War der 12-Stunden-Tag nicht schon bisher möglich?
Es ist ja nicht so, dass es in der Vergangenheit keinen 12-Stunden-Tag gab, er war nur unter sehr engen Kriterien zulässig. Es musste entweder der Betriebsrat oder ein Arbeitsmediziner zustimmen. Jetzt unterliegt es schlicht und einfach der Bestimmung des Arbeitgebers, das abzuverlangen. Man sagt zwar, der Arbeitnehmer kann es freiwillig machen, aber die Freiwilligkeit hat ihre Grenzen, weil der Arbeitnehmer unter dem Druck des Arbeitgebers steht. Das Prinzip des Arbeitsrechts ist, dass der Arbeitnehmer geschützt werden muss, weil er der Schwächere ist. Diesen Grundsatz missachtet jedoch das Gesetz.
Was sagen Sie zu dem Argument, flexiblere Arbeitszeiten ermöglichen mehr Wahlfreiheit, etwa eine 4-Tage-Woche?
Wenn es so wäre, dass die Arbeitnehmer das Recht hätten, selbstbestimmt ihren Arbeitstag zu planen, dann bräuchte man keine gravierenden Änderungen dazu.
Abgesehen davon, dass eine 4-Tage-Woche jetzt schon möglich gewesen wäre, halte ich eine Flexibilisierungsdebatte, die dem Betroffenen nicht vollkommene Flexibilität ermöglicht, für eine Scheindebatte. Wenn es so wäre, dass die Arbeitnehmer das Recht hätten, selbstbestimmt ihren Arbeitstag zu planen, dann bräuchte man keine gravierenden Änderungen dazu. Doch bereits im alten Regime wurden der Flexibilisierung enge Grenzen gesetzt. Flexibilisierung kann auch ohne dezidierte Arbeitsanweisung des Arbeitgebers unterbunden werden.
Die Arbeitsmenge steuert schlicht und einfach den Arbeitseinsatz. Wenn mir der Chef jeden Tag einen Stoß Akten auf den Schreibtisch knallt, habe ich scheinbar „das Vergnügen“, es mir selbst einzuteilen, und dass ich so lange arbeiten muss, bis die Aufträge erledigt sind. Wenn der Arbeitgeber am nächsten Tag den Stoß erneuert und dadurch den Packen steuert, den ich abarbeiten muss, ist die „Flexibilisierung“ entlarvt. Es heißt: Gearbeitet soll dann werden, wenn die Arbeit da ist. Diese Flexibilisierung ist eine Flexibilisierung zugunsten des Arbeitgebers. Eine Flexibilisierung für Arbeitnehmer wäre es dann, wenn diese sich die Zeit unabhängig von der noch zu erledigenden Arbeitsmenge einteilen könnten.
Was erleben Sie so bei Prozessen?
Viele Arbeitgeber nehmen die Leistung entgegen, die wird deshalb erbracht, weil die Aufforderung nicht ausdrücklich, aber stillschweigend erfolgt. Aber wenn es darum geht, die Überstunden auch zu zahlen, sagen viele: „Ich habe ja nicht gesagt, dass du so viel arbeiten sollst. Ich habe dir das nicht angeschafft.“ Ich habe vor kurzem ein Urteil gelesen, wo ein Gastronom gesagt hat, dass die Arbeitszeit der Mitarbeiter den Öffnungszeiten des Lokals entspricht. Der Richter hat ins Urteil geschrieben, dass er es noch nie erlebt hat, dass in einem Restaurant die Arbeit erst mit dem Aufsperren beginnt. Der erste Gast, der hineinkommt, würde dann nur ein kaltes Essen bekommen. Man versucht, den Arbeitnehmern den schwarzen Peter für die Überstunden zuzuschieben. Das heftige Problem: Die Arbeitgeber zahlen nur den Grundvertrag, die Mehrleistung nicht. Wenn Arbeitnehmer diese einfordern, müssen sie das vor Gericht tun.