Interview: Üble Tricks auf gesättigten Märkten

Als Sepp Eisenriegler vor 20 Jahren das ­Reparatur- und Servicezentrum R.U.S.Z in Wien gründete, war er für viele ein sympa­thischer Spinner. Heute gilt er als Kämpfer und Vorreiter für eine Trendwende in der ­Gesellschaft.
Fotos (C) Michael Mazohl

Inhalt

  1. Seite 1 - Die Wegwerfmentalität
  2. Seite 2 - Was können wir tun?
  3. Seite 3 - Circular Economy
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Wenn die günstige Waschmaschine nach drei Jahren den Geist aufgibt oder es keine Ersatzteile für den Staubsauger gibt, dann ist das kein Zufall. Kaum jemand weiß darüber so gut Bescheid wie Sepp Eisenriegler vom Reparatur- und Service-Zentrum in Wien. In seinem Buch "Konsumtrottel" deckt er die Machenschaften von Konzernen und Handel auf und gibt Tipps für KonsumentInnen. Einige hat er im Interview verraten.
Als Sepp Eisenriegler vor 20 Jahren das Reparatur- und Servicezentrum R.U.S.Z in Wien gründete, war er für viele ein sympathischer Spinner. Heute gilt er als Kämpfer und Vorreiter für eine Trendwende in der Gesellschaft. Mehr als 6.000-mal hat sich sein Buch „Konsumtrottel“ in wenigen Monaten verkauft. Die Themen sind nicht neu: eingebaute Sollbruchstellen in Elektrogeräten, manipulierende Werbebotschaften und profithungrige Konzerne. Neu ist nur die Haltung der KonsumentInnen, die sich dagegen wehren und Sepp Eisenriegler in seinem Kampf für „intelligentes Konsumieren“ begleiten.

Arbeit&Wirtschaft: Sie werfen Elektrokonzernen vor, die Lebensdauer elektrischer Geräte absichtlich zu verkürzen. Sind wir Konsumtrottel, weil wir darauf reinfallen?

Sepp Eisenriegler: Der Titel des Buches soll nicht als Publikumsbeschimpfung verstanden werden. Es geht eher darum, welche Rolle Konsumentinnen und Konsumenten in diesem kapitalistischen System spielen. Eine wesentliche Rolle spielt die Werbung. Wir sind 5.000 Werbebotschaften pro Tag ausgesetzt. Sie versprechen Dinge auf emotionaler Ebene, die die Produkte niemals einhalten. Früher hat man Waschmaschinen für 30 Jahre gekauft, heute kauft man eine Waschmaschine für drei bis fünf Jahre. Das heißt: Die Lebensdauer ist um 90 Prozent reduziert worden. Das wird toleriert, weil es offensichtlich ganz normal ist. Die Werbung bestärkt uns darin mit Slogans wie „Geiz ist geil“, „Ich bin doch nicht blöd“ oder „Hau weg den Dreck“.

Früher hat man Waschmaschinen für 30 Jahre gekauft, heute kauft man eine Waschmaschine für drei bis fünf Jahre.

Werbung gab es früher auch schon …

In den 1950er-Jahren hat man die Nachfrage nicht besonders befeuern müssen, man hat sich nur von der Konkurrenz unterscheiden wollen. Man hat damals noch informiert, meistens sogar richtig mit ein wenig Augenzwinkern. Aber damals wurden noch Produkte verkauft, die die Leute wirklich gebraucht haben und aus diesem Grund haben wollten. Heute werden Produkte auf den Markt gebracht, die mit einem enormen Marketingaufwand verkauft werden.

Ich bin nicht prinzipiell gegen Kapitalismus, aber auf gesättigten Märkten ist man nur mit schlimmsten Tricks dazu in der Lage, wachsende Umsätze zu erzielen.

Ich bin nicht prinzipiell gegen Kapitalismus, aber er ist mittlerweile obsolet geworden. Auf gesättigten Märkten ist man nur mit schlimmsten Tricks dazu in der Lage, wachsende Umsätze zu erzielen.

