Im Untergrund

Foto (C) Hilscher, Albert / ÖNB-Bildarchiv / picturedesk.com

Inhalt

  1. Seite 1 - Aufstieg der zentralen sozialdemokratisch orientierten Gewerkschaftsorganisation
  2. Seite 2 - Widerstand und Wiederaufbau
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Als eine mächtige Gewerkschaftsorganisation gezwungen war, aus dem Untergrund gegen Austrofaschismus und Nationalsozialismus Widerstand zu leisten.
Im Jahr 1892 schlug in Österreich endlich die Stunde der Gewerkschaften. Nach vielen anfänglichen Gehversuchen wurde erstmals in der Geschichte der Monarchie eine zentrale sozialdemokratisch orientierte Gewerkschaftsorganisation gegründet. Nach dem Ende des Ersten Weltkriegs und Zusammenbruch der Habsburgermonarchie erlebte die Gewerkschaftsbewegung einen rasanten Aufstieg.

Bedeutende Erfolge

Zu Beginn der Republik spielten die Organisationen eine wesentliche sozialpolitische Rolle, denn sie konnten mit der Durchsetzung von Arbeitszeitbegrenzung, Sozialversicherung und der Einführung von Betriebsräten und Arbeiterschutz bedeutende Erfolge erzielen. Mit 1.079.777 Mitgliedern verzeichneten die Freien Gewerkschaften im Jahr 1921 zudem einen Rekordstand – eine derartig hohe Mitgliederzahl erreichte erst 1947 der Österreichische Gewerkschaftsbund wieder. 1928 wurden alle sozialdemokratisch orientierten Gewerkschaften im „Bund freier Gewerkschaften“ zusammengefasst. Organisiert wurde der Verband nach dem Industriegruppenprinzip – insgesamt gab es 38 Gewerkschaften und sieben lokale Gewerkschaften, die etwa 655.000 Mitglieder umfassten.

Als Gegenbewegung zu den sozialdemokratischen Freien Gewerkschaften wurden 1928 in Leoben die „unabhängigen“ oder „gelben“ Gewerkschaften gegründet, die der christlich-konservativen Heimwehr nahestanden. Da die gelben Gewerkschaften auf Arbeitskämpfe wie Streiks verzichteten, wurden sie von österreichischen Großunternehmen wie beispielsweise der „Oesterreichischen-Alpinen Montangesellschaft“ unterstützt. Neben den beiden dominierenden Gewerkschaften existierten zudem noch kleinere Gewerkschaftsverbände wie jene Organisationen der Deutschnationalen, die „Rote Gewerkschaftsopposition“ der Kommunistischen Partei Österreichs und die NSBO – die nationalsozialistischen Betriebszellenorganisationen – der Nationalsozialisten.

In den Untergrund

Im Zuge der Februarkämpfe 1934 wurden nicht nur die sozialdemokratische Partei, sondern alle sozialdemokratischen Gewerkschaften und deren Arbeiterorganisationen verboten und aufgelöst. Somit war die Opposition völlig ausgeschaltet und der Weg zur offiziellen Errichtung des austrofaschistischen Regimes geebnet. Statt dem Bund freier Gewerkschaften wurde der „Gewerkschaftsbund der österreichischen Arbeiter und Angestellten“ geschaffen, eine öffentlich-rechtliche und staatsnahe Einheitsgewerkschaft, die autoritär geführt wurde und das gesamte konfiszierte Vermögen der Freien Gewerkschaften erhielt. Sie galt als „Feigenblatt der Diktatur gegenüber der Arbeiterschaft“.

Illegale Führung

Die sozialistischen Freigewerkschafter verstanden es jedoch, sich im Untergrund zu organisieren und richteten in Betrieben sogenannte „Gewerkschaftszellen“ ein. Diese waren vorerst auf sich selbst gestellt, bevor am 18. Februar 1934 Mitglieder der freien Gewerkschaften im Wiener Gemeindebezirk Hernals das „Siebenerkomitee“ gründeten. Das sogenannte SK galt als illegale Führung der sozialistischen Arbeiterbewegung.

Weitere Gewerkschaftsgruppen im Untergrund waren die kommunistische „Wiederaufbaukommission“ sowie die „Illegale freie Angestelltengewerkschaft“ (FRAGÖ). Letztere wurde im September 1934 von den ehemaligen Gewerkschaften der Industrie, des Handels, der Versicherungen, Banken und Gemeindebediensteten gegründet. Ein Jahr später vereinigten sich die drei Organisationen zum illegalen „Bund der freien Gewerkschaften“.

