Dietmar Meister: Das Europäische Parlament, der Rat und die Kommission haben sich im Februar darauf geeinigt, eine Europäische Arbeitsbehörde einzurichten. Was soll diese Behörde machen?
Das heißt: Wenn nationale Sozialpartner oder Gewerkschaften sehen: Da läuft etwas falsch, zum Beispiel im Bereich Lohn- und Sozialdumping, dann können sie diese Infos an die Arbeitsbehörde übermitteln und die Arbeitsbehörde auffordern tätig zu werden. Dennoch ist diese Arbeitsbehörde ein politischer Kompromiss zwischen den Mitgliedstaaten, die mehr europäische Kompetenzen wollten, und jenen, die weniger wollten – und Ländern wie Österreich, wo sich die Regierung überhaupt dagegen ausgesprochen hatte. Die Behörde ist also ein erster Schritt in die richtige Richtung, aber lange nicht das, was wir – der ÖGB und die europäischen Gewerkschaften – uns eigentlich gewünscht hatten.
Die Behörde ist ein erster Schritt in die richtige Richtung, aber lange nicht das, was wir – der ÖGB und die europäischen Gewerkschaften – uns eigentlich gewünscht hatten.
Was hättet ihr euch gewünscht?
Auf jeden Fall hätten wir uns mehr Kompetenzen für die Arbeitsbehörde gewünscht. Und wir hätten uns gewünscht, dass sie dort ansetzt, wo es am meisten krankt: bei der grenzüberschreitenden Durchsetzung von Ansprüchen und Sanktionen. In Österreich haben wir europaweit die beste Gesetzgebung gegen Lohn- und Sozialdumping. Wir haben auch Kontrollen in vielen Bereichen und stellen auch Verstöße fest – zum Beispiel bei grenzüberschreitenden Entsendungen.
Die Ergebnisse sind erschreckend: So betreiben in der Baubranche mehr als 50 Prozent der Entsendefirmen Lohndumping und zahlen nicht die kollektivvertraglichen Löhne. Es fehlt uns aber die Möglichkeit, die Sanktionen gegen die Dumpingfirmen wirklich durchzusetzen. Weil viele Mitgliedstaaten sich einfach weigern, Strafen durchzusetzen.
Es fehlt die Möglichkeit, die Sanktionen gegen Dumpingfirmen wirklich durchzusetzen.
Ganz besonders hervorzuheben ist hier Ungarn. Dort werden die entsendenden Firmen, gegen die Strafen verhängt wurden, in aller Regel nicht belangt. Diese Betrügerfirmen können also Leute um ihren KV-Lohn bringen, und es bleibt für sie folgenlos. Zum Vergleich: Wenn du eine Parkstrafe in München oder Brüssel kassierst, dann hast du die nach wenigen Wochen bei dir daheim in Österreich. Das funktioniert grenzüberschreitend. Aber im Bereich von Arbeitsrechten und Arbeitnehmerrechten funktioniert es nicht. Und da hätten wir uns gewünscht, dass die Arbeitsbehörde diese Kernkompetenz bekommt. Aber das ist leider nicht der Fall – noch nicht.