Chancengleichheit ist auch an den Unis bis heute Thema. Der Bologna-Prozess hat die Universitäten zudem stark verschult, die Jagd auf Credit Points, die sogenannten ECTS, steht im Vordergrund. Hat sich dieses System bewährt oder bräuchte es da eine Kehrtwende?
Der Bologna-Prozess hat die Vergleichbarkeit stark erhöht und auch in der Vermittlung zumindest Standards gesetzt hat, auf die sich Studierende darauf verlassen können, dass sie die einfordern dürfen – das ist ein Vorteil. Andererseits ist viel an Diskursmöglichkeiten, an Wahlmöglichkeiten ausgeschlossen worden. Das fehlt der Lehre und das fehlt auch den Universitäten. Aber insgesamt ist das größte Problem, das die österreichischen Universitäten im Moment haben, der Betreuungsschlüssel. Es braucht mehr Lehrpersonal. Derzeit wird versucht, bei den Nachwuchslehrenden so viel wie möglich rauszupressen und einzusparen, um sich die höheren Ebenen personell leisten zu können. Das geht nicht. Da braucht es einen Paradigmenwechsel, da braucht es eine bessere finanzielle Ausstattung der Universitäten.
Derzeit wird versucht, bei den Nachwuchslehrenden so viel wie möglich rauszupressen und einzusparen, um sich die höheren Ebenen personell leisten zu können. Das geht nicht.
Stichwort Betreuungsschlüssel: Inzwischen gibt es in immer mehr Studienrichtungen Aufnahmeprüfungen mit dem Versprechen, dass es dann für die Studierenden, die einen Platz bekommen, eine gute Betreuung gibt. Stellen aber nicht diese Aufnahmeverfahren wieder eine massive Barriere dar und verschlechtern die Chancengleichheit beim Zugang zu höherer Bildung?
Ja. Und der Zugang ist auch nicht fächerspezifisch. Ich kann immer standardisierte Tests überall einziehen, tatsächlich ist aber entscheidend, sowohl beispielsweise in der Rechtswissenschaft als auch in der Medizin, mit welcher Haltung junge Menschen in dieses Studium eintreten. Ich finde, man braucht nicht so zu tun, als ob persönliche Wertehaltungen und auch Ansprüche irrelevant wären für den Medizinberuf oder für die juristische Karriere. Das spielt aber keine Rolle. Und insofern halte ich diese ganzen standardisierten Verfahren für nicht besonders aussagekräftig. Eher muss man wirklich darauf achten, dass ausreichend Studienplätze zur Verfügung stehen und dass ausreichend Personal zur Verfügung steht.
Wir brauchen die akademisch ausgebildeten Menschen. Es ist nicht so, dass das ins Blaue hinein gewünscht wäre, sondern wir haben hier in Österreich einen massiven Aufholbedarf. Eher müsste man sich Gedanken machen, wie man längerfristig in den nächsten zehn, zwanzig Jahren gedenkt, in verschiedenen Sparten den Anteil von Akademiker:innen anzuheben und wieviel Geld man dafür in die Hand nehmen muss. Natürlich ist das ein Thema, das die Universitäten nicht alleine lösen können, aber sie können hier Stichwort- und Impulsgeberinnen für die Politik sein und da vermisse ich ihre Initiativen.