Die Geräte sind dafür deutlich billiger geworden …

Das will ich nicht bestreiten. Aber das ist eine Preis-Lüge. Wenn man heute eine Waschmaschine für drei Jahre kauft, dann kostet die 300 Euro. Wenn man eine Waschmaschine für 20 Jahre kauft, dann kostet die 1.000 Euro. Ich kann mir in 20 Jahren also eine Waschmaschine um 1.000 Euro kaufen oder sieben Waschmaschinen um je 300 Euro. Im Endeffekt investieren Sie bei den Billigwaschmaschinen viel mehr.

Das klingt ein wenig so, als wären KonsumentInnen völlig unschuldig an der Wegwerfmentalität?

Das Problem des gesättigten Markts:

Entweder man verkauft Produkte, die niemand braucht, mit enormem Marketingaufwand oder man verkürzt die Produktlebensdauer.

Nein, sie sind nicht unschuldig. Sie schauen nicht, was dahintersteckt. Auch aus einer gewissen Bequemlichkeit heraus. Auch die Hersteller sind nicht die bösesten in dem Spiel. Ein CEO eines internationalen Herstellers unterschreibt mit seinem Vertrag zugleich, dass er die Umsätze in den nächsten drei Jahren um 15 Prozent steigern muss. Wie soll er das machen in einem gesättigten Markt? Entweder man verkauft Produkte, die niemand braucht, mit enormem Marketingaufwand oder man verkürzt die Produktlebensdauer.

Ein Mitarbeiter eines Elektronikherstellers hat Ihnen versehentlich ein Dokument zugespielt. Darin ist die geplante Lebensdauer von elektrischen Produkten festgesetzt: 1 Jahr pro 100 Euro. Eine Waschmaschine um 300 Euro würde demnach drei Jahre halten. Können Sie das aus Ihrer Praxis bestätigen?

Ja, das können wir. Das gilt nicht für jede Marke und Type, aber für die große Menge der Billigwaschmaschinen trifft das zu. Wir haben aus unserer Praxis heraus die Erfahrung gemacht, dass erst bei ca. 600 Euro die Lebensdauer im Vergleich zum Preis progressiv ansteigt.

Worin unterscheiden sich qualitativ teure Waschmaschinen von günstigen?

Es werden bessere Materialien verwendet, richtig dimensionierte Bauteile – insbesondere Stoßdämpfer und Lager. Die Verarbeitung ist solide und es gibt keinen absichtlichen Einbau von Sollbruchstellen.

Bei Billigwaschmaschinen sind zum Beispiel die Stoßdämpfer typische Sollbruchstellen. Die gesamte Wirkung der Stoßdämpfer beruht auf zwei eingefetteten Schaumstoffstreifen. Nach zwei Jahren ist das Fett weg, nach zweieinhalb Jahren ist der Schaumstoff zerbröselt und die stoßdämpfende Wirkung ist gleich null. Die Unwucht des Anschleuderns geht auf das Lager und das Lager gibt innerhalb eines halben Jahres den Geist auf. So kommt man auf die drei Jahre Haltbarkeit.

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  1. Seite 1 - Die Wegwerfmentalität
  2. Seite 2 - Was können wir tun?
  3. Seite 3 - Circular Economy
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Über den/die Autor:in

Irene Steindl

Irene Steindl studierte Publizistik mit Schwerpunkten in Politikwissenschaft und Gender Studies an der Universität Wien. Aufgewachsen in einer Umgebung von Bleilettern und Druckmaschinen sowie sozialisiert durch die Gewerkschaftsbewegung, entwickelte sie früh eine Leidenschaft für die Arbeit&Wirtschaft. Seit 2012 ist sie als freie Journalistin tätig und gibt Schreibworkshops für Unternehmen. Von 2023 bis 2024 war sie Chefin vom Dienst bei der Arbeit&Wirtschaft.

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