Wie Gewerkschaften um Lösungen ringen

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  1. Seite 1 - Die Gewerkschaften im Auge des Sturms
  2. Seite 2 - Lösungen in der Krise
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Krisen über Krisen. Die Probleme scheinen überwältigend. Im Interview erklärt Barbara Teiber, die Vorsitzende der GPA, an welchen Lösungen die Gewerkschaften gerade arbeiten.

Interviewfoto von Barbara Teiber
„Mittelfristig kämpfen wir für eine weitere Arbeitszeitverkürzung“, erklärt Barbara Teiber im Interview. | © Michael Mazohl
Im Nachgang der Verhandlungen der Metaller wurde gesagt, sie seien Schwerstarbeit gewesen. Inwiefern?

Ja, es war diesmal für das Verhandlungsteam eine große Herausforderung. Einerseits ist die Inflation hoch und ein  Wirtschaftseinbruch wird in Aussicht gestellt. Andererseits wollten die Arbeitgeber die Spielregeln der KV-Verhandlungen verändern, etwa was die herangezogene Inflationsrate oder Einmalzahlungen betrifft. Das war stärker spürbar als in den Verhandlungen der Jahre davor.

Gleichzeitig stehen viele Branchen vor einem extremen Personalmangel, explizit auch in den Gesundheits- und Pflegeberufen. Was bedeutet das bei den KV- Verhandlungen? Wo muss neben der Priorität auf das Gehalt noch hingeschaut werden?

Mittelfristig kämpfen wir für eine weitere Arbeitszeitverkürzung. Ein zentrales Element ist jedoch auch die Arbeitszeitqualität. Denn was mir auffällt ist, dass immer mehr Arbeitnehmer:innen in Bereichen wo es um Dienstpläne geht, wie im Gesundheits- und Sozialbereich oder im Handel, sprichwörtlichen den Hut draufhauen, weil sie keine Planungssicherheit in ihrem Leben mehr haben. Sie müssen immer wieder kurzfristig zu Diensten einspringen.

Daher braucht es neben dem Verteuern eines solchen Einspringens, einen Personalpuffer. Und es muss der Beruf für junge Menschen, also Berufseinsteiger:innen, attraktiviert werden. Denn sonst passiert es, dass noch mehr Leute die betroffenen Branchen verlassen, und die Spirale sich immer weiter nach unten dreht.  Zusätzlich nehme ich bei jungen Arbeitnehmer:innen ganz generell den Wunsch war, dass ihnen Vorgesetzte wirklich mit Respekt und auf Augenhöhe begegnen. Dass man ernstgenommen wird. Sie sind durchaus selbstbewusst und das ist auch gut so.

Umso wichtiger wäre es also, wenn die seitens der Politik getätigten Reformansagen auch tatsächlich umgesetzt werden. Dass gehandelt wird, aber nicht auf den letzten Drücker. So ist etwa bei der im Frühjahr angekündigten Pflegereform noch immer sehr viel unklar. Das verunsichert die Beschäftigten weiter. Noch mehr Verunsicherte, brauchen wir gerade jetzt am wenigsten. Kurz gesagt: Wir wünschen uns mehr Seriosität, mehr Priorisierung, mehr Geschwindigkeit, damit die Dinge, die angekündigt werden, auch gescheit auf den Boden gebracht werden.

Wenn man sich das Budget für diese Bereiche ansieht. Wie nachhaltig werden die Maßnahmen aus der Finanzierungsperspektive sein? Kommt mehr Seriosität herein?

Es gibt jetzt einmal mehr Geld, aber es ist zu wenig. Besonders dramatisch ist das aus unserer Sicht bei der Elementarpädagogik, wo nur Mogelpackungen auf den Tisch gelegt werden, wie etwa die von Minister Polaschek angekündigte Kindergartenmilliarde. Denn wenn der Minister in diesem Bereich die Ausgaben der nächsten 20 Jahre zusammenrechnet, um auf eine Milliarde zu kommen, dann kann man das nicht mehr ernst nehmen. Gerade in diesem Bereich fehlt viel Geld, um nicht nur den Kindergartenbereich auszubauen, sondern ihn auch dauerhaft zu finanzieren und abzusichern.

Es finden immer wieder Betriebsversammlungen statt. Wie ist bei diesen die generelle Stimmung?

