Lassen sich Arbeitsverhältnisse in einer digitalen Welt überhaupt noch regulieren?
Man muss hier noch einmal unterscheiden. Das eine sind persönliche Dienstleistungen, da kannst du zumindest relativ gut definieren, wo diese Arbeit erbracht wird. Daher kannst du etwa bei einem Essenslieferanten sagen: Wenn der in Wien radelt, dann gilt auch österreichisches Arbeitsrecht.
Das andere ist Crowdwork, also Dienstleistungen, die tatsächlich nur am Computer erbracht werden, wo es nie zu einem persönlichen Kontakt kommt. Da ist das noch einmal schwieriger. Natürlich kann man über IP-Adressen herausfinden, wo ein Kollege sitzt, der das Design gemacht, ein Programm geschrieben oder eine Übersetzung gemacht hat. Man kann auch hier den Arbeitsort definieren, aber es wird noch ein wenig ungreifbarer. Und dort sind solche Praktiken leider an der Tagesordnung, dass beispielsweise Designer über einen Wettbewerb aufgefordert werden, ihre besten Designs einzureichen, und nur der Gewinner bekommt das Geld – die anderen sind aber trotzdem gesessen. Der Kunde hat dann viele, viele Designs zur Auswahl, muss aber nur eins davon zahlen. Also die Zahlungsmodalitäten und die Zahlungsdisziplin und auch die Qualitätssicherung sind dort viel, viel schwieriger als in dem Bereich, wo physisch sichtbaren Personen persönliche Dienstleistungen vermittelt werden.
Wie kann man es regeln? Ich bin überzeugt, dass wir Plattformarbeit im weitesten Sinn nur europäisch regulieren können. Da sind wir auch mittendrin in der Diskussion um die digitale Betriebsstätte: Wo findet denn Arbeit statt, die eigentlich nur im Internet erbracht wird? Welches Arbeitsrecht gilt dort? Welches Steuerrecht gilt dort? Da ist die Diskussion auf europäischer Ebene schon recht weit gediehen und da bringen wir uns auch sehr massiv ein.
Die Grundforderung ist, dass jede Form von Arbeit – also in dem Moment, wo jemand mit seiner Arbeit sein Einkommen verdient und nicht mit der Arbeit von anderen, oder nicht weil er Zinsen aus einem Kapital bekommt – arbeitsrechtliche, sozialrechtliche und arbeitsverfassungsrechtliche Mindeststandards braucht.
Zurück zu den Jobs, die verloren gehen könnten: Wie kann man erreichen, dass die Menschen nicht auf der Straße stehen?
Erstens ist es glücklicherweise keine Entwicklung, die von jetzt auf morgen kommt. Wir haben schon ein paar Jahre Zeit dafür. Das heißt, es hilft auch die Demografie mit, sprich dass Leute aus dem Arbeitsmarkt hinauswachsen. Der zweite Punkt ist, dass wir es gerade in diesem mittleren Segment mit Menschen zu tun haben, die bildungsnah sind und zumindest Matura gemacht haben. Insofern dürfte es mit ausreichender Anstrengung nicht so schwierig sein, hier auch mit Weiterbildung oder Umschulungen etwas zu erreichen.
Allerdings muss das vorausschauend sein. Sollte zum Beispiel der Job an der Supermarktkasse verschwinden, kann man den Menschen, die dann arbeitslos werden, nicht einfach sagen: Wir brauchen nun Drohnenspezialisten und sie mögen sich umschulen lassen. So geht es nicht, sondern das muss längerfristig begleitet werden. Und es erfordert massiv die Verantwortung der Unternehmen selbst. Für mich ist es absurd, wenn Banken beispielsweise Bankfilialen zusperren, Beschäftigte dort freisetzen und gleichzeitig sagen, sie suchen aber dringend Customer-Relationship-Manager. Das ist eigentlich nichts anderes als ein Job im Vertrieb, ergänzt um Datenanalyse. So etwas kann man umschulen, da muss nicht der Staat mit großen Bildungsbudgets eingreifen.
Ich höre sehr wohl und verstehe auch, dass in manchen Bereichen der Industrie jetzt tatsächlich bestimmte Fachkräfte fehlen. Aber es liegt eben durchaus auch in der Verantwortung der Industrie und der Unternehmen selbst, dass sie über das wunderbare österreichische duale Ausbildungssystem selbst die Leute schulen, die sie brauchen, und nicht einfach nur warten, dass das Bildungssystem die notwendigen Qualifikationen ausspuckt.
Leider gibt es eine digitale Kluft – beispielsweise in Berufsschulen gibt es Aufholbedarf. Wie lässt sich dies lösen?
Ich glaube, wir brauchen auch ein bisschen Vertrauen in unsere Jugendlichen, weil sie aus ihrer Freizeit heraus unendlich viele digitale Kompetenzen mitbringen. Und die ganz Jungen, die noch unter 20-, 25-Jährigen, bringen ein höheres Verständnis für Datenschutz mit.
In den einzelnen Berufen gibt es natürlich spezialisierte digitale Kompetenzen und in großen Industriebetrieben gibt es hervorragende Lehrwerkstätten. Aber ich könnte mir vorstellen, dass im Gewerbebereich alle digitalen Kompetenzen geschult werden. Ich glaube, dass man da stärker über Ausbildungsverbünde etwas machen muss. Es gibt auch die Überlegung, ob man nicht nur duale, sondern triale Ausbildung anbietet: Berufsschule, das Unternehmen und überbetriebliche Lehrwerkstätten, wo man gemeinsam solche Techniken lernt.
Wer ist mehr unter Druck: Frauen oder Männer?
Die jetzige Phase der Digitalisierung betrifft Dienstleistungen und die Verwaltung, wo wir sehr, sehr hohe Frauenquoten haben. Frauen drohen daher stärker unter Druck zu kommen. Das ist der eine Punkt.
Der zweite Punkt sind die Qualifikationen, die bereits heute, aber noch viel mehr in der Zukunft stärker nachgefragt werden, also im weitesten Sinn Kompetenzen in der IT- und Datenanalyse. Wenn man in die berufsbildenden Schulen und Universitäten schaut, so haben wir in diesen Fächern in Österreich sowieso schon zu wenige junge Leute, und die Frauenanteile sind verschwindend gering. Das ist zwar leider auch inzwischen ein alter Hut, aber trotzdem muss man auf dieser Forderung bleiben: Wir müssen mehr dafür tun, dass wir kleine Mädchen bereits im Kindergarten für Technik interessieren.
Sonja Fercher
Dieser Artikel erschien in der Ausgabe Arbeit&Wirtschaft 5/18.
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