Interview: „Nichts ist gottgegeben. Wir GewerkschafterInnen wissen das am besten“

Oliver Röpke im Interview
„Es fehlt uns aber die Möglichkeit, die Sanktionen gegen die Dumpingfirmen wirklich durchzusetzen. Weil viele Mitgliedstaaten sich einfach weigern, Strafen durchzusetzen.“ Röpke hätte sich mehr Kompetenzen für die neue EU-Arbeitsbehörde gewünscht.
Fotos (C) Michael Mazohl

Inhalt

  1. Seite 1 - Die Europäische Arbeitsbehörde
  2. Seite 2 - Kampf gegen Lohn- und Sozialdumping
  3. Seite 3 - Der Wirtschafts- und Sozialausschuss (EWSA)
  4. Seite 4 - Gewerkschaftsbewegung auf europäischer Ebene
  5. Seite 5 - Hart erkämpft
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Im Interview erklärt Oliver Röpke, Leiter des ÖGB-Europabüros in Brüssel, wie Lohn- und Sozialdumping in Europa beendet werden könnte, warum er eine EU-Vertragsänderung für eine gute Idee hält und was die Arbeit im EWSA mit den Angriffen auf Armin Wolf zu tun hat.
Im März 2019 wurde erstmals ein Österreicher zum Präsidenten der ArbeitnehmerInnen-Gruppe im Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss (EWSA) gewählt: Oliver Röpke, Leiter des ÖGB-Europabüros in Brüssel. Der EWSA setzt sich aus VertreterInnen von Arbeitnehmer- und Arbeitgeberorganisationen und anderen Interessenvertretern zusammen und berät die EU – er legt Stellungnahmen zu EU-Themen vor und bildet so eine Brücke zwischen den Entscheidungsorganen der EU und ihren Bürgerinnen und Bürgern. Was sagt sein neuer Vorsitzender zu aktuellen Entwicklungen?

Zur Person
Oliver Röpke ist Leiter des ÖGB-Europabüros in Brüssel, Mitglied im Vorstand des Europäischen Gewerkschaftsbundes (EGB) und Präsident der ArbeitnehmerInnen-Gruppe im Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss (EWSA).

Dietmar Meister: Das Europäische Parlament, der Rat und die Kommission haben sich im Februar darauf geeinigt, eine Europäische Arbeitsbehörde einzurichten. Was soll diese Behörde machen?

Die Europäische Arbeitsbehörde soll die Kooperation und den Informationsaustausch zwischen den Mitgliedstaaten, vor allem zwischen den Arbeitsinspektoraten der Mitgliedstaaten, erleichtern.
Oliver Röpke: Sie soll die Kooperation und den Informationsaustausch zwischen den Mitgliedstaaten, vor allem zwischen den Arbeitsinspektoraten der Mitgliedstaaten, erleichtern. Zum Beispiel bei gemeinsamen, grenzüberschreitenden Inspektionen von ungarischen und österreichischen Arbeitsinspektoraten, die so gemeinsam Baustellen und andere Arbeitsplätze kontrollieren können. Positiv ist weiters, dass auch die nationalen Sozialpartner die Arbeitsbehörde anregen können, sich bestimmter Fälle anzunehmen.

Das heißt: Wenn nationale Sozialpartner oder Gewerkschaften sehen: Da läuft etwas falsch, zum Beispiel im Bereich Lohn- und Sozialdumping, dann können sie diese Infos an die Arbeitsbehörde übermitteln und die Arbeitsbehörde auffordern tätig zu werden. Dennoch ist diese Arbeitsbehörde ein politischer Kompromiss zwischen den Mitgliedstaaten, die mehr europäische Kompetenzen wollten, und jenen, die weniger wollten – und Ländern wie Österreich, wo sich die Regierung überhaupt dagegen ausgesprochen hatte. Die Behörde ist also ein erster Schritt in die richtige Richtung, aber lange nicht das, was wir – der ÖGB und die europäischen Gewerkschaften – uns eigentlich gewünscht hatten.

Die Behörde ist ein erster Schritt in die richtige Richtung, aber lange nicht das, was wir – der ÖGB und die europäischen Gewerkschaften – uns eigentlich gewünscht hatten.

Was hättet ihr euch gewünscht?

Auf jeden Fall hätten wir uns mehr Kompetenzen für die Arbeitsbehörde gewünscht. Und wir hätten uns gewünscht, dass sie dort ansetzt, wo es am meisten krankt: bei der grenzüberschreitenden Durchsetzung von Ansprüchen und Sanktionen. In Österreich haben wir europaweit die beste Gesetzgebung gegen Lohn- und Sozialdumping. Wir haben auch Kontrollen in vielen Bereichen und stellen auch Verstöße fest – zum Beispiel bei grenzüberschreitenden Entsendungen.

Die Ergebnisse sind erschreckend: So betreiben in der Baubranche mehr als 50 Prozent der Entsendefirmen Lohndumping und zahlen nicht die kollektivvertraglichen Löhne. Es fehlt uns aber die Möglichkeit, die Sanktionen gegen die Dumpingfirmen wirklich durchzusetzen. Weil viele Mitgliedstaaten sich einfach weigern, Strafen durchzusetzen.

Es fehlt die Möglichkeit, die Sanktionen gegen Dumpingfirmen wirklich durchzusetzen.

Ganz besonders hervorzuheben ist hier Ungarn. Dort werden die entsendenden Firmen, gegen die Strafen verhängt wurden, in aller Regel nicht belangt. Diese Betrügerfirmen können also Leute um ihren KV-Lohn bringen, und es bleibt für sie folgenlos. Zum Vergleich: Wenn du eine Parkstrafe in München oder Brüssel kassierst, dann hast du die nach wenigen Wochen bei dir daheim in Österreich. Das funktioniert grenzüberschreitend. Aber im Bereich von Arbeitsrechten und Arbeitnehmerrechten funktioniert es nicht. Und da hätten wir uns gewünscht, dass die Arbeitsbehörde diese Kernkompetenz bekommt. Aber das ist leider nicht der Fall – noch nicht.

Inhalt

  1. Seite 1 - Die Europäische Arbeitsbehörde
  2. Seite 2 - Kampf gegen Lohn- und Sozialdumping
  3. Seite 3 - Der Wirtschafts- und Sozialausschuss (EWSA)
  4. Seite 4 - Gewerkschaftsbewegung auf europäischer Ebene
  5. Seite 5 - Hart erkämpft
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Über den/die Autor:in

Dietmar Meister

Dietmar Meister ist Chef vom Dienst in der Kommunikationsabteilung des Österreichischen Gewerkschaftsbundes. Der gebürtige Südtiroler lebt seit 15 Jahren in Wien, wo er Journalismus und Politikwissenschaft studiert und mehrere Jahre als freier Journalist und Redakteur gearbeitet hat.

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