Arbeit&Wirtschaft: Die Herbstlohnrunde hat begonnen. Steht uns dieses Mal ein hartes Ringen bevor?
Bernhard Achitz: KV-Verhandlungen sind immer ein hartes Ringen und können immer in Arbeitskämpfe münden. Bei den Verhandlungen der Metaller hat es auch in den letzten Jahren immer wieder Betriebsversammlungen gegeben, die manchmal länger gedauert haben. Und es hat auch andere Aktionen gegeben. Das ist überhaupt nichts Untypisches, sondern gehört dazu.
Untypisch für Österreich ist aber, wenn Aktivitäten über die betriebliche Ebene und sogar über die Branchenebene hinausgehen. Also wenn wegen gesetzlichen Vorhaben, die zum Nachteil der ArbeitnehmerInnen sind, gewerkschaftliche Aktionen gesetzt werden.
Da gibt es eine gewisse Wechselwirkung: Wenn sich Gesetze, die nicht auf Sozialpartnereinigung beruhen, massiv auf die ArbeitnehmerInnen negativ auswirken, dann müssen wir sie auf kollektivvertraglicher Ebene wieder einfangen und reparieren.
Welches Mandat hat die Gewerkschaft, gegen ein beschlossenes Gesetz zu kämpfen? Ist das nicht ein Missbrauch der KV-Verhandlungen?
Das ist vollkommen legitim, vor allem dann, wenn die Arbeitgeber, überwiegend die Industrie, das 12-Stunden-Tag-Gesetz, das sehr einseitig und zum Nachteil der ArbeitnehmerInnen ist, proaktiv verlangt haben. Dann kann man sich ohne weiteres an diese Arbeitgeber wenden mit der Forderung: Jetzt müssen wir auf der kollektivvertraglichen Ebene einen Ausgleich finden.
Das ist ein Stufenplan: Zuerst versucht man, die Gesetzwerdung von etwas zu verhindern, das für ArbeitnehmerInnen negativ ist. Wenn ein Gesetz einmal beschlossen ist, dann gilt das und man muss sich daran halten. Dann muss man dem auf anderer Ebene entgegenwirken. Da bleibt dann nur mehr die Ebene der Kollektivverträge und jene der Betriebsvereinbarungen.
Die verschiedenen gewerkschaftlichen Maßnahmen zielen nicht darauf ab, eine demokratisch gewählte Regierung zu bekämpfen. Vielmehr haben sie zum Zweck, Beschlüsse zu bekämpfen, die im Parlament gefasst wurden, deren Auswirkungen transparent zu machen und negative Folgen für die ArbeitnehmerInnen auf anderen Wegen abzufangen.
Dass man parallel dazu versucht – wie wir es mit der Initiative für ein modernes Arbeitszeitrecht tun –, eine bessere Alternative zu erarbeiten und diese dann mit öffentlichem Druck dem Gesetz gegenüberzustellen, das beschlossen wurde: Auch das ist natürlich demokratisch legitim.
Wie funktioniert eigentlich die Vorbereitung und der Meinungsaustausch mit den BetriebsrätInnen?
Das ist ganz unterschiedlich, je nachdem, um welchen Bereich es sich handelt. Bei KV-Verhandlungen auf Branchenebene macht das jede Gewerkschaft so, dass sie die Betriebsrätinnen und Betriebsräte der Branche zusammenholt und mit ihnen diskutiert, was die Forderungslandschaft ist, die dann bei den KV-Verhandlungen eingebracht wird: Welche Rahmenbedingungen liegen vor? Welchen Schluss zieht man für die Höhe der Lohnforderung daraus? Welche anderen Forderungen neben den Lohnforderungen werden noch auf Kollektivvertragsebene gestellt? Das ist an sich der normale Vorgang bei KV-Verhandlungen.
Wir haben diesmal eine KollektivvertragsverhandlerInnen-Konferenz einberufen. Der Gedanke war: Ok, wir haben uns auf der Gesetzgebungsebene nicht durchgesetzt, konnten das Gesetz nicht verhindern. Deshalb koordinieren wir jetzt, welche Ausgleichsmaßnahmen auf Kollektivvertragsebene eingebracht werden. Das hat erstmals stattgefunden und ganz gut funktioniert.
Bei Forderungen, die auf politischer Ebene erhoben werden, läuft das anders. Die gehen entweder vom ÖGB-Kongress aus, weil man Beschlüsse hat, wo alle eingebunden waren. Oder sie gehen von einem Beschluss eines Bundesvorstands oder Vorstands aus.