Der Zuspruch der Beschäftigten ist ein großer. Es gibt eine hohe Erwartungshaltung, aber auch die Bereitschaft bei gewerkschaftlichen Aktionen mitzumachen. Und das stärkt uns natürlich bei den Kollektivvertragsverhandlungen den Rücken. Je mehr Mitglieder und Unterstützer wir haben, desto stärker können wir in den Verhandlungen auftreten. Denn bei den Verhandlungen geht es ja nicht um den Austausch von guten Argumenten, sondern um die Verhandlungsmacht der Gewerkschaften. Dafür ist eine gute gewerkschaftliche Organisierung ganz zentral.

Im Gespräch mit Betriebrät:innen aus dem Gesundheitsbereich wird ihrerseits immer wieder die Frage gestellt, wie viel Wert eigentlich der Gesellschaft und der Politik die Arbeit am Menschen noch ist. Aus ihrer Sicht ist sie der Gesellschaft momentan nicht besonders viel wert. Wie sehen Sie das?

Sie haben recht. Ich glaube nur, dass wir als Gewerkschaftsbewegung und die Kolleg:innen vor Ort, in den letzten Jahren schon viel dazu beigetragen haben, dass der Öffentlichkeit bewusster geworden ist, wie viel Wert die Arbeit im Gesundheits- und Sozialbereich hat. Besonders mit Corona hat sich im Gesundheits- und Sozialbereich sowie im Handel so etwas wie ein neues Selbstbewusstsein etabliert. Und wir haben in der breiten Bevölkerung mehr Zustimmung denn je dafür, dass die Kolleg:innen, die in diesen Branchen arbeiten, höhere Gehälter und bessere Arbeitsbedingungen verdient haben. Aus meiner Sicht ist das eine gute Basis, um die auch Politik für diesen Weg zu gewinnen.

Die GPA vertritt auch jene Branche, die Nachrichten nicht nur macht, sondern in der letzten Zeit selbst die mediale Aufmerksamkeit auf sich gelenkt hat – die Journalist:innen. Sie haben in einer Aussendung die Einstellung der Wiener Zeitung, stark kritisiert und als schweren Fehler bezeichnet. Weshalb?

Wir haben in Österreich leider schon ein sehr beschränktes Angebot an Qualitätsmedien. Zusätzlich noch mit der offensichtlichen Verhaberung von Medienvertreter:innen und der Politik, ist jedes Qualitätsmedium, das verschwindet ein Schaden für die Pluralität und die Demokratie. Denn Meinungsfreiheit muss ja irgendwo stattfinden. Wir sehen, dass es in der Wiener Zeitung noch eine Redaktion gibt, wo Recherche möglich ist. In anderen Medien ist in den Redaktionen so viel eingespart worden, dass etwa Recherchenrechecks für Journalist:innen zeitlich kaum noch möglich sind. Insofern ist es tragisch, dass die Republik die älteste Tageszeitung der Welt aufgibt, obwohl ja noch immer einiges an Geld fließt. Man hätte mit diesem Geld auch Konzepte entwickeln können, die den Weiterbestand des Printmediums ermöglicht hätten.

Dann sind wir wieder beim Ausgangspunkt, der Demokratie. Wohin entwickelt sich Österreich? Kein guter Zeitpunkt, jetzt eine Zeitung zu schließen.

Dafür ist immer ein schlechter Zeitpunkt. Es gäbe so viel Wichtiges zu berichten. Alleine wenn wir uns die zunehmende Zahl an Fake News ansehen, mit denen die Bevölkerung konfrontiert ist. In einer Zeit, in der vermehrt unrecherchierte Geschichten herumschwirren, Meinungsmache betrieben und bewusst gesteuert wird sowie einzelne Medien von Superreichen besessen werden, die letztendlich auch ihre eigenen Interessen damit verfolgen, ist es natürlich eine doppelte Tragödie, wenn ein Medium wie die Wiener Zeitung eingestellt werden soll.  Vor allem dann, wenn der Eigentümer die Republik ist und die schwarzgrüne Regierung die Pläne von schwarzblau einfach fortschreibt. Ja, das ist bedenklich.

Danke für das Gespräch.

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Über den/die Autor:in

Eva Winterer

Eva Winterer ist Kommunikationsstrategin und war von 2022 bis 2023 Chefin vom Dienst der Arbeit&Wirtschaft.

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