Interview: Auch Gewerkschaften müssen global denken

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  1. Seite 1 - Internationale Gewerkschaftsarbeit
  2. Seite 2 - Internationale Projekte
  3. Seite 3 - Auswirkungen der Globalisierung
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Sophia Reisecker leitet die internationale Abteilung der GPA-djp. Im Interview mit Arbeit&Wirtschaft schildert sie die aktuellen Herausforderungen und fordert einen europäischen Rahmen für internationale Sorgfaltspflicht.

Wie sieht die Situation in China aus?

In China gibt es Gewerkschaften, die aber sehr eng mit dem Staat zusammenarbeiten und sicherlich nicht eins zu eins mit dem vergleichbar sind, was wir als Gewerkschaften verstehen. Aber einen einheitlichen Gewerkschaftsbegriff gibt es nicht einmal innerhalb von Europa. Die Gewerkschaften aus China sind allerdings nicht in die internationalen Gewerkschaftsverbände miteingebunden.

Wie kann eine internationale Unterstützung für verfolgte Gewerkschaften und GewerkschafterInnen aussehen?

ILO steht für „International Labour Organization“, also eine internationale Arbeitsorganisation.
Es hat kürzlich eine Konferenz der ILO stattgefunden, das ist eine internationale Arbeitsorganisation (Anm.: International Labour Organization), die zur UNO gehört. Es gibt eine Reihe von ILO-Kernarbeitsnormen, die auch das Recht, sich zu organisieren, festschreiben, und die ILO beobachtet Jahr für Jahr, ob gegen diese Kernarbeitsnormen verstoßen wird. Da gibt es sehr ausführliche Berichte mit einem Rating, wie gewerkschaftsfeindlich oder -freundlich einzelne Länder sind. Diese Veröffentlichungen kann man wiederum verwenden, um Druck aufzubauen.

Bei der letzten ILO-Konferenz im Juni 2019 ist es den Gewerkschaften übrigens gelungen, eine neue Norm einzuführen. Diese schreibt den Schutz vor Gewalt am Arbeitsplatz vor. Nun sind die einzelnen Staaten und die Unternehmen gefordert, Maßnahmen zur Bekämpfung und Verhinderung von Gewalt und Belästigung zu setzen.

Ein Instrument, das insbesondere für die nächste EU-Kommissionsperiode diskutiert wird, sind Handelsabkommen der Europäischen Union mit anderen Staaten. Hier soll, wenn es nach den Gewerkschaften geht, Arbeitsrecht aufgenommen werden. Wird dieses in einem Staat verletzt, wäre das dann sanktionierbar. Das wäre ein großer Fortschritt.

Wirtschaftsmärkte sind heute grundsätzlich nicht abgeschlossen. Die Globalisierung hat auch Auswirkungen auf den Arbeitsmarkt. In Europa werden billig in Indien oder Pakistan produzierte Textilien verkauft. Müssen sich Gewerkschaften auch in anderen Ländern einbringen und welche Möglichkeiten gibt es da?

Natürlich sind national immer die Gewerkschaften zuständig, die auch dort sind. Da arbeiten wir sehr stark mit internationalen Gewerkschaftsdachverbänden zusammen. In der Textilbranche sind das zwei: zum einen die UNI Global Union, die unter anderem den Handelsbereich organisiert, und zum anderen die IndustriALL, die die Industrie organisiert. In diesen Verbänden gibt es auch Netzwerke. Diese versuchen GewerkschafterInnen aus den verschiedenen Ländern zusammenzubringen, den Austausch zu ermöglichen, damit man erfährt, wie die Arbeitsbedingungen in den anderen Ländern sind, wo Probleme liegen, aber auch um gemeinsam Strategien und Kampagnen zu entwickeln.

Gerade in der Textilbranche sind in den vergangenen Jahren auch einige Erfolge gelungen. So wurden Unternehmen angeklagt und mussten empfindliche Strafen zahlen und in weiterer Folge auch die Arbeitsbedingungen verbessern.

Etwas, was wir auch anstreben, ist ein europäischer Rahmen für internationale Sorgfaltspflicht.

Etwas, was wir auch anstreben, ist ein europäischer Rahmen für internationale Sorgfaltspflicht. Es gibt seit einigen Jahren in Frankreich ein Gesetz über die Sorgfaltspflicht von französischen Konzernen. Wenn ein französischer Konzern in anderen Ländern aktiv ist, ist er verpflichtet, eine Risikoabschätzung zu machen für das kommende Jahr, ob

(C) Michael Mazohl

entlang der Wertschöpfungskette, der Auftragskette Gefahren bestehen, wie zum Beispiel desolate Gebäude. Und wenn es zu einem Arbeitsunfall oder zu einem Verstoß gegen Rechte in einem Land kommt, dann kann ein französischer Konzern auch vor einem französischen Gericht zur Verantwortung gezogen werden.

Das bedeutet zum einen, dass die Strafen höher sind als beispielsweise in Pakistan, zum anderen aber bedeutet es, dass es eine andere Öffentlichkeit bekommt und dieser Konzern dann viel mehr im Kreuzfeuer der Medien steht, was auch KonsumentInnenkritik nach sich zieht. Ein solches Gesetz wäre auch auf europäischer Ebene wünschenswert.

Von
Alexia Weiss

Dieser Artikel erschien in der Ausgabe Arbeit&Wirtschaft 6/19.

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Über den/die Autor:in

Alexia Weiss

Alexia Weiss, geboren 1971 in Wien, Journalistin und Autorin. Germanistikstudium und Journalismusausbildung an der Universität Wien. Seit 1993 journalistisch tätig, u.a. als Redakteurin der Austria Presse Agentur. Ab 2007 freie Journalistin. Aktuell schreibt sie für das jüdische Magazin WINA sowie für gewerkschaftliche Medien wie die KOMPETENZ der GPA-djp oder die Gesunde Arbeit. 2022 erschien ihr bisher letztes Buch "Zerschlagt das Schulsystem ... und baut es neu!" (Verlag Kremayr & Scheriau).

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