Arbeit&Wirtschaft: Sie werfen Elektrokonzernen vor, die Lebensdauer elektrischer Geräte absichtlich zu verkürzen. Sind wir Konsumtrottel, weil wir darauf reinfallen?
Sepp Eisenriegler: Der Titel des Buches soll nicht als Publikumsbeschimpfung verstanden werden. Es geht eher darum, welche Rolle Konsumentinnen und Konsumenten in diesem kapitalistischen System spielen. Eine wesentliche Rolle spielt die Werbung. Wir sind 5.000 Werbebotschaften pro Tag ausgesetzt. Sie versprechen Dinge auf emotionaler Ebene, die die Produkte niemals einhalten. Früher hat man Waschmaschinen für 30 Jahre gekauft, heute kauft man eine Waschmaschine für drei bis fünf Jahre. Das heißt: Die Lebensdauer ist um 90 Prozent reduziert worden. Das wird toleriert, weil es offensichtlich ganz normal ist. Die Werbung bestärkt uns darin mit Slogans wie „Geiz ist geil“, „Ich bin doch nicht blöd“ oder „Hau weg den Dreck“.
Früher hat man Waschmaschinen für 30 Jahre gekauft, heute kauft man eine Waschmaschine für drei bis fünf Jahre.
Werbung gab es früher auch schon …
In den 1950er-Jahren hat man die Nachfrage nicht besonders befeuern müssen, man hat sich nur von der Konkurrenz unterscheiden wollen. Man hat damals noch informiert, meistens sogar richtig mit ein wenig Augenzwinkern. Aber damals wurden noch Produkte verkauft, die die Leute wirklich gebraucht haben und aus diesem Grund haben wollten. Heute werden Produkte auf den Markt gebracht, die mit einem enormen Marketingaufwand verkauft werden.
Ich bin nicht prinzipiell gegen Kapitalismus, aber auf gesättigten Märkten ist man nur mit schlimmsten Tricks dazu in der Lage, wachsende Umsätze zu erzielen.
Ich bin nicht prinzipiell gegen Kapitalismus, aber er ist mittlerweile obsolet geworden. Auf gesättigten Märkten ist man nur mit schlimmsten Tricks dazu in der Lage, wachsende Umsätze zu erzielen.
Die Geräte sind dafür deutlich billiger geworden …
Das will ich nicht bestreiten. Aber das ist eine Preis-Lüge. Wenn man heute eine Waschmaschine für drei Jahre kauft, dann kostet die 300 Euro. Wenn man eine Waschmaschine für 20 Jahre kauft, dann kostet die 1.000 Euro. Ich kann mir in 20 Jahren also eine Waschmaschine um 1.000 Euro kaufen oder sieben Waschmaschinen um je 300 Euro. Im Endeffekt investieren Sie bei den Billigwaschmaschinen viel mehr.
Das klingt ein wenig so, als wären KonsumentInnen völlig unschuldig an der Wegwerfmentalität?
Entweder man verkauft Produkte, die niemand braucht, mit enormem Marketingaufwand oder man verkürzt die Produktlebensdauer.
Ein Mitarbeiter eines Elektronikherstellers hat Ihnen versehentlich ein Dokument zugespielt. Darin ist die geplante Lebensdauer von elektrischen Produkten festgesetzt: 1 Jahr pro 100 Euro. Eine Waschmaschine um 300 Euro würde demnach drei Jahre halten. Können Sie das aus Ihrer Praxis bestätigen?
Ja, das können wir. Das gilt nicht für jede Marke und Type, aber für die große Menge der Billigwaschmaschinen trifft das zu. Wir haben aus unserer Praxis heraus die Erfahrung gemacht, dass erst bei ca. 600 Euro die Lebensdauer im Vergleich zum Preis progressiv ansteigt.
Worin unterscheiden sich qualitativ teure Waschmaschinen von günstigen?
Es werden bessere Materialien verwendet, richtig dimensionierte Bauteile – insbesondere Stoßdämpfer und Lager. Die Verarbeitung ist solide und es gibt keinen absichtlichen Einbau von Sollbruchstellen.
