Momentan wird Arbeitslosen unterstellt, sie wären nicht willig zu arbeiten, deshalb müsse man den Druck auf sie erhöhen. Wie sind Ihre Erfahrungen?
Unsere Erfahrung ist eine völlig andere. Unsere Erfahrung in den sozialen Unternehmen – in den letzten 30 Jahren – ist, dass die Menschen arbeiten wollen. Sie wollen beteiligt sein, arbeiten, sie wollen sich gebraucht fühlen, ihre Kompetenzen einbringen – umso mehr, wenn sie älter werden.
Und das sind diese zwei Tatsachen, die überhaupt nicht zusammengehen, dass wir einerseits sagen, wir wollen eine höhere Erwerbsbeteiligung von älteren Menschen – und andererseits versagt der Markt total.
Als Abschreckungsbeispiel wird das Unkrautjäten genannt: Wie viel Qualifikation können die Menschen da tatsächlich einbringen?
In der Aktion 20.000 wurden in sehr breiten Beschäftigungsfeldern Jobs geschaffen, mit sehr, sehr unterschiedlichen Qualifikationsniveaus, entsprechend der Vielfalt der 20.000 Personen, die man identifiziert hat. Man muss ja auch sagen, mit der Aktion wurden nicht alle erfasst, wir sprechen in Summe von 50.000 Menschen, die älter und langzeitarbeitslos sind.
Ein ganz großes Thema ist natürlich Pflege und Betreuung, vor allem die Alltagsbetreuung von älteren Menschen oder zu pflegenden Menschen. Der zweite große Punkt ist das Thema Schulen und Kindergärten, also Kinder und der Bildungsbereich – und das hat viel mit dem Thema soziale Inklusion zu tun. Das sind so einfache Beispiele, zum Beispiel, dass Schulen am Nachmittag oft nicht offen haben, weil es kein Personal gibt. Es gibt viele Kinder, die absolut davon profitieren würden, nicht zu Hause Hausaufgaben machen zu müssen, weil dort vielleicht gar kein Raum ist, um Hausübungen zu machen. Warum also nicht Schulen am Nachmittag aufsperren, da eine Betreuung anbieten und so auch in ländlichen Regionen eine Kinderbetreuung am Nachmittag zur Verfügung stellen?
Und dann gibt es Jobs in der Grünraumbewirtschaftung, und es ist so schade, wenn man das auf Unkrautjäten reduziert. Es hätte ein Projekt in der Steiermark gegeben, wo es eine Gemeindeverordnung gibt, dass man dieses Ragweed, also das hochallergene Unkraut, beseitigen muss. Das ist an sich schon eine anspruchsvolle Tätigkeit – die in Wirklichkeit allen zugute kommt. Für einige Personen hätte das wunderbar gepasst.
Ein weiterer Einwand lautet: Warum extra Arbeitsplätze schaffen, wenn auf der anderen Seite ein Fachkräftemangel beklagt wird?
Das eine große Thema ist Bildung und Ausbildung. Da bräuchte es viel mehr Verschränkungen, denn die Diskurse über Bildung und Arbeitsmarkt laufen sehr getrennt voneinander ab. Es gibt schon im Bildungsbereich sehr viele Versäumnisse, und es ist sehr schwer, im Rahmen von arbeitsmarktpolitischen Maßnahmen das alles aufzufangen.
Der andere Punkt sind die Köche und Saisonniers. Da denke ich mir: Wir haben Zumutbarkeitsbestimmungen, die schon sehr streng sind. Über mehr Druck und engere Zumutbarkeitsbestimmungen wird dieses Matching von Fachkräften und offenen Stellen nicht gelingen. Der viel größere Hebel sind die Arbeitsbedingungen: Wenn es so schwer ist, einen bestimmten Arbeitsplatz zu besetzen, wird es Gründe dafür geben.