Das neue freiheitliche Wirtschaftsprogramm sieht massive Sozialkürzungen vor. Was ist aus der "sozialen Heimatpartei" geworden?
RechtspopulistInnen untergraben gezielt die ökonomische Sicherheit der "kleinen Leute", für die sie angeblich kämpfen. Die Ungleichheit wird so noch größer.
Populismus ist Schimpfwort wie Kampfbegriff. Dabei stammt er sprachlich, wie auch die Demokratie, vom Volk ab. Ist er dennoch per se abzulehnen?
In Österreich die FPÖ, in den USA Donald Trump, in Deutschland die AfD - in vielen Teilen der Welt sind populistische Parteien seit Jahren im Aufwind. Das ist kein Zufall. Hinter ihren Erfolgen stecken ausgeklügelte, zum Teil altbewährte Strategien. Nur wer diese kennt, kann den PopulistInnen den Wind aus den Segeln nehmen.
Sonja Fercher
Chefredakteurin
Arbeit & Wirtschaft
ie Begrifflichkeiten des Rechtspopulismus, der das „Volk“ beschwört, das sich gegen „Volksfeinde“ wehren müsse, erinnern nicht umsonst an den Nationalsozialismus. In diesem System wurde diese Vorstellung auf eine mörderische Spitze getrieben. Diesen Zusammenhang herzustellen gilt inzwischen als verpönt, denn das moralische Beschwören hat nicht zum erhofften Erfolg geführt: Das Tabu konnte nicht aufrechterhalten werden, vielmehr wurde es von RechtspopulistInnen lustvoll gebrochen und mit dem Begriff der „Nazi-Keule“ belegt.
In der Tat ginge es zu weit, würde man die heutigen Verhältnisse mit jenen der Weimarer Republik oder des Austrofaschismus vergleichen oder RechtspoulistInnen mit Nazis gleichsetzen. Auch hat sich gezeigt, dass der moralische Impuls allein nicht reicht, um rechten Gruppierungen zu begegnen. Dennoch scheint mir der Hinweis auf die Geschichte enorm wichtig – im Sinne einer Verantwortung, die wir zu tragen haben.
Rassistischer Unterton
Neuerdings ist wieder viel von den „Sorgen und Ängsten“ der WählerInnen von rechtspopulistischen Parteien die Rede, die ernst genommen werden müssten. Es mutet sehr seltsam an, wenn Sorgen und Ängste erst dann wahrgenommen werden, wenn sie mit rassistischem Unterton daherkommen. Wenn dieses „Ernstnehmen“ zudem bedeutet, dass sich andere Parteien den Positionen der RechtspopulistInnen annähern oder sie gar übernehmen, ist dies gefährlich. Denn so gibt man der Agenda der PopulistInnen recht: Nicht die soziale Ungleichheit, die größer werdende Kluft zwischen Arm und Reich, die wachsende Armut, der Mangel an Chancengleichheit in Bildung und damit am Arbeitsmarkt sind das Problem – vielmehr sind es „die Ausländer“.
RechtspopulistInnen in Österreich haben die politische Agenda bereits erfolgreich beeinflusst. Entgegen jeglichen Fakten wird etwa behauptet, die Zuwanderung in den Sozialstaat sei eine Gefahr. Die einfache Lösung: Wenn man keine MigrantInnen mehr hereinlässt, ist der Sozialstaat gerettet. Dass jene, die dies propagieren, den Sozialstaat auch dann weiter beschneiden wollen, wenn kein/e AusländerIn mehr die Grenze überschreitet, wird ignoriert.
Dazu kommt eine eigenwillige Selbstkritik, man habe das „Problem der Integration“ bisher unterschätzt. So scheint man es sich schönzureden, wenn man fremdenfeindliche Propaganda übernimmt, statt eine offene Debatte über Integration zu führen – oder darüber, in welcher Gesellschaft wir leben wollen: Ist es eine, in der alle Menschen faire Chancen haben, egal welcher sozialen oder ethnischen Herkunft sie sind, egal welches Geschlecht sie haben?
Keine Frage, es ist unpopulär, über Verteilungs- oder Chancengerechtigkeit zu sprechen. Dass auch der Westen Verantwortung für die Fluchtbewegungen auf der Welt hat, weil unser Reichtum auf Kosten der Menschen in anderen Regionen geht. Dass der Reichtum von wenigen auf Kosten der Mehrheit der Bevölkerung geht. Dass auch die Wirtschaft von einer gerechten und solidarischen Gesellschaft profitiert. Aber auch wenn es unpopulär sein mag: Es ist dringend nötig.
Gerechte Gesellschaft
Herrschaftskritik, Gesellschaftskritik, Medienkritik: Sie sind in einer Demokratie unabdingbar. RechtspopulistInnen üben diese – allerdings nur scheinbar. Denn ihr Ziel ist es nicht, die kritisierten Zustände zu verbessern, vielmehr haben sie zerstörerische Absichten.
Leider haben sie Erfolg, denn die gesellschaftliche Stimmung ist angespannt bis aggressiv. Dies zu ändern ist harte Arbeit. Aber sie ist dringend nötig, denn die gesellschaftlichen und sozialen Herausforderungen sind enorm und die in Österreich lebenden Menschen haben es verdient, dass dafür konstruktive Lösungen im Sinne einer gerechten Gesellschaft gefunden werden.
