Aus dem Alltag eines KV-Verhandlers – Franz Georg Brantner im Interview

Inhalt

  1. Seite 1 - Der 12-Stunden-Tag ist da
  2. Seite 2 - Ringen um jeden Abschluss
  3. Seite 3 - Kapital gegen ArbeitnehmerInnen
  4. Seite 4 - No-Gos und Erpressungsversuche
  5. Auf einer Seite lesen >
Seit mehr als 20 Jahren verhandelt Franz Georg Brantner den Handelskollektivvertrag mit, inzwischen ist er gemeinsam mit Anita Palkovich von der GPA-djp hauptverantwortlich in diesem jährlichen Reigen um höhere Gehälter und bessere Rahmenbedingungen für die Beschäftigten im Handel. Arbeit & Wirtschaft bat Brantner, ein bisschen aus dem Nähkästchen zu plaudern. Was macht einen guten Verhandler bzw. eine gute Verhandlerin aus? Wie groß ist der Druck auf das KV-VerhandlerInnen-Team?

Franz Georg Brantner im Gespräch
„Es hat in meiner Erinnerung nie eine leiwande Verhandlung gegeben, wo wir nur hingegangen sind und uns etwas abgeholt haben. Wir haben eigentlich um jeden Abschluss ringen müssen.“

Wenn man sich so die schwierigen Momente anschaut: Worum geht es da genau? Um so und so viele Prozentpunkte Erhöhung der Gehälter oder um ganz andere Dinge?

Es geht in Wirklichkeit um den permanenten Gegensatz zwischen Kapital und Arbeitnehmern. 

Es geht in Wirklichkeit um den permanenten Gegensatz zwischen Kapital und Arbeitnehmern. Und da hängt es immer von verschiedenen Rahmenbedingungen ab, was gerade die Situation beeinflusst. Wir haben im Handel die Sondersituation, dass wir über Jahre mit unseren Sozialpartnern über die Reformierung unseres fast über 45 Jahre wenig veränderten Kollektivvertrags sehr, sehr viele Gespräche geführt haben. Dabei hat sich eine gewisse Kultur der Gespräche etabliert und wenn beispielsweise im Metallbereich vier, fünf Runden benötigt werden, um die Inflationsrate außer Streit zu stellen, hat das bei uns in Wirklichkeit zehn Minuten gedauert. Das heißt aber nicht, dass es in anderen Bereichen der Verhandlungen nicht auch für uns ähnlich schwer ist wie für die Kollegen im Metallbereich. Ich glaube, jeder Kollektivvertrag hat seine eigene Kultur in den Verhandlungen entwickelt. Und das hängt natürlich sehr stark von den Menschen ab, die in diesem Bereich arbeiten und den Kollektivvertrag verhandeln.

Gibt es auf der anderen Seite auch skurrile Momente, an die Sie sich erinnern können?

Es gibt schon skurrile Momente, aber ich kann jetzt nicht sagen, welcher am stärksten in Erinnerung ist. Skurril wird es dann, wenn es schon wirklich in die späte Nacht geht, auch wenn das bei uns nicht so Tradition ist wie in anderen Bereichen. Ich habe aber auch schon Nachtverhandlungen erlebt, bis drei Uhr, vier Uhr Früh. Und dann geht man raus, steigt ins Taxi, und in den Medien wird schon das Ergebnis der Verhandlungen dargestellt und da geht es oft darum, ob meine Kollegin von der GPA-djp schneller mit der Pressemeldung draußen ist als der Kollege von der Wirtschaftskammer und wer dann das idente Ergebnis wie darstellt. Und da denkt man sich dann schon oft wirklich, war ich da eigentlich dabei.

Welche Eigenschaften braucht man als guter KV-Verhandler?

Man muss Menschen gut kennen und man muss Menschen auch mögen. Und es gehört auch dazu, dass man den einen oder anderen Fehler, der einmal passiert, etwa durch sprachliche Unschärfe, nicht gleich dazu benutzt, an die Decke zu gehen, sondern dass man vielleicht auch hin und wieder Druck herausnehmen kann. Wichtige Dinge muss man deutlich und unmissverständlich fordern und betonen. Und ich glaube schon, dass auch ein gewisses Maß an Erfahrung für Frauen und Männer dazu gehört, die das machen.

Muss man auch Druck aushalten können?

Ja, der Druck ist sehr groß. Wenn ich mir am Weg zu den Verhandlungen in der Wirtschaftskammer in einem Einzelhandelsgeschäft noch etwas kaufe, denke ich mir, die Kollegin weiß grad nicht, wen sie kassiert. Ich verhandle ihren Kollektivvertrag und ich bin verantwortlich dafür, ob sie am Ende des Monats genug oder vielleicht nicht genug Geld hat, dann hat man schon eine sehr, sehr große Verantwortung. Und das ist auch belastend. Es geht bei uns um über 400.000 Kolleginnen und Kollegen.

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Über den/die Autor:in

Alexia Weiss

Alexia Weiss, geboren 1971 in Wien, Journalistin und Autorin. Germanistikstudium und Journalismusausbildung an der Universität Wien. Seit 1993 journalistisch tätig, u.a. als Redakteurin der Austria Presse Agentur. Ab 2007 freie Journalistin. Aktuell schreibt sie für das jüdische Magazin WINA sowie für gewerkschaftliche Medien wie die KOMPETENZ der GPA-djp oder die Gesunde Arbeit. 2022 erschien ihr bisher letztes Buch "Zerschlagt das Schulsystem ... und baut es neu!" (Verlag Kremayr & Scheriau).

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