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Wie viel ist zu viel?

Überstunden bringen Geld und puschen die Karriere. Doch wer häufig länger als 40 Stunden arbeitet, riskiert unter Umständen seine Gesundheit.

Standpunkt: Menschen, keine Zitronen

Standpunkt: Menschen, keine Zitronen

Sonja Fercher
Chefredakteurin
Arbeit & Wirtschaft
r war damals dabei, als vor mehr als 40 Jahren die Arbeitszeit von 45 auf 40 Stunden gesenkt wurde. Heinz Dürr ist gelernter Bau- und Konstruktionsschlosser und war Sekretär der Arbeitergewerkschaft. Für ihn war die Arbeitszeitverkürzung Anstoß für eine Politisierung: „Die Arbeit und die Arbeitszeit waren damals für mich etwas Selbstverständliches, Unumstößliches, gleichsam Schicksalhaftes. Der kritische Umgang mit diesen ‚Selbstverständlichkeiten‘ erschütterte mein bisheriges Weltbild grundlegend. Plötzlich war Arbeitszeit enteignete Lebenszeit, Zeit der Entfremdung und gleichzeitig der Versuch der Selbstverwirklichung. Arbeitszeit war Herrschaftsinstrument und ihre Verkürzung Emanzipationsziel.“
Vorsorgen statt Nachsehen haben
Seit 1975, als die 40-Stunden-Woche schließlich umgesetzt war, hat sich viel verändert. Freilich gab es viele positive Entwicklungen, Gewerkschaften und AK haben viel dafür getan, um die Rolle der ArbeitnehmerInnen im Betrieb zu stärken. Und doch ist der Druck auf ArbeitnehmerInnen auch heute noch enorm: Verdichtung und Beschleunigung prägen viele Arbeitsverhältnisse, dazu kommen Entgrenzungsphänomene durch die neuen Technologien. Die Arbeitgeber verwenden die Arbeitslosenzahlen als Argument, um noch weitere Flexibilisierungen voranzutreiben. Wer vor diesem Hintergrund eine Arbeitszeitverkürzung fordert, kann sich da schon einmal wie eine Träumerin vorkommen. Dabei ist es dafür nicht nur allerhöchste Zeit. Es ist besser für die Beschäftigten und die Betriebe. Und es ist gut fürs Budget, nach dem Motto: Vorsorgen statt das Nachsehen haben.
Wenn die Arbeitszeiten zu lang sind – und in Österreich werden verhältnismäßig viele Überstunden geleistet –, haben nicht nur die Betroffenen das Nachsehen, sondern es kostet die SteuerzahlerInnen sehr viel Geld in Form von Gesundheitsausgaben. Dass ebenjene, die mehr Flexibilität von den Beschäftigten fordern, auch ständig gegen Frühpensionierungen wettern, ist eine eigene Logik: ArbeitnehmerInnen sollen zwar noch mehr leisten, doch wenn sie davon überfordert sind, werden sie auch noch an den Pranger gestellt. Sinnvoll ist ein solcher Zugang nicht, sinnvoll wäre vielmehr, auf Vorsorge zu setzen. Dazu gehört, dass wir uns darüber unterhalten, wie Arbeitszeiten so gestaltet werden können, dass sie Menschen nicht krank machen. Auch müssen wir uns darüber unterhalten, wie Arbeitsplätze so gestaltet sein können, dass Menschen dort vielleicht sogar gerne und vor allem bei guter Gesundheit bis zum Pensionsantrittsalter arbeiten. Momentan aber scheint das Motto vielmehr zu sein, die Menschen noch weiter auszupressen.
Arbeitszeit ist auch ein Verteilungsthema. In Österreich gibt es ein äußerst ungerechtes Ungleichgewicht zwischen den Geschlechtern: Wer Vollzeit arbeitet, muss oft sogar noch mehr (Über-)Stunden leisten – das betrifft mehrheitlich Männer. Teilzeit hingegen ist weiblich, was nicht zuletzt an der nach wie vor traditionellen Rollenaufteilung zwischen den Geschlechtern liegt. Dies ändert sich zwar mittlerweile, doch längere Arbeitszeiten, wie sie derzeit von der Wirtschaft gefordert werden, würden all diese langsamen Fortschritte zunichtemachen.
Eine Frage der Emanzipation
Arbeitszeitverkürzung ist also letztlich eine Frage der Emanzipation, wie dies bereits Heinz Dürr formuliert hat, auch wenn er mit dem Begriff vermutlich nicht in erster Linie die Geschlechterfrage im Kopf hatte. Das Fazit des Gewerkschafters aus der damaligen Diskussion: „Da wurde mir klar, dass der Mensch seine Geschichte selbst macht, wenngleich unter vorgefundenen Bedingungen. Das hieß für mich: Ich bin keinem unumstößlichen Schicksal ausgeliefert, ich kann die gesellschaftlichen Verhältnisse beeinflussen und mitgestalten!“ Das gilt bis heute.

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