Abgesandte der frühen ArbeiterInnenorganisationen reisten durch die Lande, um die ArbeiterInnen für das Einfordern ihrer Rechte zu gewinnen.
rbeit ist das halbe Leben“, heißt es sprichwörtlich. In letzter Zeit allerdings drängen Industrie und Wirtschaft auf eine wortwörtliche Umsetzung und fordern den 12-Stunden-Tag. Bereits jetzt bieten Arbeitszeitgesetze, Kollektivverträge und Betriebsvereinbarungen eine Vielzahl von Gestaltungsmöglichkeiten bei der Arbeitszeit. Bei besonderem Bedarf sind auch 12-Stunden-Arbeitstage, selbst über längere Zeiträume, möglich. Die mehr als 250 Millionen geleisteten Überstunden zeigen deutlich, dass österreichische ArbeitnehmerInnen bereits jetzt extrem flexibel arbeiten.
Aus Sicht der Gewerkschaft fällt auf, dass die Flexibilisierungsdebatte derzeit fast ausschließlich aus Perspektive von Unternehmen und der Industriellenvereinigung geführt wird – mit einer eindeutigen Zielrichtung: Die Arbeitszeiten sollen sich ausschließlich tatsächlichen oder behaupteten betrieblichen Erfordernissen anpassen, während die Interessenlagen der ArbeitnehmerInnen nicht berücksichtigt werden. In anderen Worten: Arbeit auf Abruf, ständige Erreichbarkeit und lange Durchrechnungszeiträume, die viel Potenzial haben, Zuschläge zu reduzieren.
Überlastung ist teuer
Ausufernde Arbeitszeiten ohne die Möglichkeit der Mitbestimmung der ArbeitnehmerInnen gehen zulasten von Gesundheit, Erholung, Freizeit und Familienleben. Sie sind außerdem ein Gesundheitsrisiko, erhöhen die Fehlerhäufigkeit bzw. Unfallwahrscheinlichkeit und verursachen damit auch Kosten für das Gesundheitssystem und die Allgemeinheit.
Es ist auch betriebswirtschaftlich nicht sinnvoll, wenn Beschäftigte „hackeln bis zum Umfallen“. Der ÖGB fordert deshalb Arbeitszeitmodelle, die sich an den Bedürfnissen der ArbeitnehmerInnen orientieren und nicht am Profitinteresse der Unternehmen. Hier gibt es Instrumente wie Rechtsansprüche auf berufliche Auszeiten zur Burn-out-Prävention, für Weiterbildung oder zur beruflichen Umorientierung sowie das Recht auf Teilzeit in bestimmten Lebensphasen – wie Pflege, Kinderbetreuung, Qualifikation – mit einem Rückkehrrecht zu Vollzeit.
Vor dem Hintergrund hoher Arbeitslosigkeit und der Digitalisierung sind Arbeitszeitverkürzung und andere solidarische Arbeitszeitmodelle (wie Jobsharing) sicher der nachhaltigere Weg. Wenn man die Vorteile der Digitalisierung und die daraus resultierenden Produktivitätssteigerungen nutzen möchte, ist die Lösung der Verteilungsfrage von zentraler Bedeutung – und zwar die Verteilung von Einkommen und von Arbeitszeit. Die gegenwärtige Form von Arbeitszeitverkürzung in Form von Arbeitslosigkeit und (einkommensreduzierender) Teilzeit geht ausschließlich zulasten der ArbeitnehmerInnen, während die Kapitaleinkommen überproportional ansteigen. Die derzeitige Diskussion zur Flexibilisierung geht in die völlig falsche Richtung: Auf dem Rücken der ArbeitnehmerInnen wird das Arbeitszeitthema zum politischen Spielball. Ohne Rücksicht auf Verluste versuchen sich einzelne PolitikerInnen auf Kosten der Gesundheit Beschäftigter zu profilieren. Manch Unternehmer geht sogar so weit, sich mit hohen Wahlkampfspenden den 12-Stunden-Tag plus Einsatzbereitschaft am Wochenende erkaufen zu wollen. Von großem Weitblick zeugt das nicht.
Gewerkschaften stehen für Fortschritt
Der generelle, gesetzliche verankerte 12-Stunden-Tag wäre auch historisch betrachtet ein echter Rückschritt: In Österreich wurde 1889 im Bergbau Seegraben erstmals der 8-Stunden-Tag vereinbart.
1918 erreichte der Sozialpolitiker Ferdinand Hanusch den 8-Stunden-Tag für FabrikarbeiterInnen – im selben Jahr wurde das auch gesetzlich verankert. Seitdem wurde die Arbeitszeit immer weiter reduziert. Seit 1985 haben einzelne Branchen 38 Stunden pro Woche oder weniger vereinbart.
Was wir brauchen, sind branchenspezifische Arbeitszeitlösungen, die nicht nur auf unternehmerische Bedürfnisse eingehen, sondern auch gesellschaftspolitisch sinnvoll sind. Diesen Kampf haben wir GewerkschafterInnen quasi in unserer DNA, und wir werden auch nicht müde, ihn weiter zu bestreiten. Denn Arbeitszeit ist Lebenszeit.
Durchrechnungszeitraum? Gleitzeitrahmen? Rufbereitschaft? Ersatzruhe? Wichtige Begriffe aus dem Arbeitszeitrecht, kurz erklärt.
Weniger Wochenstunden per Gesetz - das ist nur eine Möglichkeit, die Arbeitszeit zu reduzieren. Es gibt aber noch viele andere. Ein Überblick.