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Mittel und kein Ziel

Forschung ist immer mehr auf externe Finanzierung angewiesen. Richtig dosiert kann das stimulierend wirken. Im Übermaß behindert es innovative Forschung.

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Wissenschaft und Macht

Das Verhältnis von Wissenschaft und Politik erregte in letzter Zeit verstärkt das öffentliche Interesse. Tatsächlich ist es eine spannungsreiche Beziehung.

Standpunkt: Wissen ist kein Feind

Standpunkt: Wissen ist kein Feind

Sonja Fercher
Chefredakteurin
Arbeit & Wirtschaft
s ist paradox: Obwohl sich unsere Gesellschaft immer mehr zu einer Wissensgesellschaft entwickelt, sind wir mit einer neuen Welle der Wissenschaftsfeindlichkeit konfrontiert. Aber vielleicht ist es sogar logisch, dass die beiden Phänomene Hand in Hand gehen. Es ist zweifellos schwieriger und anstrengender geworden, sich in dem riesigen Dschungel von Informationen und Quellen zu orientieren.
Ökonomisierung
Diese Entwicklung fällt erstens zusammen mit einer zunehmenden Ökonomisierung der Gesellschaft, zweitens mit einer noch weiter zugespitzten Mediatisierung, in der es mehr um knackige Schlagzeilen und Personen denn um Inhalte geht, während der Qualitätsjournalismus weiterhin in einer Finanzierungskrise steckt.
Dazu kommt, dass so manche Autoritäten ins Wanken geraten sind – und das ist nicht von vornherein schlecht. So üben auch wir in der A&W immer wieder Kritik an einseitigen wissenschaftlichen Erkenntnissen, versuchen andere Perspektiven aufzuzeigen und weisen auf blinde Flecken hin, die wir im Mainstream ausmachen. Weiters ist die Ökonomisierung der Wissenschaft eine große Herausforderung: Wer kann sich noch darauf verlassen, dass Ergebnisse von Studien auch wirklich objektiv sind und nicht von den Auftraggebern beeinflusst, die sie finanzieren?
Was, wenn der Kampf um Drittmittel dazu führt, dass WissenschafterInnen an Universitäten ihre Forschung danach richten, was finanzierbar ist, und nicht danach, ob eine wichtige Erkenntnis daraus erwachsen könnte. Wenn Studienpläne nur noch darauf ausgerichtet sind, möglichst schnell fertig zu werden, und nicht darauf, dass Studierende zunächst ihren Kopf weit aufmachen, bevor sie in den beruflichen Alltag eintauchen. Wenn Medien Studien unhinterfragt weiterverbreiten, sich JournalistInnen nicht die Zeit nehmen (oder sie ihnen nicht gegeben wird), um Financiers und Ergebnisse kritisch zu hinterfragen. Wenn gesellschaftliche Diskussionen nur noch an der Oberfläche geführt werden, statt sie in die Tiefe zu führen.
Kein schmaler Grat
All dies lässt Vorwürfe und auch Skepsis gegenüber der Wissenschaft berechtigt erscheinen. Jedenfalls erklärt es, warum auch so manche Wissenschaftsleugnung auf fruchtbaren Boden fällt. Doch liegt zwischen der Wissenschaftskritik und der Leugnung wissenschaftlicher Erkenntnisse wirklich nur ein schmaler Grat? Ist Wissenschaft wirklich beliebig? Die Antwort lautet eindeutig: Nein! Denn allen Fehlentwicklungen zum Trotz gelten in der Wissenschaft strenge Regeln. Aber es ist mehr Vorsicht gefragt. Man sollte etwa bei der Auswahl von Quellen Vorsicht walten lassen. Es gibt inzwischen im Internet mehrere Tipps, wie man Falschnachrichten auf die Spur kommen kann (z. B. unter www.mimikama.at). Umso wichtiger wäre es daher, jungen Menschen schon in der Schule Möglichkeiten zu vermitteln, wie sie sich diesbezüglich zurechtfinden können.
Hehre Wünsche
Leider sind das momentan hehre Wünsche, denn in Österreich befinden sich gerade zwei Parteien mitten in den Koalitionsverhandlungen, von denen VertreterInnen durchaus durch das Leugnen von Fakten und wissenschaftlichen Erkenntnissen aufgefallen sind. Zudem sind in ihrem Umfeld private Forschungsinstitutionen tätig, die vermeintlich objektive Erkenntnisse verbreiten, um damit ihre Angriffe auf den Sozialstaat und die Sozialpartnerschaft zu begründen. Umso wichtiger wird es sein, dass gerade Gewerkschaften und Arbeiterkammern einen starken Gegenpol bilden. Wir werden uns in der A&W weiter darum bemühen, unseren LeserInnen Fakten und Zusammenhänge aus der Sozial- und Wirtschaftspolitik näherzubringen.

