Die Bundesregierung agiert schnell und beschließt Gesetze, ohne mit den Sozialpartnern, die die Sorgen und Ängste der Beschäftigten kennen, zu sprechen. Ist die Sozialpartnerschaft in Österreich bald passé oder zumindest gefährdet?
Gefährdet möglicherweise, wenn die Regierung sie weiterhin beharrlich ignoriert. Meine Gesprächsbasis mit den anderen Sozialpartnerpräsidenten (Harald Mahrer/WKÖ, Josef Moosbrugger/LWK und Wolfgang Katzian/ÖGB, Anm.) ist zwar eine gute, aber derzeit sind die Vertreter der Wirtschaft schwer einzuschätzen. Ich wäre jederzeit bereit, mich an den Verhandlungstisch zu setzen – die Signale der Arbeitgebervertreter diesbezüglich sind allerdings eher durchwachsen.
Stichwort Gold-Plating: Insgesamt 489 Gesetze haben IV und WKO an die Bundesregierung gemeldet, die aus Sicht der Wirtschaft in Österreich übererfüllt werden und korrigiert werden sollten. Was sagt die AK dazu?
Für die AK ist klar, dass wir in Standortfragen die Qualitätsleiter hinauf- und nicht die Preisleiter hinunterklettern wollen. Wir sind stolz, wenn österreichische Unternehmen an der Weltspitze mitmischen. Schließlich bedeutet das, dass die Beschäftigten dieser Betriebe spitze sind. Einen Standortwettbewerb, der da lautet „runter mit den Löhnen, runter mit den Arbeitsbedingungen und nur rauf mit dem Profit“ darf es aus unserer Sicht nicht geben.
Wir wollen Gold und nicht Blech, wenn es um die Rechte der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer geht. Ich werde dafür kämpfen, dass es beim österreichischen Arbeitsrecht, das in vielen Bereichen besser ist als die EU-Mindestnormen, keinen Rückschritt gibt. Dass Arbeitnehmerinteressen, Schutzvorschriften oder Umweltstandards den Profitinteressen von Konzernen untergeordnet werden, ist für mich eigentlich indiskutabel.
Was sind die Schwerpunkte der Arbeiterkammer in den kommenden Monaten?
Die nächste Zeit ist sicher den Auswirkungen des neuen Arbeitszeitgesetzes und der Reform der Sozialversicherung gewidmet. Hier schauen wir der Regierung besonders genau auf die Finger. Auch das Thema Wohnen und die Forderung nach einem fairen neuen Mietrecht, das eine Abschaffung von Befristungen und Maklergebühren vorsieht, möchte ich weiterverfolgen.
Außerdem würde ich gerne eine breite Diskussion über Arbeitszeitverkürzung und intelligente Arbeitszeitmodelle in Gang setzen – ich halte das für ein ganz wichtiges Zukunftsthema und auch eine Frage der Verteilungsgerechtigkeit. Darüber hinaus werde ich auch in nächster Zeit möglichst viele Betriebsbesuche absolvieren. Das sind Termine, bei denen ich besonders viel lerne. Ich suche ja ganz bewusst das Gespräch mit Beschäftigten und kann mir dadurch ein klares Bild von Arbeitsbedingungen oder etwaigen Problemen machen. Bei jedem einzelnen Betriebsbesuch bin ich wirklich beeindruckt, zu sehen, welche Leistungen die Menschen täglich erbringen und mit welchem Einsatz sie – teils unter schwierigen Bedingungen – arbeiten.
Im nächsten Jahr steht die AK-Wahl an, die natürlich enorm wichtig für uns ist. Ich wünsche mir, dass möglichst viele Menschen auch von ihrem Wahlrecht Gebrauch machen und damit zeigen, dass sie hinter der AK stehen. Das ist aber mit sehr viel Vorbereitung verbunden.
Ein weiterer Schwerpunkt hängt von der Regierung ab: Sollte sie der AK den Kampf ansagen, um die Vertretung der ArbeitnehmerInnen zu schwächen, dann werden wir dem ganz entschieden entgegentreten – das wird dann sicher eine Herausforderung, die wir mit vollem Einsatz angehen müssen.
Auf welche Erfolge kann die Arbeiterkammer blicken?
Ich denke, die Erfolge der Arbeiterkammer lassen sich ganz gut in unserer Bilanz ablesen. Im Vorjahr hat die AK mehr als 500 Millionen Euro für ihre Mitglieder erstritten. Außerdem haben die AK-ExpertInnen österreichweit rund zwei Millionen Beratungen in den Bereichen Arbeit, Soziales, Insolvenz, Konsumentenschutz, Steuerrecht und Bildung durchgeführt. Ich bin sehr stolz, einem Haus vorstehen zu dürfen, in dem es dermaßen viel Know-how bei politischen Themen gibt. Im Vorjahr wurden hunderte Gesetze und Verordnungen auf Landesebene und mehr als 300 auf Bundesebene begutachtet und Stellungnahmen dazu abgegeben. So konnten auch auf dem Gesetzesweg Verbesserungen erreicht werden.
Abgesehen davon hat es die AK geschafft, dass die Berufsgruppen „Kanalarbeiter“, „Montagetischler“ und „Hilfsarbeiter in Mühlen“ in die Schwerarbeitsliste aufgenommen wurden. Stolz sind wir auch auf die Einführung der sogenannten Wiedereingliederungsteilzeit – sie ermöglicht es Beschäftigten, nach langer Krankheit schrittweise wieder in den Job zurückzukehren. Hier geht es auch darum, Kündigungen im Krankenstand bestmöglich zu vermeiden. Die Liste ließe sich jetzt noch länger fortführen, aber das sprengt vermutlich den Rahmen.
Wo gibt es Verbesserungsbedarf?
Den gibt es natürlich immer, wobei ich jemand bin, der seinen Blick vor allem auf positive Aspekte richtet. Was ich aber forcieren möchte ist, dass wir als Institution noch näher an unsere Mitglieder rücken, dass noch mehr Beschäftigte wissen, dass es uns gibt und was wir tun. Ich denke, dass jene Menschen, die von der AK wissen, vielleicht auch selbstbewusster auftreten können, wenn sie ungerecht behandelt werden, weil sie wissen, da gibt es jemanden, der steht hinter mir und kämpft für mich, wenn es sein muss.
Amela Muratovic
Freie JournalistInnen
Dieser Artikel erschien in der Ausgabe Arbeit&Wirtschaft 7/18.
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