Interview: „Die Flexibilität braucht auch Sicherheit“

Foot (C) Michael Mazohl
„Arbeitgeber haben einen geradezu unstillbaren Hunger nach Flexibilität: Arbeitskosten werden gesenkt, weil ich ArbeitnehmerInnen nur dann bezahle, wenn ich sie wirklich brauche.“

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Der Wiener Arbeits- und Sozialrechtler Martin Risak warnt vor fehlender Sicherheit bei atypischen Arbeitsverhältnissen und plädiert für einen Zusammenschluss der Betroffenen.

Arbeit&Wirtschaft: Die Regierung hat ein Programm beschlossen, mit dem Österreich zu einer Start-up-Nation werden soll. Ist das Arbeitsrecht dafür ausreichend vorbereitet?

Martin Risak: Wir müssen uns zuerst fragen, was überhaupt ein Start-up ist. Sind das etwa selbstständige Kräfte in der Pflegebranche, die mittlerweile die schnellstwachsende Selbstständigengruppe sind? In Wahrheit sind sie gesetzlich legitimierte Scheinselbstständige und keine Start-ups. Wir müssen also definieren, was wir in Österreich entwickeln wollen: eine Start-up-, eine Selbstständigen- oder eine GründerInnenkultur. Das, wovon beispielsweise Bundeskanzler Christian Kern immer wieder spricht, ist eine innovative GründerInnenkultur à la Silicon Valley. Nun stellt sich die Frage: Wie sollen wir diese Kultur fördern? Soll etwa der Staat viel Geld zuschießen und das Risiko von Geschäftsgründungen auf sich nehmen? Damit hätten wir lediglich Staatsangestellte, die kreativ sind. Für mich ist das ein absurdes Modell: Der Staat soll alles investieren, aber keine Gewinne davon erzielen.

Bei einer ordentlichen Start-up-Diskussion müssen wir uns in erster Linie darum kümmern, dass es einerseits genug Sicherheit für Start-up-GründerInnen gibt, andererseits soll das ganze Risiko nicht auf den Staat abgewälzt werden.

In Österreich gibt es mittlerweile etliche bekannte plattformbasierte Arbeitsmodelle. Ihre Bilanz aus arbeitsrechtlicher Sicht?

Plattformbasierte Modelle funktionieren in der Regel mit Selbstständigen, oft Scheinselbstständigen unter Umgehung aller staatlichen Regulierungen: Das kann zum Beispiel das Arbeitsrecht, der Mindestlohn oder wie im Fall Uber die TaxifahrerInnenlizenz sein. Uber ist technologisch innovativ und als solches viel mehr als ein Taxivermittlungsdienst, es ist vielmehr eine komplette Transportdienstleistung. Auf manchen Märkten trug Uber sogar zu einer Regulierung bei: mit fixen Preisen, Ratings, Zahlungsabwicklung usw.

Für KundInnen sind das alles Benefits. Aber Uber ist gleichzeitig billiger als herkömmliche Taxidienste, um etwa MitbewerberInnen auf dem Markt zu verdrängen oder neue KundInnengruppen, insbesondere Jugendliche, zu gewinnen. Gleichzeitig bekommen Uber-FahrerInnen aufgrund niedrigerer Preise auch weniger Geld und haben dementsprechend keinen Mindestlohn. Das ist ein Problem.

Es ist keine Seltenheit, dass ein Uber-Fahrer sechs Tage die Woche bis zu zwölf Stunden fahren muss, um auf ein Entgelt von 1.500 Euro zu kommen. Der zweite Kritikpunkt ist: Uber versteuert nicht in Österreich, sondern in den Niederlanden.

Wie ist die Situation bei Foodora?

Bei Foodora gibt es eine Schichtarbeit, bei der sich die „Rider“ selbst zu den Schichten einteilen können. Aufgrund der Art der Arbeit in Schichten haben aber FahrerInnen während der Schicht praktisch kein Selbstbestimmungsrecht. Während Foodora-ZustellerInnen in Deutschland in der Regel angestellt sind, sind es in Österreich nur diejenigen, die seit längerer Zeit dabei sind. Die anderen werden als freie DienstnehmerInnen eingestuft, wobei einiges dafür spricht, dass diese Einordnung nicht korrekt ist. Nun haben sich diese selbst organisiert und einen Betriebsrat gegründet. Daher dürfen wir jetzt gespannt sein und schauen, wie sich die Situation bei Foodora arbeitsrechtlich weiterentwickeln wird.

Stichwort Betriebsrat: Was können Instrumente der Selbstorganisation bei atypischen Arbeitsverhältnissen bewirken?

Wenn man Teilzeit oder befristet arbeitet, ist man bereits normal beschäftigt und in der Regel durch den Betriebsrat repräsentiert. Problematisch wird es bei den bereits erwähnten Kleinselbstständigen, die vom Gesetz her keine ArbeitnehmerInnen sind. Nun haben wir eine interessante Entwicklung wie bei Foodora, dass ein Teil der Beschäftigten dort – nämlich die ArbeitnehmerInnen – einen Betriebsrat gegründet haben. Es ist nun anzunehmen, dass der Betriebsrat pragmatische Lösungen ausarbeiten wird, die nicht nur für die ArbeitnehmerInnen, sondern auch für die Kleinselbstständigen in dieser Unternehmensstruktur gelten. Schließlich haben sie alle letztlich dieselben Interessen.

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