Nicht zuletzt: Wir kämpfen für Fairness

Nicht zuletzt: Wir kämpfen für Fairness

er von Land- und Forstwirtschaft hört, denkt nicht automatisch an Gewerkschaft. Doch wer glaubt, das hätte nichts miteinander zu tun, irrt sich: Auch in diesem Bereich von Wirtschaft und Gesellschaft sind Gewerkschaft und BetriebsrätInnen hochaktiv.
Betrachtet man den gewerkschaftlichen Stammbaum, dann waren die Beschäftigten in der Land- und Forstwirtschaft ursprünglich in der Gewerkschaft Land-Forst-Garten und später in der Gewerkschaft Agrar-Nahrung-Genuss (ANG) organisiert.
Im Jahr 2006 vereinigte sich die ANG, deren Vorsitzender ich seit 2004 war, mit der damaligen Gewerkschaft Metall-Textil, und drei Jahre später entstand aus der Gewerkschaft Metall-Textil-Nahrung und der Gewerkschaft der Chemiearbeiter die Produktionsgewerkschaft PRO-GE. Sie ist die für die Beschäftigten in der Land- und Forstwirtschaft zuständige Gewerkschaft.
Zersplitterung und Föderalismus
Die vielfältigen Tätigkeitsbereiche, die zersplitterte Betriebsstruktur und ein starker Föderalismus machen diese Branche für uns zu einer großen Herausforderung, wie auch ein Blick auf unsere Kollektivvertragslandschaft beweist: Von den Bäuerlichen Betrieben des Burgenlandes bis hin zu den Winzergenossenschaften Niederösterreich zählen wir rund 30 Kollektivverträge. Darunter sind einige „starke“ Kollektivverträge, wie jener für die Österreichischen Bundesforste oder die Bayerischen Saalforste Salzburg. Aber es überwiegen jene, wo wir von einem Mindestlohn von 1.500 Euro noch mehr oder weniger deutlich entfernt sind.
Arbeitsrechtliche Abgründe
An dieser Stelle ist es mir wichtig festzuhalten: Auch wenn die (oft migrantischen) ArbeitnehmerInnen in der Land- und Forstwirtschaft in der öffentlichen Wahrnehmung leider nur eine untergeordnete Rolle spielen bzw. bewusst an den Rand gedrängt werden – nicht nur bei den Verhandlungen zwischen den Sozialpartnern zum Mindestlohn im Frühjahr waren und sind uns ihre Interessen ein großes Anliegen.
Es ist für uns keine Neuigkeit, dass der Kollektivvertrag und die betriebliche Realität nicht immer im Einklang stehen. Doch gerade im land- und forstwirtschaftlichen Bereich tun sich manchmal arbeitsrechtliche Abgründe auf, die man im Österreich des 21. Jahrhunderts nicht mehr für möglich halten würde.
Wir bemühen uns als PRO-GE nach Leibeskräften, sowohl die gewerkschaftliche Organisation in der Land- und Forstwirtschaft als auch die Durchsetzung der Rechte der ArbeitnehmerInnen voranzutreiben. Aufgrund einiger Besonderheiten – Saisonarbeit, Sprachbarrieren und ein kaum vorhandenes Unrechtsbewusstsein vieler Arbeitgeber – gestaltet sich das jedoch schwieriger als in anderen Branchen.
Gerade deshalb wäre eine wirkungsvolle Kontrolltätigkeit der Landwirtschaftsinspektorate von großer Bedeutung: Auf Basis des Tätigkeitsberichts des Landwirtschaftsinspektorates Steiermark lässt sich errechnen, dass ein landwirtschaftlicher Betrieb in der Steiermark durchschnittlich alle 1.200 Jahre kontrolliert wird. Hier ist Nachholbedarf ein bescheidener Hilfsausdruck, vielmehr würde ich klar von einem Politikversagen sprechen.
Offensichtliche Versäumnisse
Die mangelnde personelle Ausstattung der Landwirtschaftsinspektorate ist nicht das einzige offensichtliche Versäumnis der heimischen Landwirtschaftspolitik. Aber sie alle zu nennen würde den Rahmen sprengen.
Jedenfalls: Wie in allen anderen Wirtschaftsbereichen sind es auch in der Land- und Forstwirtschaft in erster Linie die Betriebsrätinnen und Betriebsräte, die gemeinsam mit der Gewerkschaft für faire Arbeitsbedingungen und eine faire Entlohnung der Beschäftigten eintreten!

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