Wobei es ja heute auch durchaus sein kann, dass die Menschen zwar sonntags frei haben, aber trotzdem arbeiten.
Genau, diese Gefahr besteht. Doch da gibt es auch schon einzelne Gegenbewegungen. Es gibt ja mittlerweile Unternehmen, die abends und am Wochenende ihren Server abschalten, damit in der Freizeit nicht gearbeitet wird. Manche Menschen machen das ja auch mehr oder weniger freiwillig. Kürzlich gab es ein interessantes Interview mit dem Neurobiologen Bernd Hufnagl, der erzählte, dass Lob vom Chef das Beziehungshormon Oxytocin freisetzt und wir auch deshalb gewisse Erwartungen erfüllen. Aber dann gibt es natürlich auch noch andere Einflüsse wie etwa einen Schneeballeffekt, wenn man sieht, dass KollegInnen noch spätabends Mails verschicken.
Es wird ja sehr viel über Digitalisierung und neue Arbeitswelt geredet und geschrieben. Wo steht Österreich hier tatsächlich?
Ich denke, bei uns dominiert nach wie vor eine sehr starke Anwesenheitskultur: Wer lange am Arbeitsplatz ist, demonstriert Leistungswillen und Einsatzbereitschaft. Daher gibt es auch Vorbehalte beim Thema Homeoffice. Wir haben uns kürzlich anlässlich unserer aktuellen Studie zur Vereinbarkeit von Beruf und Familie für Männer zehn Unternehmen in männerdominierten Branchen angeschaut und wie dort mit Vereinbarkeit umgegangen wird. Oft ist es so, dass Homeoffice zwar prinzipiell möglich ist, aber dann tatsächlich nur gegen starken Widerstand durchgesetzt werden kann. Hier gibt es also noch viele Vorbehalte. Wobei auch beim Homeoffice Regelungen durchaus sinnvoll sind, um eine ausreichende Abgrenzung zwischen Erwerbsarbeit und Freizeit zu ermöglichen.
Wo Vollzeit üblich ist, dort ist es schon sehr schwierig, diese Vollzeitkultur zu durchbrechen, um zumindest phasenweise weniger zu arbeiten.
Väter gehen zwar jetzt öfter in Karenz, doch die meisten wie gesagt nur zwei Monate, und es bleibt bei der üblichen Aufteilung, dass die Frau ihre Arbeitszeit reduziert und hauptsächlich sie sich um die Kinder kümmert. Männer finden die zwei Monate mit den Kindern zwar toll, aber dann beginnen sie über die Konsequenzen nachzudenken: Wenn ich jetzt länger wegbleibe, was bedeutet das für mich am Arbeitsplatz? Es muss eine Ersatzarbeitskraft engagiert werden, mein Arbeitsplatz ist gefährdet etc.
Doch im Prinzip gelten diese Überlegungen genauso für Frauen, aber da ist das ganz selbstverständlich, dass sie diese Nachteile in Kauf nehmen. Immerhin kommt es jetzt langsam auch in männerdominierten Branchen zu einer Bewusstseinsänderung.
Wo sehen Sie noch Forschungsbedarf zum Thema Arbeitszeit?
Es gibt in Österreich leider kaum Studien zu den sozialen, persönlichen und gesundheitlichen Auswirkungen von Arbeitszeitverkürzung, also etwa zu den Auswirkungen der Kurzarbeit oder der Freizeitoption. Was ich persönlich spannend fände, wäre mehr Gewerkschaftsforschung zu machen. Dazu gibt es in Österreich kaum etwas. Interessant wäre zu erforschen, wie Entscheidungsprozesse in den Gewerkschaften ablaufen. Das System Sozialpartnerschaft etwa ist ja sehr komplex, da gäbe es sicher spannende Erkenntnisse. In anderen Ländern sehe ich auch mehr Zusammenarbeit zwischen Gewerkschaften und Wissenschaft.
Astrid Fadler
Dieser Artikel erschien in der Ausgabe Arbeit&Wirtschaft 7/17.
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