Es war das Jahr 2014, als die rechte Organisation Pegida die Montagsdemonstrationen in Dresden für sich umdeutete. Zu den Selbstbeschwörungen, dass man „das Volk“ sei, gesellte sich recht bald ein anderer Begriff: die „Lügenpresse“, die falsch über die Proteste berichte.
Aus dem 19. Jahrhundert
Neu ist der Schmähbegriff Lügenpresse ebenso wenig wie die bewusste Verbreitung von Falschmeldungen. Letztere gehört zum klassischen Repertoire der Freiheitlichen Partei, schon ihr verstorbener Parteichef Jörg Haider und sein Team arbeiteten bewusst mit unvollständigen oder gar falschen Informationen. Der Begriff selbst hat eine lange Geschichte, die keineswegs nur mit dem Nationalsozialismus verknüpft ist. Die deutsche Kommunikationswissenschafterin Irene Neverla hält fest: Das Wort gehört „seit dem 19. Jahrhundert zum Arsenal der politischen Rhetorik. Als politische und propagandistische Kampfvokabel wechselte ‚Lügenpresse’ mehrfach die Seiten zwischen den politischen Lagern – mal links, dann rechts – und überlebte unterschiedliche Machtkonstellationen.“ Im Wintersemester 2016/17 machte sich Neverla gemeinsam mit ihrem Kollegen Volker Lilienthal an der Universität Hamburg im Rahmen einer Ringvorlesung auf die Spuren der Lügenpresse und des Erfolgs dieses Begriffs. In einem Sammelband mit dem Titel „Lügenpresse. Anatomie eines politischen Kampfbegriffs“ sind verschiedene Beiträge zusammengeführt.
Pauschale Unterstellungen
Zunächst tut eine Definition des Begriffs not, Neverla schreibt dazu: „‚Lügenpresse‘ unterstellt pauschal, dass ‚die Presse‘, ‚die‘ Redaktionen, ‚die‘ Journalisten lügen, das heißt Tatsachen verschweigen, verfälschen, sie falsch oder unvollständig darstellen, in einen irreführenden Kontext setzten, und all dies gezielt und absichtsvoll.“ Der Vorwurf an „Mainstream-Medien“, unausgewogen zu berichten, wird keineswegs nur von RechtspopulistInnen erhoben, vielmehr ist Medienkritik in einer demokratischen Gesellschaft geradezu eine Notwendigkeit. Die Schmähung von Medien fällt wohl deshalb auf fruchtbaren Boden, weil Medien schon seit Längerem in der Tat in der Krise sind, sowohl in einer wirtschaftlichen, als auch was ihre Glaubwürdigkeit betrifft. Es ist eine wirklich paradoxe Situation, denn in der Unübersichtlichkeit der heutigen Medienwelt bräuchte es umso mehr eine professionelle Einordnung, wie sie der Job von JournalistInnen ist.