Arbeitsminister Martin Kocher (ÖVP) stieß außerdem eine Diskussion rund um gekürzte Sozialstaatsleistungen für Teilzeitarbeitende an, ruderte kurz darauf aber zurück und wollte Personen mit Betreuungspflichten und Menschen mit Einschränkungen danach nicht mehr zu dieser Gruppe hinzurechnen. „Es gibt aktuell in der Politik wieder Kürzungsfantasien, wo man überall kürzen kann und das betrifft seltsamerweise immer die Arbeitnehmer:innen“, sagt AKOÖ-Präsident Andreas Stangl zu diesen Ideen.
In den Sozialstaat investieren, nicht kürzen
Dass Kürzungen beim Sozialstaat ein Fehler wären, das zeigt die Analyse „Öffentliche Investitionen und Sozialstaat: Perspektiven der Budgetpolitik im Kontext von Energiekrise, Klimawandel und EU-Budgetregeln“ des wiiw. In der Analyse werden unterschiedliche Szenarien für die Budgetpolitik im Bereich der Investitionen bei Klima und Energie sowie bei den Gesundheits- und Sozialausgaben aufgezeigt.
Ein Sparszenario der Politik würde Steuererhöhungen bedeuten, einen eingeschränkten Spielraum bei Investitionen mit sich bringen, negative gesamtwirtschaftliche Effekte durch weniger private Investitionen inkludieren und die Verfehlung von Energie- und Klimazielen samt Kompensationszahlungen sind ebenfalls vorkalkuliert. Strafzahlungen inklusive. Investitionen hingegen würden bedeuten, dass Klima- und Energieziele erreicht würden und es dadurch zu einer Weiterentwicklung des Sozialstaates kommt, mit mehr privaten Investitionen ist ebenfalls zu rechnen oder auch, dass es einen budgetpolitischen Spielraum gibt, der genutzt werden kann.
„Es braucht einen sozialgerechten Klimaschutz und einen zukunftsfitten Sozialstaat.“
Gerade in einer Zeit mit multiplen Krisen (Corona und die Auswirkungen, Rekordinflation, Ukraine-Krieg und Klimawandel) sind Investitionen in den Sozialstaat wichtig. Die Verteilungsgerechtigkeit weltweit und auch in Österreich entwickelt sich nämlich negativ. „Die Verteilungsgerechtigkeit im Zuge der Hilfsmaßnahmen während der Corona-Pandemie ist bei der Politik alles andere als im Zentrum gestanden. Das hat dazu geführt, dass sich die Schieflagen noch weiter verschärft haben und das häufig zuungunsten der Arbeitnehmer:innen“, sagt Philipp Gerhartinger, Leiter der Abteilung Wirtschafts- und Verteilungspolitik in der Arbeiterkammer Oberösterreich.
Es braucht einen sozialgerechten Klimaschutz
und einen zukunftsfitten Sozialstaat.
Philipp Gerhartinger, Leiter der Abteilung Wirtschafts- und Verteilungspolitik
in der Arbeiterkammer Oberösterreich.
Was während der Pandemie die Politik übersah, kann zwar nicht von heute auf morgen wiedergutgemacht werden, jedoch können mit klugen Investitionen in die Bereiche Klima, Energie und Soziales Schritte in eine faire Zukunft für alle gesetzt werden. „Es braucht einen sozialgerechten Klimaschutz und einen zukunftsfitten Sozialstaat. Im Zentrum dessen muss in Zukunft die Verteilungsgerechtigkeit stehen und dafür ist die Fiskal- und Steuerpolitik zuständig“, so Gerhartinger.
In den Sozialstaat investieren
Neben einer ausreichend finanzierten und qualitativen Ganztagsbetreuung für Kleinkinder, die eine wichtige Voraussetzung ist, um die Erwerbstätigkeit von Frauen zu erhöhen, sind es Investitionen in den ökologischen Wandel, die es dringend braucht. „Hier muss die soziale Frage klar in den Mittelpunkt rücken. Der Grundstein dafür ist ein gerechtes Steuersystem. Es braucht eine Überarbeitung der Budgetregeln und die Aufnahme einer goldenen Investitionsregel, die Ausnahmen in Zukunft-Investitionen im Budget zulässt“ meint Gerhartinger.
Besonders bei der Klima- und Transformationspolitik gibt es nämlich einiges an Investitionsbedarf. Laut dem nationalen Energie- und Klimaplan herrscht für diesen Bereich bis 2030 jährlich ein Bedarf von vier Prozent der gesamten Wirtschaftsleistung Österreichs. Das entspricht einer Summe von 9,5 Milliarden Euro. Über das Jahr 2030 hinaus ist aber noch nicht klar, ob 9,5 Milliarden Euro ausreichen. „Der Investitionsbedarf in kritischen Sektoren, für Klima und Energie, ist in den kommenden Jahrzehnten umfassend zu erheben. Die Schätzungen sollten Energie-, Transport- und Agrarsektor umfassen“, sagt Ökonom Philipp Heimberger, der die Kurzanalyse des wiiw durchgeführt hat.
Kürzungen führen nicht aus Krisen, sondern in neue Krisen
Österreichs Staatsschuldenquote lag vor Corona bei 70 Prozent, stieg während der Pandemie auf 80 Prozent und liegt jetzt wieder unter 80 Prozent. Die Prognosen zeigen, dass bis zum Jahr 2026 wieder das Vorkrisenniveau erreicht wird. Und das ohne Kürzungspolitik. Hier gibt es im Wesentlichen Einigkeit unter den Expert:innen des Finanzministeriums, des Fiskalrats und Wirtschaftsforschungsinstituten. Denn: „Es ist möglich, wirtschaftlichen Erfolg mit sozialer Sicherheit und Klimaschutz zu verbinden und damit nicht das Budget in Mitleidenschaft zu ziehen. Der Schlüssel liegt hier bei umfassenden öffentlichen Investitionen“, ist Gerhartinger überzeugt.
Die Analyse des wiiw empfiehlt zu den Investitionsmaßnahmen außerdem noch eine Einrichtung eines permanenten EU-Investitionsfonds für Klima und Energie. Dieser Fonds soll jährlich Investitionen von mindestens einem Prozent der EU-Wirtschaftsleistung ermöglichen.
Im besten Sozialstaat der Welt haben alle Arbeitnehmer:innen eine Stimme. #SomussSozialstaat @franjo1markovic beschäftigt sich @AundW übrigens auch mit diesem Thema: https://t.co/d3UWAxjAS1 https://t.co/LiSiEnSp4d
— AK Österreich (@Arbeiterkammer) May 5, 2022
„Investieren in den Sozialstaat ist gleichbedeutend mit Verantwortung übernehmen und durch eine Kürzungspolitik würden sich die Schieflagen weiter verstärken“, bekräftigt Gerhartinger von der AK Oberösterreich die Ergebnisse der Analyse. Die Untersuchung des Wiener Instituts für internationale Wirtschaftsvergleiche zeigt; Wohlstand für alle ist möglich, es braucht nur die richtigen Investitionen der Politik in den Sozialstaat.