Bei Billigwaschmaschinen sind zum Beispiel die Stoßdämpfer typische Sollbruchstellen. Die gesamte Wirkung der Stoßdämpfer beruht auf zwei eingefetteten Schaumstoffstreifen. Nach zwei Jahren ist das Fett weg, nach zweieinhalb Jahren ist der Schaumstoff zerbröselt und die stoßdämpfende Wirkung ist gleich null. Die Unwucht des Anschleuderns geht auf das Lager und das Lager gibt innerhalb eines halben Jahres den Geist auf. So kommt man auf die drei Jahre Haltbarkeit.
Fast alle neuen Waschmaschinen haben umweltschonende Öko-Programme. Ein Fortschritt?
Das ist der größte Blödsinn. Nur 16 Prozent der Verbraucher wählen diese Programme an. Wenn Sie das 60-Grad-Eco-Programm wählen, wird Ihre Wäsche durchschnittlich mit 30 Grad gewaschen. Da werden Sie also auch belogen. Um die Wäsche trotzdem wie bei einem 60-Grad-Programm sauber zu bekommen, wäscht die Maschine um ein bis zwei Stunden länger. Weil das so lange dauert, nutzt das kaum jemand. Wo ist hier also die Einsparung? Hersteller und Handel haben in den letzten Jahren Millionen von Waschmaschinen mit Eco-Programmen verkauft, mit dem Argument: „Wir können unseren Planeten nur durch energieeffiziente Haushaltsgeräte retten. Und außerdem erspart ihr euch was, weil die neuen Geräte weniger Strom brauchen.“ Die größte europäische Konsumentenschutzorganisation BEUC hat herausgefunden, was man sich durch die sogenannten A+++-Waschmaschinen tatsächlich erspart: weniger als 1,50 Euro pro Jahr. Also nichts.
Ein Buch kann die Welt nicht verändern. Was hoffen Sie damit zu erreichen?
Meine Hoffnung ist, die Leute ein wenig staunen zu machen ob der unseriösen Vorgangsweise von Herstellern und Elektrohändlern. In Wahrheit schafft der Elektrohandel den Herstellern an, wie lange oder wie kurz die Produkte halten sollen, die sie dann verkaufen. Natürlich gibt es viele Hersteller, die das schnelle Geld machen wollen und da mitspielen. Miele und Bosch-Siemens gehören da nicht dazu. Aber viele andere schon. Wenn Leute diesen Aha-Effekt haben, sind sie bereit für das, was ich auf politischer Ebene mache.
Und zwar?
Die Gesellschaft ist also bereit für eine Trendwende?
Genau. Den Beweis kann ich antreten. Das ist zwar immer noch ein Minderheitenprogramm, aber vor 15 Jahren bin ich auf meinen Projektkonzepten wie „Mieten statt Kaufen“ noch sitzen geblieben.
Worauf sollte man beim Einkauf achten? Bleiben wir gleich beim Beispiel Waschmaschine.
Wenn Sie eine langlebige Waschmaschine haben wollen, müssen Sie nach der Verfügbarkeit von Ersatzteilen fragen. Wenn das bei Miele 15 Jahre sind und bei Bosch-Siemens zehn Jahre, dann werde ich wahrscheinlich eher zu solchen Produkten greifen, als wenn keine Ersatzteile zur Verfügung stehen. Bei allen billigen Staubsaugern, die wir getestet haben, ist es nicht mal geplant, Ersatzteile zur Verfügung zu stellen. Es gibt einfach keine. Die sind dafür gebaut, dass sie beim ersten Defekt weggeschmissen werden.
Mit den Reparaturen ist das ja so eine Sache: Oftmals heißt es: „Das zahlt sich nicht mehr aus.“
Das ist die nächste Abzocke. Sie lassen sich auf eine Reparatur ein und dann sagt Ihnen der Servicetechniker: „Das kostet so und so viel, aber schauen Sie, da haben wir viel bessere neue Angebote.“ Weil er mit den Händlern unter einer Decke steckt. Wer im Großraum Wien etwas reparieren möchte, sucht sich am besten auf reparaturnetzwerk.at den passenden Mitgliedsbetrieb aus.
Wer im Großraum Wien etwas reparieren möchte, sucht sich am besten auf reparaturnetzwerk.at den passenden Mitgliedsbetrieb aus.
Es gibt 80 Mitgliedsbetriebe, die alle einem Ehrenkodex verpflichtet sind. Hier ist es gelungen, die wenigen weißen Schafe in ein Netzwerk zu bringen und die Herde an schwarzen Schafen draußen zu lassen.
Der Untertitel Ihres Buches lautet „… wie wir uns wehren“. Was können wir tun?
