Wenn nun aber jemand erwerbsarbeitslos wird, sammelt er oder sie zwar auch während der Arbeitslosigkeit Pensionsmonate und damit Teilpensionsgutschriften für das Pensionskonto. Allerdings sind diese dann um fast ein Drittel niedriger als zuvor. Bei rund 500.000 Menschen, die zu Beginn der Pandemie erwerbsarbeitslos wurden, ist das doch für eine sehr große Gruppe von Betroffenen relevant.
Bei den einen mehr, bei anderen weniger
Erik Türk von der Abteilung für Sozialpolitik der AK Wien beruhigt hier aber: Wer nur wenige Monate arbeitslos war, wird bei der Pension kaum etwas spüren. Auch für jene, die 2020 und 2021 länger ohne Beschäftigung waren, wird diese Krise nur einen leichten Knick am Pensionskonto hinterlassen. „Problematisch wird es allerdings, wenn die Langzeitarbeitslosigkeit steigt“, gibt er zu bedenken. Daher gelte es, hier in der Arbeitsmarktpolitik massiv gegenzusteuern. Vor allem gehe es hier um die Gruppe der schlecht und niedrig Qualifizierten sowie um Jüngere, die sich derzeit beim Berufseinstieg schwertun.
Als „Segen“ habe sich das Modell der Kurzarbeit in der Corona-Krise erwiesen, betont Ursula Janesch. Einerseits hätten Menschen so ihre Arbeit behalten können, andererseits sind die Gutschriften auf ihren Pensionskonten dadurch gleich hoch geblieben. Für die Berechnung der jährlichen Teilpensionsgutschrift wird nämlich das Entgelt vor Beginn der Kurzarbeit herangezogen.
Warum es die Frauen trifft
Die Krise zeigte aber auch einen Schwachpunkt: Es waren eher die Frauen, die erwerbsarbeitslos wurden. Denn es waren gerade frauendominierte Branchen, wie die Gastronomie, die Hotellerie, der Bereich der persönlichen Dienstleistungen und der Einzelhandel, die besonders von den Lockdowns getroffen wurden, so Janesch. Da Frauen im Schnitt immer noch weit niedrigere Pensionen als Männer beziehen, macht sich hier jede verringerte Gutschrift auf das Pensionskonto bemerkbar – auch dadurch, dass sich der Pension Gap zwischen Frauen und Männern noch eine Spur langsamer verringert.
2020 fiel der „Equal Pension Day“ auf den 30. Juli: Bis zu diesem Tag hatten Männer bereits so viel Pension erhalten wie Frauen bis Ende des ganzen Jahres, so Janesch. 2020 lagen die Pensionen neuer Pensionsbezieher*innen zwar auch durchschnittlich höher als die der bestehenden Pensionist*innen, was grundsätzlich positiv ist. Allerdings erhielten Männer, die in diesem Jahr ihren Ruhestand antraten, laut Jahresbericht 2020 der Pensionsversicherungsanstalt im Schnitt 2.588,77 Euro an Alterspension, Frauen dagegen nur 1.457,35 Euro. Die durchschnittliche Pensionshöhe von Frauen, die neu in Pension gingen, betrug damit nur 56 Prozent jener der Männer – im Jahr davor waren es noch 60 Prozent gewesen.
Doch Türk warnt davor, sich hier nur einzelne Jahre anzusehen. Der Abfall 2020 sei etwa durch die kurzfristige Wiedereinführung der Abschlagsfreiheit bei der sogenannten Hacklerpension zu erklären, von der fast ausschließlich Männer profitierten. Im langjährigen Vergleich zeige sich, dass der Abstand zwischen den Geschlechtern kleiner werde – wenngleich zu langsam. Als richtig habe sich erwiesen, die Angleichung des Frauenpensions-Antrittsalters an jenes der Männer nur schrittweise vorzunehmen – und auch erst ab 2024: „Diese Übergangsphase hat zusätzlich positive Effekte auf die Höhe der Frauenpensionen.“
Verteilungskämpfe
Insgesamt plädiert der AK-Experte dafür, „unser Pensionskontosystem, das auch den Jüngeren – ganz anders als etwa in Deutschland – eine immer noch sehr gute Absicherung bietet, gegen Angriffe vehement zu verteidigen“. Ja, es werde Verteilungskämpfe geben, da sich nach Ende der Corona-Krise die Frage stellen werde, wer die Kosten der Pandemie zu tragen habe. „Forderungen, mit Sparpaketen gegenzusteuern, werden wieder lauter werden.“ Gerade das sei aber ein Fehler gewesen, den man europaweit relativ bald nach der Finanzkrise gemacht habe. „Der Preis war eine lang anhaltende Stagnation mit hohen sozialen und wirtschaftlichen Kosten“, so Türk.
Der gestiegenen Staatsverschuldung solle jedenfalls nicht mit Kürzungen im Sozialstaat begegnet werden. Es brauche vielmehr ambitionierte Investitionen in die (soziale) Infrastruktur und den Klimaschutz sowie eine aktive Arbeitsmarktpolitik. „Pensionsansprüche herunterzuschrauben oder das Pensionsalter hinaufzusetzen, das wäre jedenfalls eine schlechte Politik und nicht eine Folge der Krise“, betont Experte Türk. Gerade durch die Corona-Pandemie sei vielen Menschen bewusst geworden, „wie wichtig ein gut funktionierendes Sozialsystem ist“.
Dieses gelte es daher vehement zu verteidigen. Und wenn der Anteil der Älteren künftig um rund 60 Prozent steige, „dann werden wir es uns wohl auch leisten können, das eine oder andere Prozent des Bruttoinlandsprodukts mehr für Pensionen, Pflege und Gesundheit auszugeben“. Und: „Das als unfinanzierbar darzustellen ist ja geradezu absurd“, meint Türk.