsstrategie. Diese muss sich am Zustand der Infrastruktur und am zukünftigen Bedarf orientieren. Denn wo, wenn nicht in die Infrastruktur sollte die Regierung investieren. Economica hat in ihrer Studie analysiert, in welchen Bereichen entsprechende Investitionen nötig sind und den meisten Sinn ergeben.
Dafür hat das Institut die Infrastruktur in Österreich mit der in anderen Ländern verglichen und dabei folgende Frage beantwortet: Was ist die Infrastruktur pro Kopf wert und wie viel Geld müsste Österreich investieren, um im Spitzenfeld zu liegen? Oder anders ausgedrückt: Wie hoch ist der sogenannte „Kapitalstock“? Dahinter steckt die simple Annahme, dass eine moderne und gut ausgebaute Infrastruktur (ein hoher Kapitalstock) auch das Produktionspotenzial hochhält, was wiederum zu mehr Wohlstand führen kann. Konkret heißt das: Gut ausgebaute Schienen und Straßen sorgen für einen effizienteren Transport von Gütern und eine schnelle Internetverbindung beschleunigt die Digitalisierung. Die gute Nachricht: Österreichs Infrastruktur zählt zu den besten Europas und liegt im europäischen Vergleich auf Platz vier (hinter der Schweiz, Norwegen, Luxemburg und Schweden). Die schlechte Nachricht: Es besteht Modernisierungsbedarf. Denn Österreichs Infrastruktur verliert zunehmend an Vorsprung.
Besonders auffällig ist das im Energiebereich. Hier ist der Kapitalstock in den letzten 23 Jahren kaum gewachsen. Das bedeutet, dass der Wert der Infrastruktur in diesem Bereich stagniert. Und das, obwohl alle Länder der Europäischen Union gerade an einer Energiewende arbeiten. Um auf die gleichen Pro-Kopf-Investitionen wie Spitzenreiter Schweden zu kommen, müsste Österreich 43 Milliarden Euro investieren. Economica sieht in der Verfügbarkeit von nachhaltiger Energie ein strategischen Vorteil für den Industrie- und Wirtschaftsstandort Österreich. Doch das Gegenteil ist der Fall. Die Energieimporte sind seit dem Jahr 2000 um 27 Prozent gestiegen. Um dieser Entwicklung entgegenzuwirken, müsste Österreich die Produktion, Leitung und Speicherung erneuerbarer Energien ankurbeln und die dazugehörige Infrastruktur digitalisieren.
Investitionen in Telekommunikation und Verkehr
Gemessen am Kapitalstock pro Kopf liegt Österreich im Bereich Telekommunikation europaweit an der Spitze. Allerdings gibt es hier zwei Herausforderungen. Zum einen ist der Investitionsbedarf aufgrund der zunehmenden Digitalisierung besonders hoch. Um international wettbewerbsfähig zu bleiben, muss die Infrastruktur im Bereich des Hochleistungsbreitbandes und der digitalen Infrastruktur ausgebaut werden. Zum anderen haben andere Länder in den letzten Jahren deutlich mehr in diesen Bereich investiert. Schweden, Finnland, Dänemark und Irland haben zum Teil deutlich aufgeholt.
In die Verkehrsinfrastruktur investiert Österreich laut Economica jährlich rund 4,2 Milliarden Euro. Nur Schweden steht hier besser da. Um aufzuholen, müsste Österreich etwa 5,6 Milliarden Euro zusätzlich investieren. Wichtig wäre in diesem Bereich, Investitionen strategisch zu koordinieren, um die Effizienz zu steigern. Es muss ein Plan entwickelt werden, um die Anbindung Österreichs (Luft, Schiene, Wasser) zu sichern und auszubauen – und das im Kontext der Verkehrswende.
Gewerkschaften fordern intelligente Investitionen
Die Gewerkschaften betonen allerdings, dass die Aufträge für alle Investitionen vor Ort vergeben werden müssen. „Regionale Wertschöpfung, soziale und ökologische Kriterien müssen in diesen Bereichen künftig mehr berücksichtigt werden. Ansonsten fördern wir weiterhin mit Steuergeld die Produktion in Drittstaaten, mit oftmals schlechteren Arbeitsbedingungen und geringeren ökologischen Standards“, so Binder und Teiber.
Von einer umfassenden und nachhaltigen Investitionsstrategie ist Österreich derzeit aber weit entfernt. „Wir vermissen die Seriosität in der Diskussion. Der aktuelle Unterbietungswettkampf zwischen einzelnen Parteien, etwa bei den Senkungen der Körperschaftssteuer oder bei den Arbeitgeberbeiträgen zu den Lohnnebenkosten, hat mit einer ernsthaften Strategie, die unseren Wirtschaftsstandort nachhaltig sichert, nichts zu tun“, meinen Binder und Teiber. Die Qualität der Infrastruktur sei aber ein wesentliches Kriterium für Standortentscheidungen und private Investitionen.
Industriepolitik erlebt ein Comeback – und zwar im großen Stil. Wie sie heute im Zeichen der Nachhaltigkeit aussehen muss, erklärt Michael Soder (@ecolomist), Ökonom in der @arbeiterkammer Wien, in seinem Kommentar. 👇https://t.co/6qrSla7N0C
— Arbeit&Wirtschaft Magazin (@AundWMagazin) August 20, 2024
Dazu gehörten auch Investitionen in Aus- und Weiterbildung. Wie diese für Zukunftssicherheit sorgen können, zeige etwa die Metall- und Elektrobranche, so Binder. „In den Kollektivvertragsabschlüssen wurde eine Qualifizierungsoffensive vereinbart. In den nächsten Jahren können mehrere tausend angelernte Arbeitnehmer:innen, die bereits jetzt in den Betrieben arbeiten, eine Fachausbildung nachholen.“
Gleichzeitig will Binder aber nicht nur die Betriebe in die Pflicht nehmen. Angesichts der sinkenden Zahl an Ausbildungsbetrieben müsse der Staat eine neue Form der Finanzierung schaffen, etwa durch einen Ausbildungsfonds. „Wir müssen für Unternehmen mehr Anreize setzen, Lehrlinge auszubilden. Darum sollen jene Betriebe, die keine Lehrlinge ausbilden, obwohl sie es könnten, in einen Ausbildungsfonds einzahlen. Aus diesem Fonds werden dann die Betriebe gefördert, die Lehrlinge ausbilden.“
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