Sie können zum Beispiel die vielen Reparatur-Initiativen nutzen. In Österreich gibt es über 30 davon. Sie lernen also, selbst zu reparieren. Das ist der Hintergrund eines Reparatur-Cafés: die Ermächtigung von KonsumentInnen, sich diese alte Kulturtechnik des Reparierens wieder anzueignen.
Und wenn Sie mal einen Mixer, Fön oder Toaster aufgeschraubt haben und danach mit einem funktionierenden Gerät wieder weggehen, dann haben Sie zu dem Produkt eine ganz andere Beziehung. Da denken Sie nicht mehr daran, beim kleinsten Fehler das ganze Ding wegzuhauen.
Einerseits kämpfen Sie gegen Lobbyisten der Elektrokonzerne, andererseits gegen ein lange etabliertes Konsumverhalten. Trotzdem blicken Sie optimistisch in die Zukunft?
Ja, aus gutem Grund. Erstens werden die Wutbürger mehr, die sich über solche Machenschaften ärgern. Zweitens werden die Reparatur-Cafés immer mehr. Das ist in Wahrheit eine Graswurzel-Bewegung. Da sind mündige KonsumentInnen unterwegs, um Selbsthilfegruppen zu entwickeln.
Warum ich so optimistisch bin, hat den Grund, weil Ordnungspolitik wieder einmal zu funktionieren scheint. Abseits der großen EU-Themen ist das sehr ambitionierte Konzept der Circular Economy gut unterwegs. Wir schaffen in unserem Normungsgremium auf EU-Ebene die Grundlage, dass die Öko-Design-Richtlinie von einer Energieeffizienz-Richtlinie zu einer echten Öko-Design-Richtlinie erweitert wird. Es werden also Kriterien zur Ressourcen-Effizienz verankert.
Meinen Sie mit Ressourcen zum Beispiel seltene Erden aus Afrika?
Ja. Wir sind der größte Wirtschaftsraum der Welt, aber wie kein anderer abhängig von Rohstoffimporten. Insbesondere die kritischen Rohstoffe, von denen man weiß, sie gehen in absehbarer Zeit zur Neige, kommen aus politisch instabilen Ländern. Um Versorgungssicherheit zu stärken, wurde die Circular Economy entwickelt.
Wie wirkt diese Circular Economy?
In Schweden hat zum Beispiel die rot-grüne Regierung einen Beschluss gefasst, dass man Reparaturen im Vergleich zu Neukäufen begünstigt.
Die Mehrwertsteuer auf Reparaturen wurde von 25 auf 12 Prozent reduziert.
Reparaturen haben auch einen arbeitsmarktpolitischen Effekt …
Natürlich. Das ist auch die Idee der Schweden. Die erwarten sich eine Zunahme an Beschäftigungsmöglichkeiten, insbesondere für Flüchtlinge.
Vielleicht hat deswegen der Bundeskanzler diese Idee aufgegriffen. Warum fördern sie jetzt die Reparatur für Schuhe, Textilien und Fahrräder? Weil es viele Flüchtlinge aus Syrien oder Afghanistan gibt, die das können. Was ist schöner, als so auch noch Integrationsaufgaben zu lösen?
Wie sieht für Sie der ideale Konsument, die ideale Konsumentin aus? Haben Sie ein Wort dafür analog zum Konsumtrottel?
Er lässt sich nicht alles aufschwatzen, denkt selber und recherchiert, bevor er etwas kauft.
Klar! Intelligenter Konsument! Das ist einer, der sich nicht alles aufschwatzen lässt, der selber denkt und recherchiert, bevor er etwas kauft. Und zwar nicht nur auf der Billigplattform geizhals.at.
Wird es künftig mehr intelligente KonsumentInnen geben?
Ja, zwangsläufig. Wir haben gar keine Chance, unser Konsumverhalten so fortzuführen, weil es die Wegwerfprodukte nicht mehr geben wird. Es sind alle für eine Circular Economy, auch die Hersteller.
Es gibt keinen Weg zurück. Wir werden 2025 wieder langlebige, reparaturfreundlich konstruierte Produkte am europäischen Markt haben. Die anderen wird es nicht mehr geben.
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Reparatur- und Servicezentrum R.U.S.Z
Irene Steindl
Dieser Artikel erschien in der Ausgabe Arbeit&Wirtschaft 1/17.
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