Gemeinsam mit den Gewerkschaften und anderen Organisationen hat sich die Arbeiterkammer gegen einen 12-Stunden-Tag ausgesprochen. Nun ist dieser Realität, seit 1. September gilt das neue Arbeitszeitgesetz. Was bedeutet das für die Beschäftigten?
Wir befürchten schon, dass es zu deutlichen Verschlechterungen für die Beschäftigten kommen wird. Es wird zwar von der Arbeitgeberseite gerne betont, dass ganz bestimmt niemand das neue Gesetz ausnützen wird, aber die Realität sieht dann doch anders aus. Wir hatten bereits vor dem 1. September zahlreiche Fälle in der Beratung – teilweise mit haarsträubenden Arbeitszeitvereinbarungen. Es haben mich auch immer wieder E-Mails von ArbeitnehmerInnen erreicht, die erzählten, dass ihre Chefs ihnen schon davor verkündet haben, dass sie nun 12 Stunden arbeiten müssten und dass jeder, dem das nicht passt, gerne gehen kann.
Es gab auch Fälle, wo Vorgesetzte ganz offen gesagt haben, dass sie jetzt ein paar Mitarbeiter entlassen können, weil sie den Rest der Belegschaft länger arbeiten lassen dürfen. Es steht also zu befürchten, dass der Druck auf die Beschäftigten insgesamt steigen wird. Was wir ebenfalls noch nicht wissen ist, wie es mit den bestehenden Betriebsvereinbarungen aussehen wird. Hier wird der Druck auf die Betriebsräte enorm steigen, da viele Unternehmer es als „Wettbewerbsnachteil“ betrachten werden, wenn es einen Betriebsrat gibt, der darauf besteht, dass gesetzliche Regelungen eingehalten werden. Ich kann an ArbeitnehmerInnen wirklich nur appellieren, sich in der Arbeiterkammer beraten zu lassen. Wir werden alle Fälle sehr sorgfältig dokumentieren und die Regierung wissen lassen, was ihr Gesetz in der Praxis für Auswirklungen hat.
Gar nicht oder nicht korrekt bezahlte Überstunden zählen bereits jetzt zu den häufigsten Problemen, mit denen sich ArbeitnehmerInnen an die Arbeiterkammer wenden. Erwartet die AK durch die Gesetzesänderung nun noch mehr Überstunden-Fälle?
Ja, vor allem bei Gleitzeit und was die Zuschläge betrifft. Hier wurden schon Fälle an uns herangetragen, wo in der Gleitzeitvereinbarung explizit steht, dass Überstunden erst ab der 12. Stunde fällig werden und als Zeitausgleich konsumiert werden müssen – damit fallen die Betroffenen natürlich um ihre Zuschläge um.
Wo kann man ansetzen? Was braucht es statt einer Arbeitszeitflexibilisierung bzw. überlangen Arbeitszeiten?
Also, zuerst möchte ich festhalten, dass die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in Österreich bereits sehr flexibel sind. Und die AK ist sicher keine Gegnerin von flexiblen Arbeitszeiten, aber die Frage ist schon: auf wessen Kosten? Eine Flexibilisierung, die ausschließlich den Beschäftigten Anpassung abverlangt, kann’s ja wohl nicht sein. Flexibilisierung bedeutet auch die Möglichkeit, weniger arbeiten zu können. Extrem unflexibel sind die Arbeitgeber übrigens, was die leichtere Erreichbarkeit der 6. Urlaubswoche betrifft. Das ist insofern verwunderlich, als es ja genau an der Flexibilität der ArbeitnehmerInnen liegt, dass sie öfter den Job wechseln. Wer arbeitet denn heutzutage noch mehr als 25 Jahre im selben Betrieb?
Hier sollte auch die Arbeitgeberseite einmal im 21. Jahrhundert ankommen. Was mich an der ganzen Diskussion aber wirklich stört ist, dass es auf der Hand liegt, dass mittelfristig kein Weg an der Arbeitszeitverkürzung vorbeiführt. Die letzte gesetzliche Arbeitszeitverkürzung hatten wir 1975 – da war von Computern und Internet noch keine Rede. Da hat die Technologie natürlich enorm viel verändert, die Produktivität ist durch den Einsatz von Computern enorm gestiegen. Wir werden also über eine neue Verteilung von Arbeit und Arbeitszeit reden müssen. Stattdessen führen wir eine Diskussion über den 12-Stunden-Tag, der eigentlich ein Relikt aus dem vergangenen Jahrhundert sein sollte.
Frauen in Österreich verdienen nach wie vor weniger als Männer. Wie kann man gegen diese Lohnungleichheit vorgehen?
Da muss man an mehreren Schrauben gleichzeitig drehen. Der erste Ansatz wäre bereits in der Schule zu suchen. Mädchen sollten von Anfang an dazu motiviert werden, auch technische Berufe zu ergreifen. Es ist leider noch immer so, dass viele Niedriglohnbranchen Frauenbranchen sind. In den Kollektivverträgen selber ist zwar jedwede Lohndiskriminierung beseitigt, aber das nützt halt nicht viel, wenn in einer Branche grundsätzlich eher schlecht gezahlt wird, in der vor allem Frauen arbeiten. Da muss einfach noch mehr Bewusstseinsarbeit geleistet werden.
Ein weiterer Punkt sind verpflichtende Quoten für Führungspositionen. Es ist mittlerweile hinlänglich bewiesen, dass Frauen als Führungskräfte dazu beitragen, dass es auch für andere Frauen leichter wird, Spitzenpositionen zu erreichen und die gläserne Decke zu durchbrechen. Das führt natürlich auch zu mehr Lohngerechtigkeit.
Die Einkommensberichte sind auch so ein Schräubchen, an dem gedreht werden muss. Hier fordern wir, dass diese Berichte auch sämtliche Gehaltsbestandteile wie Zulagen oder Prämien enthalten müssen. Sie sollten auch nicht einfach einen Zustand beschreiben und dann passiert nichts mehr. Wir möchten, dass, sollte es in einem Betrieb eine weit geöffnete Lohnschere geben, auch entsprechende Gegenmaßnahmen erarbeitet werden. Ganz wichtig wäre außerdem die innerbetriebliche Transparenz – also, dass innerhalb einer Firma jede Kollegin weiß, was die Kollegen verdienen.
Welche Benachteiligungen für Frauen drohen durch das neue Arbeitszeitgesetz?
Da werden vor allem jene Frauen benachteiligt, die Kinder betreuen oder Angehörige pflegen müssen. Nur zehn Prozent der Kindergärten in Österreich haben zwölf oder mehr Stunden geöffnet. Das wird dazu führen, dass viele Frauen sich dazu entschließen – teilweise entschließen müssen –, daheim zu bleiben. Das kann sich in einer bestimmten Lebensphase auch als die goldrichtige Entscheidung erweisen. Aber jeder Frau sollte klar sein: Eine lange Absenz vom Arbeitsmarkt wirkt sich eben auch negativ auf die weitere Karriere und die Höhe der Pension aus.