In Brünn wurde eine internationale Verbindungsstelle eingerichtet und in der Tschechoslowakei fanden Konferenzen in regelmäßigen Abständen statt. Innerhalb der illegalen Gewerkschaften gab es allerdings ein ständiges Streitthema: die Position zu den regierungstreuen Gewerkschaftsorganisationen.

Es wurde lange eine Mitarbeit bei diesen diskutiert, um so die Interessen der ArbeitnehmerInnen vertreten zu können. Gegenstimmen warnten davor, dass dies wiederum zur Festigung des Regimes beitragen könnte.

Das SK beispielsweise übte anfangs sehr zurückhaltend Kritik gegenüber dem Regime und man überlegte zeitweise sogar, am austrofaschistischen Staat mitzuwirken. Es dauerte einige Jahre, bis das SK alle staatlichen Institutionen boykottierte. Die FRAGÖ und vor allem die Wiederaufbaukommission hingegen wollten das System so weit wie möglich infiltrieren. Diese Taktik des „Trojanischen Pferds“ war erfolgreich. Der sozialistische Widerstand gegen das Dollfuß-Schuschnigg-Regime legte die Basis für den Widerstand gegen das NS-Regime. Mit dem Einmarsch der Nationalsozialisten in Österreich im März 1938 wurde die Situation für die illegalen und staatlichen Gewerkschaften deutlich verschärft.

Der austrofaschistische „Gewerkschaftsbund“ wurde aufgelöst, die Mitglieder in die „Deutsche Arbeitsfront“, eine gemeinsame Organisation der ArbeitnehmerInnen und Arbeitgeber, eingegliedert. Eine Verhaftungswelle erschütterte das Land, nicht nur die Führer des Austrofaschismus, Kleriker und Juden und Jüdinnen, sondern auch alle bekannten Funktionäre der illegalen Freien Gewerkschaften und der illegalen Revolutionären Sozialisten wurden verhaftet, sofern sie nicht rechtzeitig flüchten oder untertauchen konnten.

Das Zentralkomitee der „Revolutionären Sozialisten“ gab im März 1938 die Weisung, alle Aktivitäten für drei Monate zu unterlassen. Die Flucht und Auswanderung belasteter Funktionä­rInnen, die Verhaftung vieler SozialistInnen sowie die Einstellung der Aktivitäten führten zu einem Zusammenbruch und Niedergang der Organisation.

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Widerstand

ArbeiterInnen, ehemalige SozialdemokratInnen, Revolutionäre SozialistInnen und GewerkschafterInnen, die sich im Widerstand aktiv engagieren wollten, schlossen sich mangels eigener Organisation den KommunistInnen an.

Die Verfolgungen und das Abreißen der Verbindungen zum sozialdemokratischen Exil nach dem Kriegsausbruch 1939 ließen den sozialistischen Widerstand in einzelne Gruppen zerfallen, die voneinander isoliert waren.

In den Haftanstalten der Nazis sowie im Untergrund verschmolzen die bis dahin verfeindeten sozialdemokratischen und konservativen Gewerkschafte­rInnen im gemeinsamen Kampf gegen die Nationalsozialisten. In den Konzentrationslagern trafen Funktionäre der Einheitsgewerkschaft auf jene des illegalen Bundes Freier Gewerkschaften. Der gemeinsame Widerstand gegen die Nationalsozialisten legte den Grundstein für die Schaffung einer einheitlichen und überparteilichen, demokratischen Gewerkschaftsorganisation nach dem Krieg. Sozialdemokratische, kommunistische und christlicher GewerkschafterInnen gründeten am 15. April 1945, elf Tage vor der Kapitulation der deutschen Wehrmacht, den Österreichischen Gewerkschaftsbund.

Wiederaufbau

Das von den Nazis beschlagnahmte Vermögen der Freien Gewerkschaften wurde an die Fraktion Sozialistischer Gewerkschafter zurückgestellt.

Nach dem Krieg unterstützte der ÖGB die unter Armut und Hunger stark leidende Bevölkerung mit Verteilaktionen von Lebensmitteln und Kleidung. Schulen und Jugendfürsorgestellen wurden errichtet und neuer Wohnraum geschaffen.

Der ÖGB fand jedoch schnell in das sozialpolitische Tagesgeschehen zurück: Das größte Vermächtnis aus der Nachkriegszeit ist das im Jahr 1947 verabschiedete Kollektivvertragsgesetz, im selben Jahr überschritten die Mitgliederzahlen des ÖGB die Millionengrenze – die österreichische Gewerkschaftsbewegung hatte zu ihrer sozialpolitischen Stärke zurückgefunden.

Von
Maja Nizamov
Freie Journalistin

Dieser Artikel erschien in der Ausgabe Arbeit&Wirtschaft 9/18.

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aw@oegb.at

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