Interview: Von Buzzwords zum Unternehmensalltag

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In österreichischen Dienstleistungsunternehmen ist die Digitalisierung längst angekommen – wenn auch große Umbrüche Ausnahmen und eher Projekte im Versuchsstadium die Regel sind. Das hat das Forschungsinstitut FORBA in einer Studie festgestellt.
Fotos (C) Michael Mazohl

Inhalt

  1. Seite 1 - Was es für Digitalisierung braucht
  2. Seite 2 - Gläserne MitarbeiterInnen
  3. Seite 3 - Home-Office und Automatisierung
  4. Seite 4 - Entlastung als Potenzial
  5. Auf einer Seite lesen >
Künstliche Intelligenz, Robotics, Chatbots – Buzzwords wie diese sind in aller Führungsetagen Munde. Aber welche Aspekte der Digitalisierung beschäftigen Österreichs Unternehmen und ihre MitarbeiterInnen wirklich?

Gamechanger, 2nd Machine Age, Disruption. Die Erwartungen sind hoch. Die Digitalisierung steht als Synonym dafür, dass unsere Arbeits- und Wirtschaftswelt Schritt für Schritt zu Bit für Bit wird.

Für jedes Buzzword lässt sich ein Beispiel finden, das als „Showcase“ von Konferenz zu Konferenz auf Tour geht, die Seiten von Wirtschafts- und Tech-Magazinen füllt und die Herzen in Managementetagen schneller schlagen lässt. In österreichischen Dienstleistungsunternehmen ist die Digitalisierung längst angekommen – wenn auch große Umbrüche Ausnahmen und eher Projekte im Versuchsstadium die Regel sind. Das hat das Forschungsinstitut FORBA in der Studie „Entwicklungstrends digitaler Arbeit“ festgestellt.

In Interviews und Fokusgruppen mit TechnologieberaterInnen, Personalverantwortlichen, aber auch BetriebsrätInnen identifizierte das Forschungsinstitut FORBA konkrete Ausprägungen der Digitalisierung: einfacher Zugriff auf Daten und digitale Kommunikationsabläufe, ortsunabhängiges Arbeiten, digitale Arbeitsabläufe sowie automatisierte Prozesse – gestützt u. a. durch künstliche Intelligenz und maschinelles Lernen.

Wir haben mit Philip Schörpf von FORBA über die Studienergebnisse gesprochen.

Zur Person
Philip Schörpf studierte Sozioökonomie an der Wirtschaftsuniversität Wien, war von 2014 bis 2016 am Institut für Soziologie der Universität Wien beschäftigt und forscht seit 2016 bei FORBA mit den Schwerpunkten Arbeitssoziologie, virtuelle Arbeit, Crowdwork, Outsourcing, Kreativwirtschaft.
Über FORBA
Die Forschungs- und Beratungsstelle Arbeitswelt (FORBA) ist ein interdisziplinäres Forschungsinstitut mit der Spezialisierung auf Arbeitsforschung. Eingebunden in die Disziplinen Soziologie, Politikwissenschaft, Ökonomie und Wirtschaftsinformatik, betreibt FORBA Grundlagenforschung und angewandte Forschung.

Herr Schörpf, was braucht es denn ganz allgemein, damit Digitalisierung überhaupt stattfindet?

Grundsätzlich braucht es nichts Spezielles dafür, irgendwann wird das an den meisten Ecken und Enden stattfinden. Wenn die Frage aber lautet: Was braucht es, damit Digitalisierung schnell, gut oder effizient stattfindet, dann braucht es wahrscheinlich den ökonomischen Zwang, das machen zu müssen. Das ist sehr branchenspezifisch.

Wenn die Frage aber lautet: Was braucht es, damit Digitalisierung schnell, gut oder effizient stattfindet, dann braucht es wahrscheinlich den ökonomischen Zwang, das machen zu müssen.

Wir haben in unserer Studie sehr unterschiedliche Positionen gehabt, wo die Unternehmen in ihrem Umfeld stehen. In einem Krankenhaus spielt die Digitalisierung eine andere Rolle als in einem Telekommunikationsunternehmen oder in einem Softwareunternehmen. Bei Telekommunikation oder Softwareentwicklung sind ganz andere Maßstäbe angelegt: Die Konkurrenz ist sehr groß, genau wie Rationalisierungspotenziale und Effizienzsteigerungen. Wir sehen auch bei Logistikunternehmen ganz große Veränderungen in den letzten 15 bis 20 Jahren was digitale Angebote, was Digitalisierung in der Verwaltung in Unternehmen betrifft – und schlussendlich, was die Anzahl der Beschäftigten betrifft, die sind stark zurückgegangen.

Was braucht Digitalisierung abseits von ökonomischem Zwang noch?

Eine Risikobereitschaft, und es erfordert eine gewisse Investitionsrisikobereitschaft, manche Investitionen sind wahrscheinlich einigermaßen teuer.

Und was braucht es, um Digitalisierung im Sinne der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer gut zu machen?

Vor allem viel mehr Sensibilität und Wissen auf der Ebene der Betriebe. Häufig wird nicht erkannt, welche potenziellen Auswirkungen ein neues System hat, wenn es implementiert wird. 

Häufig wird nicht erkannt, welche potenziellen Auswirkungen ein neues System hat, wenn es implementiert wird.

Werden sie nicht erkannt  oder ignoriert?

Ich glaube: nicht erkannt. Ein Betriebsrat allein ist da schlichtweg überfordert. Durchblick zu haben, was eine neue Software langfristig bedeutet, was diese Software überhaupt kann und wie sie eingesetzt wird, das ist wirklich schwer.

Aus Unternehmenssicht hat Digitalisierung drei große Ziele: durch den Druck von außen eine Effizienzsteigerung, Einsparung von Lohnkosten und die Überwachung von Arbeitsschritten.

Ich würde es jetzt nicht abschließend und für jedes Unternehmen sagen, aber für unsere Studie waren das schon die wesentlichen Treiber für Unternehmen.

Inhalt

  1. Seite 1 - Was es für Digitalisierung braucht
  2. Seite 2 - Gläserne MitarbeiterInnen
  3. Seite 3 - Home-Office und Automatisierung
  4. Seite 4 - Entlastung als Potenzial
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Über den/die Autor:in

Michael Mazohl

Michael Mazohl studierte Digitale Kunst an der Universität für angewandte Kunst Wien. Im ÖGB-Verlag entwickelte er Kampagnen für die Arbeiterkammer, den ÖGB, die Gewerkschaften und andere Institutionen. Zudem arbeitete er als Journalist und Pressefotograf. Drei Jahre zeichnete er als Chefredakteur für das Magazin „Arbeit&Wirtschaft“ verantwortlich und führte das Medium in seine digitale Zukunft. Gemeinsam mit der Politikwissenschaftlerin Natascha Strobl erschien ihr Buch „Klassenkampf von oben“ im November 2022 im ÖGB-Verlag.

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