Wie laufen die Kollektivvertragsverhandlungen üblicherweise ab?
ES / Grundsätzlich ist jeder Kollektivvertrag und jede Kollektivvertragsverhandlung ein bisschen anders. Im Vordergrund stehen die Verhandlungstage direkt, aber die Kollektivvertragsvorbereitungen starten meistens schon ein halbes Jahr vorher.
Wir beraten mit unseren Betriebsrätinnen, welche Forderungen es geben soll und führen Umfragen durch. Wir versuchen wirklich zu schauen, was die Kollegen und Kolleginnen vor Ort wollen und brauchen. Es hat jetzt zum Beispiel von der AK Wien eine Umfrage unter dem Titel gegeben: „Wo drückt der Schuh?“ Und da sieht man klar, dass Arbeitszeit nicht unbedingt optimal im Sozialbereich gelöst ist.
Wir haben dazu gewerkschaftsübergreifende Besprechungen – an vielen Kollektivvertragsverhandlungen sind ja mehrere Gewerkschaften beteiligt.
MG / Dann steht der Fahrplan. Das heißt: Gemeinsam mit den Funktionärinnen und Funktionären erstellen wir ein Forderungsprogramm. Es wird darüber abgestimmt; sprich: Es gibt kein Forderungsprogramm, das nicht von den Funktionären abgesegnet wurde. Wir haben immer einen großen Mehrheitsbeschluss dazu.
Dann starten die Verhandlungen. Bei den meisten KVs ist es so, dass in der ersten Runde nicht gleich verhandelt wird, sondern beide Seiten ihr Programm vorstellen und Verständnisfragen diskutieren.
Wer verhandelt die Kollektivverträge aufseiten der Gewerkschaften?
ES / Wichtig bei den Verhandlungen ist, dass es unterschiedlich große Verhandlungsteams gibt. Diese bestehen aus Betriebsrätinnen und Betriebsräten.
Ich sage immer, wir sind eine Branche
von der Wiege bis zur Bahre.
Eva Scherz, KV-Verhandlerin für die GPA-djp
Im Fall der Sozialwirtschaft haben wir im kleinen Verhandlungsteam 15 Kolleginnen und Kollegen aus den Betrieben mit dabei.
Unser großes Verhandlungsteam, das dann auch die Entscheidungen trifft, umfasst circa 50 Kolleginnen und Kollegen aus den wichtigsten Betrieben.
Welchen Rückhalt gibt es aus der Bevölkerung?
ES / Ich sage immer, wir sind eine Branche „von der Wiege bis zur Bahre“. Jeder Mensch hat irgendwann einmal mit unserem Bereich zu tun.
Es ist nichts Fremdes, was eine Krankenschwester macht. Es gibt viele, die ihre Angehörigen in Betreuungs- oder Pflegeeinrichtungen haben. Es sind viele in Kinderbetreuungseinrichtungen.
Ich glaube schon, dass die Bevölkerung und die betroffenen Angehörigen auch sehen, was hier geleistet wird. Und die Arbeit in unserem Bereich ist in den vergangenen Jahren deutlich schwieriger geworden. Es hat eine enorme Arbeitsverdichtung stattgefunden, es sind die Qualitätsstandards gestiegen.
MG / Die Arbeitszeitverkürzung ist jetzt ein Thema, bei dem wir feststellen, das betrifft nicht nur die Menschen, die in der Branche arbeiten. Viele Menschen, die gar nichts damit zu tun haben, sagen: „Ja, das wäre wichtig!“ Viele Menschen in Österreich erkennen: Das sind Berufe, die nicht einfach sind, die physisch und psychisch schwer sind. Da ist auch kein Neid vorhanden. Ich habe noch mit niemandem diskutiert, der sagt: „Nein, denen vergönne ich das nicht“, sondern sie sagen: „Für die wäre es wirklich wichtig.“ Und damit sind wir auf einem guten Weg.
Wir haben eine Petition unter www.35stunden.at. Dort kann uns jede und jeder unterstützen. Wir versuchen hier so viele Unterschriften wie möglich zusammenzubekommen.
Michael Mazohl
Dieser Artikel erschien in der Ausgabe Arbeit&Wirtschaft 2/20.
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