Momentan also gelingt die soziale Durchmischung?
Soziale Durchmischung ist ein nicht unproblematisches Konzept, weil es etwas unterstellt, das ich persönlich sehr problematisch finde, nämlich Bewohner in Kategorien einzuteilen: die Einkommensschwachen, die bedürftigen Alleinerzieherinnen oder die auf die Pension Zugehenden und so weiter.
In Wien wurde und wird die soziale Durchmischung traditionell durch die Mischbebauung geregelt. Im Unterschied zu vielen Städten gibt es keine eindeutigen Armenbezirke oder migrantischen Bezirke. Es gibt welche mit höherem Anteil, welche mit niedrigerem Anteil, aber letztlich kann man nicht sagen: Das ist Kreuzberg in Wien. Das gibt es nicht. Auch Ottakring oder Rudolfsheim sind nicht vergleichbar, sondern das sind ganz gemischte Gebiete. Das kommt daher, dass die unterschiedlichen Segmente des Wohnungsmarktes relativ über die Stadt gestreut sind.
Die jetzige Wohnbaupolitik verfolgt eine Bauträgertypmischung. Die Seestadt Aspern ist ein Prototyp oder auch das Nordbahngelände: Dort werden unterschiedliche Formen gefördert, vom Smart- Wohnen bis hin zu hochpreisigen, frei finanzierten Wohnungen, Wohnbaugruppen. Bei der Seestadt kann man schon sehen, dass es durchaus symbolische Grenzziehungen zwischen Baugruppen gibt. Da darf man keine Illusionen haben.
Umgekehrt gab es im Prinzip in den 1970er-Jahren gute Argumente zu sagen: Wir bauen jetzt die Per-Albin-Hansson-Siedlung, und da ziehen alle hin, die Kinder haben, weil sie Bedarf an Grünraum haben. Blöderweise sind jetzt alle alt und jetzt ändert sich das. Das ist also immer abhängig von bestimmten Vorstellungen von Stadt, von Wohnen.
In der Seestadt Aspern haben wir festgestellt, dass diese Vorstellungen auch bei den Bewohnern sehr stark variieren, auch die Erwartungen an den öffentlichen Raum und die Ausstattung. Da ist soziale Durchmischung nicht ganz simpel herzustellen. Im Prinzip müsste man sagen, die ideale Durchmischung wird ermöglicht durch die Gestaltung des öffentlichen Raums: dass es überhaupt einen gibt, dass der Individualverkehr nicht immer dominiert, dass es Zonen der Nutzung für alle möglichen Gruppen gibt.
Wie viel Gemeinsames muss eine Stadt eigentlich haben?
In der Stadt in ihrer Gesamtheit wird das überschätzt. Die Stadt braucht keine Gemeinsamkeit, die lebt durch Unterschiede. Das Interessante ist, dass gerade der öffentliche Raum extrem tolerant ist, sehr viel absorbieren kann an Unterschiedlichkeit, an Abweichung. Das macht ja Stadt lebbar. Wo eher Gemeinsamkeit gesucht wird, ist das, was man die Nachbarschaft nennt, das Grätzl. Und da ist das ein Paradox, weil die Identifikation mit den lokalen Gegebenheiten ungleich verteilt ist. Es gibt einen Teil der Bevölkerung, für die es relativ wenig relevant ist, wo sie wohnen. Jeder möchte eine gute Infrastruktur, eine gute Anbindung und dass es relativ ruhig ist. Aber im Prinzip ist es vielen egal, ob das jetzt die Grätzlidentität x oder y ist, Hauptsache, die Bedingungen stimmen. Ein Beispiel ist wie erwähnt die Seestadt: Natürlich wünschen sich viele ein Dorf oder eine dörfliche Struktur, das hat mit Bedürfnissen wie Vertrauen und Sicherheit zu tun. Aber das ist eben nur ein Teil einer Stadtvorstellung. Und meines Erachtens ist das nur für relativ wenige Personen relevant oder für weniger, als wir denken.
Spürt man Airbnb in Wien?
Sehr stark, gerade im innenstadtnahen Bereich, im zweiten Bezirk selbst in Gebieten, die nach wie vor eher als Gegenden mit Bevölkerung mit niedrigen Einkommen gelten, also alles nördlich der Rotensterngasse, Taborstraße, Heinestraße. Da gibt es sehr viele Airbnb-Wohnungen, sehr viele, die ausschließlich dafür genutzt werden – und dieser Anteil nimmt deutlich zu. Gerade der zweite Bezirk ist ein Paradebezirk für diesen Prozess. Das ist ein großes Problem und dem schaut die Stadtverwaltung noch eher zu – leider.